Kapitel 28 - I can't stop thinking 'bout you

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„Kann ich noch ein Bier haben?", brüllte Tim durch das kleine Zimmer, in dem sich die halbe Klasse versammelt hatte. Der Geruch von Alkohol und Schweiß vermischte sich zu etwas unheimlich penetranten, meine noch immer empfindliche Nase brannte im Innersten. Ich hielt mir kurz die Nase zu, um das Gefühl loszuwerden, dann nahm ich einen weiteren Schluck von meinem Bier. Anna beäugte mich aus der hintersten Ecke, sagte jedoch kein Wort zu mir. Gut für sie, ich wusste nicht wie lange ich mich noch ihr gegenüber beherrschen konnte. Sara reichte eine Flasche mit Schnaps weiter, von der Jeder einen Schluck nahm, auch ich. „Lasst uns Wahrheit oder Pflicht spielen!", kreischte Fiona und erntete einige böse Blicke. Der Großteil jedoch schien angetan von ihrer Idee, während ich am liebsten die Flucht ergriffen hätte. Ich war noch nie ein Fan von solchen Partyspielen, erst recht nicht in dieser Runde. Gerade als ich mich aufrichten wollte, um zu gehen, drückte eine Hand mich zurück nach unten. Anna. Ich blickte in Annas grinsendes Gesicht, sie setzte sich genau neben mich. Ich verdrehte die Augen und rückte ein Stück näher zu Mona, die Anna warnend anfunkelte. „Entspannt euch mal!", zischte sie uns zu und nippte an ihrem Wodka-O. Diese Frau hatte leicht reden, erst brachte sie solche Sprüche und dann verhielt sie sich so? Ich rückte intuitiv noch ein Stück an Mona heran, die mehr bereitwillig noch mehr Platz machte, sie bot mir sogar an Plätze zu tauschen, jedoch wollte ich keine Szene machen. Fiona drehte aufgeregt die Flasche und klatschte wie wild in die Hände als die Flasche vor Sara zum Stehen kam. „Wahrheit oder Pflicht?", fragte sie mit verführerischer Stimme, Sara seufzte auf. „Wahrheit!", sie wollte es selbstbewusst rüberbringen, alle merkten aber wie wenig sie dieses Spiel mochte. Fiona wackelte mit ihren Augenbrauen und schaute sich im Raum um, was versuchte sie in unseren Gesichtern zu lesen? „Hast du auf diesem Ausflug mit jemandem geknutscht?", die Frage hallte durch den Raum und ich war unendlich froh nicht dran zu sein, auch wenn ich niemals die Wahrheit gesagt hätte. „Ja...", sagte Sara kurz und knapp und alle fingen an zu pfeifen und zu spekulieren. Sara beugte sich zur Flasche und drehte sie, sie zeigte auf Dario, einem unscheinbaren Jungen aus unserem Kurs. So ging es einige Runden, fast alle nahmen Wahrheit, bis die Flasche auf Anna zeigte. „Pflicht", entgegnete sie bevor Olivia, eine Freundin von ihr, fragen konnte was sie nehmen wollte. Anna funkelte mich an, warum auch immer und schaute dann gebannt zu ihrer Freundin, die auf der anderen Seite des Raumes saß. Olivia ließ sich mächtig Zeit, spielte die Nachdenkende und rieb sich den Kopf als müsse sie stark überlegen was sie sagen sollte. Langsam wurden alle ungeduldig, doch dann machte sie einen Laut, um sich anzukündigen: „Mh. Also. Du musst ein Mädchen aus diesem Raum küssen!" Es wurde schlagartig still im Raum, alle Jungs sahen sich gespannt um und freuten sich darauf Zeuge zu werden wie zwei Mädels sich küssten. Ich tippte auf Sara, die Beiden kamen unheimlich gut klar und hatten keine Probleme damit in der Öffentlichkeit zu flirten, auch wenn es nichts Ernstes war. Dazu möchte ich noch einmal erwähnen, dass Anna es war die diesen Spruch heute gebracht hatte, was ich absolut nicht verstand. Sie erschien mir immer so tolerant, vor allem da sie mit Sara so umging wie sie es eben tat. Bisher bewegte sich Anna kein Stück, nun begannen die Jungs laut zu johlen und sie anzufeuern. Ich merkte aus den Augenwinkeln wie sie aus ihrer Sitzposition herauskam und sich langsam aufrichtete, ich traute mich nicht näher hinzusehen war aber gespannt wen sie nun küssen würde.

Plötzlich spürte ich einen Ruck und eine Hand umschloss mein Gesicht, kalte und feuchte Lippen pressten sich auf meine, wobei sich Fingernägel tief in meine Haut bohrten. Eine andere Hand lag an meinem Hals, wobei sich Anna so sehr verkrampfte, dass sie zudrückte. Mit voller Kraft schubste ich sie von mir weg, Panik durchschoss mich und ich sah Rot. Anna landete unsanft auf Tim, der sie ein wenig unglücklich auffing und ihr an die Brüste packte. Nun rastete Anna aus und schlug Tim ins Gesicht. Ich nahm die Beine in die Hand und rannte aus dem Zimmer, ignorierte Monas wie auch Annas Rufe. Meine Luftröhre fühlte sich an wie Schmirgelpapier, als würden Bens Hände wieder zudrücken und mir die Luft zum Atmen nehmen. Ein mir allzu bekanntes Gefühl. „Lilly, warte!!!", Annas Stimme ertönte hinter mir und ich rannte schneller, was war nur in diese Frau gefahren? Ich stürmte die Treppen hoch, nahm immer zwei auf einmal und landete irgendwann im 13.Stock. Dort irrte ich durch die Gänge, um einige Zeit später andere Treppen wieder hinunterzusteigen. Ich hörte keine Schritte mehr, niemand rief mehr meinen Namen. Ich schien sie wirklich abgehängt zu haben. Nun kamen die Tränen, warum auch immer und ich setzte mich auf eine Stufe vor mir. Wieso musste es immer so turbulent zugehen? Verdiente ich keinen Tag Ruhe?

Midnight Snow - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt