Kapitel 5 - Disco, Disco

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Freitag stand schneller vor der Tür als gedacht, die Lust auf diese Party zu gehen hielt sich in Grenzen, jedoch gab es in der Schule kein anderes Thema mehr. Die Mädels fragten sich alle was sie anziehen sollten, während die Jungs nur über Alkohol nachdachten - wann ist diese Kluft zwischen Jungen und Mädchen entstanden? Ich dachte an die Zeit zurück, wo wir uns zum Klettern in Wald verabredet haben, wo es egal gewesen ist was wir anhatten, oder ob wir O-Saft-Päckchen oder Apfelschorle tranken. Irgendwie ist alles einfach so an mir vorbeigezogen und ich fühlte mich mit Dingen konfrontiert, die mir Angst machten. Angst kontrollierte mein Leben. „Ey Finn. Deine Eltern kommen ganz sicher nicht nach zu früh Hause?", Simon, ein schwarzhaariger Junge aus Biologie, gesellte sich zu uns und haute Finn auf den Rücken. Finn schnappte kurzzeitig nach Luft, fing sich jedoch schnell und setzte ein Grinsen auf: „Sicher, aber sowas von! Ihr seid alle eingeladen, aber für Alkohol müsst ihr selbst sorgen!", antwortete er. Ich musterte meinen besten Freund, der nicht nur unheimlich sportlich über die Ferien geworden ist, sondern auch erwachsener aussah als noch vor zwei Monaten. Er mutierte langsam zum Schwarm vieler Mädchen, ich hörte sie in den Gängen und unseren Kursen tuscheln, wenn er vorbeiging. Einige schienen eifersüchtig auf unsere Freundschaft, was ich lächerlich fand da wir schon seit dem Kindergarten befreundet sind, doch da machten sie keinen Unterschied. Finn schien diese Aufmerksamkeit zu genießen und ich erwischte mich tatsächlich dabei, wie ich ihn dafür verurteilte. Simon und Finn kamen nie gut miteinander aus, Finn scherte sich zu wenig um sein Auftreten, seinen sozialen Stand und jetzt? Sie schienen seit den Ferien wie Kletten aneinander zu kleben. „Natürlich Bud, versprochen ist versprochen! Habe schon alles geklärt!", Finn grinste breit und schlug Simon in die Hand. Ich dachte mir meinen Teil dazu, niemals erlaubten seine Eltern eine Hausparty in ihrem Haus und beobachtete weiter das Treiben in der Halle. Die Beiden machten sich zusammen auf zum Sportunterricht, Esther, Karla und ich blieben zurück. „Findet ihr auch, dass Finn sich verändert hat?", Esther flüsterte diese Frage, aus Angst Andere könnten sie mitbekommen und petzen gehen. Ich ließ den Beiden den Vortritt, ich mochte mich nicht dazu äußern, er ist und bleibt mein bester Freund. Karla schüttelte den Kopf: „Finny wird erwachsen, mehr nicht." Erwartungsvoll schauten Karla und Esther mich an, doch ich äußerte mich nicht dazu, sondern zuckte nur mit den Achseln.

Vier Stunden später liefen wir schwitzend unsere vierte Runde in der Turnhalle, wir alle ersehnten das Ende dieser Doppelstunde herbei. Zum einen forderte Frau Deckert uns ganz schön und zum anderen hatten wir hiernach Schulschluss. Hinter mir hörte ich Karla motzen, doch ihre Wutrede wurde immer wieder von einem lauten Schnaufen unterbrochen: „Wieso. Müssen wir. So. Viel. Laufen? Ist das. Ihr Ernst?" Ich kicherte, woraufhin sie versuchte mich am Rücken mit ihrer Hand zu treffen, jedoch lief ich einfach davon und sie brüllte mir etwas hinterher was ich nicht verstand. Grinsend drehte ich meine fünfte und letzte Runde und kam leicht aus der Puste bei Frau Deckert an. Diese schaute bei der Ankunft von mir nach oben, lächelte und schaute auf ihre Uhr: „Nicht schlecht, Lilly. Ganz schön flott unterwegs, aber kein Wunder bei deinen langen Beinen." Als sie nach unten blickte und meine Beine musterte, spürte ich wie meine Wangen anfingen zu brennen und tippelte unruhig auf der Stelle. Ihr Blick wanderte langsam zurück nach oben und ich drehte mich in Windeseile um, nur damit sie nicht sehen konnte wie sehr sie mich in Verlegenheit brachte. Kurze Zeit später kamen die Nächsten an, die sich zum Teil auf den Boden schmissen und nach Atem rangen, während Karla noch weit abgeschlagen im hinteren Viertel lief. Ich klatschte in die Hände als sie endlich neben mir zum Stehen kam, was mir einen bösen Blick bescherte und sie ließ sich ebenfalls auf den Boden fallen. „Wie. Kannst. Du. Nur. So. Schnell. Sein?", schnaufte sie erschöpft. „Übung, Karla. Jahrelange Übung", entgegnete ich grinsend. Ich verriet ihr nicht, wie ich zum Laufen kam, was mein Antrieb war, aber sie gab sich mit meiner Antwort eh zufrieden. Als kleines Kind ist Ben immer hinter mir hergelaufen, um mich hochzuheben und zu bestrafen wenn ich in seinen Augen böse gewesen bin, mit den Jahren ging ich immer öfters raus um zu joggen und kam so zu meiner Leidenschaft, die mir irgendwie auch den Arsch rettete. Karla zerrte sich an mir hoch und schielte zu Frau Deckert hinüber: „Diese Frau ist der Teufel höchstpersönlich! Von außen betrachtete sieht sie aus wie ein Engel und von innen ist sie ein Sadist, die es liebt Schüler zu quälen." Ich verdrehte die Augen und schubste sie ein Stück von mir: „Jetzt übertreib mal nicht, Kal. Sie macht einfach nur ihren Job." Ich konnte ihre Aussage einfach nicht so stehen lassen, immerhin ist es nicht Frau Deckerts Schuld, dass Karla so unsportlich ist. Nun verdrehte Karla ihre Augen, drehte sich zu den anderen Mädels um und zeigte mir die kalte Schulter. Nervös begann ich auf meinem Fingernagel zu kauen, eine lästige Angelegenheit und musterte die Schar vor mir. Sie unterhielten sich natürlich wieder über die Party und was sie anziehen sollten, so wie auch schon am Morgen. Anscheinend hatten sie über den Tag hinweg ihre Meinungen geändert und griffen lieber doch zu etwas Freizügigerem als eigentlich geplant. „Ich glaube ich trage einen kurzen, schwarzen Rock, da kommen meine Beine so gut zur Geltung", sagte Sina, die ihre blonden Haare zum Dutt trug. Daraufhin schaltete sich Rose ein, die mit zu den beliebtesten Mädchen des Jahrganges gehörte: „Du willst doch nur Finns Aufmerksamkeit!" Bei Finns Namen wurde ich automatisch hellhörig und spitzte meine Ohren. „Ach so ein Quatsch, halt doch deine Klappe", entgegnete Sina gereizt. Rose lächelte halbherzig und ihr kalter Blick ließ sogar mir das Blut in den Adern gefrieren: „Ich rate dir eins, lass es lieber. Heute Abend bin ich dran!" Nun drehte Karla sich zu mir um und warf mir einen fragenden Blick zu, doch ich hatte keine Ahnung wovon sie genau sprach. „Was meint ihr damit?", fragte Karla ehrlich. Rose drehte sich zu Karla und fuhr mit ihrer Zunge über ihre Lippen: „Was wohl, hörst du schlecht? Heute Abend bin ich an der Reihe mein Glück bei ihm zu versuchen. Wir Mädels haben einen Pakt untereinander, aber davon könnt IHR ja nichts wissen, immerhin seid ihr mit ihm befreundet." Bei ihren letzten Worten sah ich die Missbilligung in ihren Augen, doch ich versuchte es an mir abprallen zu lassen und mich nicht in das Gespräch einzumischen. Karla dagegen geriet leicht in Rage und ging auf Roses Anspielung ein: „Immerhin hat er in irgendeiner Art und Weise Interesse an uns, mit euch will er ja gar nichts zu tun haben. Sonst würde er euch nicht alle abblitzen lassen." Geschockt über Karlas Gesagtes drehte ich mich doch wieder zu ihr um und riss sie an ihrem Arm zu mir, da ich aus den Augenwinkeln sah wie Rose ein Stück nach vorne sprang. Gerade noch rechtzeitig gingen wir einen Schritt zurück, Roses drohende Hand ging ins Leere. Als die Mädels anfingen laut zu werden, schaltete Frau Deckert sich ein, die von dem Vorfall nichts mitbekommen hatte. „Mädels! Ganz ruhig! Was ist nur los mit euch?! Verhaltet euch nicht wie Kindergartenkinder!", Rose beeindruckte Frau Deckerts Rede nicht und sie hob ihre Hand erneut in die Höhe um auszuholen, „Rosalie! Karla! Auseinander! Sofort!" Frau Deckert stellte sich zwischen Rose und Karla, somit stand sie auch in meiner Nähe und drückte sanft ihre Hand nach unten. Rose beruhigte sich allmählich und ging mit ihrer Clique zur Bank an der hinteren Wand. Frau Deckert drehte sich zu uns und schaute genervt drein: „Zwei Extrarunden für euch!" Ich wollte protestieren, ihr sagen wie unfair es sei, vor allem da ich überhaupt nichts damit zu tun hatte, doch sie marschierte schon in Roses Richtung und verkündete eine ähnliche Strafe. Karla und die anderen liefen mit hängenden Schultern los, doch ich blieb wie angewurzelt stehen. „Du auch", riss mich eine Stimme aus den Gedanken. Frau Deckert schaute mich durchdringend an und zeigte mit ihrer Hand in Richtung Halle, doch noch immer lief ich nicht los. „Lilly? Los, ich sage es nicht noch einmal!", ihre Stimme wurde eine Nuance dunkler und jagte mir einen Schauer über den Rücken, einen positiven Schauer. Endlich wusste ich wieder wie meine Beine funktionierten und nach einer halben Minute hatte ich die anderen bereits überrundet und trabte gen Ziel.

Midnight Snow - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt