Chapter 6

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*** Ein Monat später ***

>>Ich frage mich wirklich, ob Mark das ernst gemeint hat.<<

Mein Vater erzählte am Essenstisch etwas über die Arbeit und seine Kollegen, während Mum ihm konzentriert zuhörte.Das Qietschen der Gabel, als sie die Pasta auf ihre Gabel aufrollte, ließ mich zusammenzucken.

>>Vielleicht wollte er auch nur einen Scherz machen.Was mir viel mehr Sorgen bereitet ist eine meiner Patienten.Olivia Morgan.<<

Ich verschluckte mich, als sie den Namen Morgan erwähnte.Ich verfiel in einen hysterischen Hustanfall und mein Vater hielt mir besorgt ein Wasserglas unter die Nase.

>>Niall, Schatz, was hast du?<<

>>Nichts, nichts.Erzähl weiter.<<

Skeptisch musterte sie mich, doch dann erzählte sie.

>>Sie wurde letzte Nacht eingeliefert.Junges Mädchen.Erst siebzehn Jahre.Sie wollte sich umbringen.Stellt euch das doch einmal vor.Bobby, sie ist gerade mal so alt wie unser Niall.<<

Aufgebracht nippte Mum an ihrem Weinglas.Mein Dad legte beruhigend seine Hand auf ihre und flüsterte ihr etwas zu.

>>Sie ist völlig am Ende.Ihre Mutter ist gestorben und sie hat sich schon mehrmals geritzt.Wir wissen noch nicht, ob das ihr erster Suizidversuch war oder doch schon der zweite oder sogar dritte.Gott...<<

Normalerweise trennte Mum Arbeit und Familie, aber das schien ihr nah zu gehen.

Olivia.

Olivia.

O.M.

Olivia Morgan.

***

Michael hat mich heute dreimal geschlagen, aber ich habe mir keine neuen Schnitte hinzugefügt.Ein kleines bisschen stolz bin ich ja schon.Dad wurde von der Polizei über den Tod von Mum informiert, aber er hat sich kein einziges Mal gemeldet.

Wenn das Jugendamt hier ein einziges Mal aufkreuzen sollte, lande ich im Heim.

Ich legte das Buch unter meinen Sitzsack und setzte mich auf die Fensterbank.Ungeduldig trommelte ich mit meinen Fingern auf das Marmor und beobachtet, wie die Sonne langsam unterging und den Himmel in ein sanftes Rot tauchte.Mir entfuhr ein Seufzen und mein Kopf lehnte an die kalte Scheibe.Es war kälter geworden und vorgstern waren schon ein paar Schneeflocken gefallen, die jetzt allerdings nicht mehr zu sehen waren.Mein Blick glitt zur Uhr über der Tür.

5:33 pm.

Im Nachbargarten fegte Alex gefallene Blätter zusammen.Er war eine Klasse über mir und total beliebt.Er sah gut aus.Schwarze Haare und blaue Augen.Anscheinend der Traum aller Mädchen.Seine Augen trafen meine, als er den Kopf in die Richtung meines Zimmers drehte.Er schenkte mir ein Lächeln, doch ich schaute schnell zu meinem Bett.Wahrscheinlich waren meine Wangen so rot wie der Himmel.Hastig sprang ich von der Fensterbank und schnappte mir meine Winterjacke mitsamt Schal.Laut trampelte ich die Treppen hinunter und zog mir im Flur meine Schuhe an.Handy und Haustürschlüssel ließ ich in meine große Jackentasche gleiten.

>>Tschau.<<

>>Wann kommst du wieder, Niall?<<

>>Weiß nicht.<<

>>Vor neun!<<

>>Jaa.<<

Ich ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen und ging mit den Händen in den Jackentaschen vergraben die einsame Straße entlang.Ich setzte mir meine Kopfhörer auf und schaltete die Musik an meinem Handy an.Ein Windzug ließ mich erschaudern, aber ich wollte einfach nur alleine sein.An der frischen Luft.Nachdenken.

Nachdenken über Olivia Morgan.

Ich weiß nicht, es kam mir vor, als würde ich sie seit Jahren kennen.Als wäre sie meine beste Freundin.

Als ich bei einem vereisten See angekommen war, ließ ich mich auf eine Bank daneben fallen.

Wie sah sie wohl aus?

Blonde Haare oder braune?

Oder vielleicht sogar schwarze?Sie könnte auch rote Haare haben.Oder gefärbte.

Hatte sie blaue Augen oder grüne wie Louis' bester Freund?

Hatte sie reine Haut und große Augen?

War sie groß und schlank oder klein und etwas kräftiger?

Eine warme Träne ließ mir die Wange hinunter.

Sie wollte sterben.Olivia Morgan wollte sterben.Es machte mich traurig.

Ich wollte sie sehen.

Ich wollte ihr helfen.

BLACK DAYS || HoranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt