Kapitel 8 - Spiel nach seinen Regeln

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A/N: Triggerwarnung
Nötigung
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Ich lag seit sieben Uhr morgens wach in meinem Bett, es war Sonntag und mein Vater reiste ab. Ich hörte ihn nebenan rumoren, er packte Sachen in seinen Koffer, unterhielt sich in gedämpfter Tonlage mit Theresa. Ich hatte mittlerweile keine Tränen mehr die ich vergießen konnte, zu viele waren an diesem Wochenende geflossen. Ich stand auf, machte mich fertig, was bedeutete ich deckte die blauen Flecken ab und legte mich zurück ins Bett. Einige Zeit später klopfte es an meiner Tür, mein Vater kam herein. Er sah müde und abgekämpft aus, erstaunt darüber, dass ich wach war, setzte er sich zu mir ans Bett. „Lilly...es ist okay, wenn du trinkst, ich...es ist einfach nur schwer darüber nachzudenken, ich habe in der Vergangenheit viel erlebt, viel getrunken, das weißt du. Ich möchte einfach nicht dasselbe bei dir erleben, verstehst du?", seine Stimme klang rau, klang ungewohnt in meinen Ohren. Ich richtete mich auf und sah ihn verständnislos an: „Glaubst du wirklich Dad, dass wenn ich einmal mehr trinke, verfalle ich direkt dem Alkohol? Wir haben getrunken und Spaß gehabt, mehr nicht." Er rückte näher und nahm mich vorsichtig in den Arm: „So habe ich das nicht gemeint, Lill. Ich möchte einfach nur, dass dir nichts passiert." Wieder diese Ironie in seinen Worten. Wenn er nicht gehen würde, würde mir auch nichts passieren, aber das konnte ich ihm nicht sagen. Doch wenn ich ehrlich bin, passierten mir sogar in Anwesenheit Dinge, von denen ich früher nie geträumt hätte. Ich zog die Beine an und lehnte mich an seine Brust, wie sehr ich ihn vermissen würde. „Geh nicht, Dad. Bitte...", ich konnte diese Worte nicht bei mir behalten, ich brauchte meinen Vater so sehr. Mein Vater drückte mich fester an sich, eine Weile verharrten wir so, ich genoss seine Nähe. „John? Wir müssen bald los, möchtest du noch einen Kaffee?", Theresa erschien in meiner Tür und sah mich abschätzig an. Mein Magen knotete sich zusammen, am liebsten hätte ich ihn festgehalten, an mein Bett festgebunden, doch mein Vater stand auf und nickte: „Sehr gerne. Komm Lilly, wir essen noch schnell was." Zusammen gingen wir nach unten, wo auch schon Ben wartete und frühstückten gemeinsam. Einer der wenigen Momente die eine Art von Idylle versprühte, eine Momentaufnahme von Frieden und einem normalen Familienleben. Die Zeit rannte und schon bald lud mein Vater seine Koffer in seinen Wagen, ich stand auf der Hofeinfahrt und beobachtete ihn schweigend. Er zog mich in eine feste Umarmung, übersäte mich mit Küssen und verabschiedete sich von mir: „Mach es gut Lilly. Du kannst mich im Sommer besuchen kommen, was meinst du? Tokio ist wirklich schön, wirst du mögen! Tu mir einen Gefallen und sei sparsam mit dem Geld, Theresa versucht so gut es geht zu haushalten, dann ist auch ein Ticket nach Tokio drin!" Ich unterdrückte meine Wut und umarmte ihn: „Klar, gerne." Wieso sollte ich mich bemühen zu reden, alles was ich sagte wurde verdreht, Lügen wurden mir angedichtet. Dass mein Vater wirklich glaubte, ich sei so rücksichtslos mit dem Geld. Er stieg zu Theresa ins Auto und fuhr mit ihr zum Flughafen, ich begleitete sie nie, nicht weil ich nicht meinen Vater verabschieden wollte, sondern weil ich mir die Rückfahrt mit Theresa ersparen wollte.

Zurück im Haus kam mir Ben entgegen, ein dreckiges Grinsen zierte sein Gesicht. „Daddy ist wieder fort, wie Schade. Ich bin stolz auf dich, Lill. Du hast deine Klappe gehalten, weiter so!", seine Hand streifte meine Hüfte, ich drehte mich eilig weg und schob mich an ihm vorbei nach oben. Kaum im Zimmer angekommen kamen wieder die Tränen, mittlerweile brannte meine Haut vom vielen weinen. Ich wischte sie fort und cremte mein Gesicht ein, ich sah wirklich schrecklich aus, wie sollte ich so morgen zur Schule gehen? Eher widerwillig machte ich meine Hausaufgaben, wusch Karlas Kleid, von der ich den ganzen Tag nichts hörte, was mich ein wenig stutzig machte und bügelte es. Gegen Abend hörte ich Geschirr klappern, wagte es aber nicht nach unten zu gehen. Ich schaffte es einfach nicht mich heute mit den Beiden zu konfrontieren, das müsste ich noch lange genug. Eine Stunde später schlich ich mich nach unten, lugte in den Kühlschrank und entdeckte nichts. Wieso glaubte ich sie würden für mich etwas übriglassen? So leise es ging schnappte ich mir ein Messer, Nutella und ein Brot, schmierte es mir in Windeseile und lief zurück auf mein Zimmer. Mehr gab es heute nicht, das müsste genügen. Wenn ich zu viel Brot nahm, kam Theresa wieder auf mich zu, um mich zu ermahnen, ja das tat sie wirklich. Ab und an ein Brot zu stibitzen ging absolut in Ordnung, nur nicht zu viel. Mit Magenknurren ging ich ins Bett, mein Handy vibrierte bis zum nächsten Morgen nicht.

Midnight Snow - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt