Kapitel 37 - Back home

1.2K 64 0
                                    

Nervös stampfte ich mit meinem eingeschlafenen Bein auf dem mit Teppich verlegten Flugzeugboden, noch leuchtete das Signal für die Anschnaller rot, doch gleich erreichten wir unsere Parkposition und wir konnten aufstehen und aussteigen. Mein Bein kribbelte, ich hasste das Gefühl von eingeschlafenen Gliedmaßen. Immer wieder kniff ich mit meiner Hand hinein, was mir unangenehme, aber aushaltbare Schmerzen bereitete. Mona nahm ihre Kopfhörer aus den Ohren, wickelte sie feinsäuberlich zusammen und blickte zu mir hinüber: „Da sind wir wohl, hm?" Ich nickte, hörte das Signal zum Abschnallen und griff hastig nach dem Anschnaller um mich davon zu befreien, das beklemmende Gefühl verschwand. Weiter vorne stand Chloe bereits und holte ihre Handtasche aus dem Stauraum über ihren Sitzen, kurz darauf reichte sie auch der älteren Dame ihre Tasche, welche ihr dankbar die Hand schüttelte. Das Gemurmel im Flugzeug wurde immer lauter während die Ersten ihre Plätze verließen und zum Ausgang strömten. Mona und ich dagegen blieben noch einen Moment sitzen, solange bis ein kleiner Teil der Menge verschwunden war und wir stressfrei an unsere Sachen kamen. Ich stand auf und prallte gegen einen Fahrgast, soviel dazu, dass ich kein Tollpatsch sei. „Entschuldigung!", brachte ich aufgeregt hervor und blickte hoch, nur um in Chloes amüsierte Augen zu gucken. „Schon okay, Tollpatsch!", das letzte Wort raunte sie nur noch und dann presste sie sich an mir vorbei, hinter den anderen her. Ich reichte Mona ihre Tasche, nahm meine eigene an mich und folgte dem Rest hinaus. Wir schlurften zum Gepäckband und warteten auf die Ankunft unserer Koffer, jede Minute fühlte sich wie eine Ewigkeit an, jede Minute hier brachte mich fast um den Verstand. Hier zu sein bedeutete fernab von meiner Großmutter klarzukommen, es wieder mit Ben aufnehmen zu müssen. Im Flugzeug träumte ich von ihm, wovon ich in London verschont geblieben bin, ich wachte schweißgebadet auf und noch immer steckte der Traum mir in den Knochen. Es schüttelte mich als das Gepäckband mit einem Ruck anfing sich zu bewegen, ein Quietschen und Ächzen erfüllte den Raum und untermalte die Geräuschkulisse von schnatternden Mitschülern mit einem faden Beigeschmack. „Dort kommt dein Koffer!", wisperte Mona mir zu und zeigte nach rechts. Ich folgte ihrem Finger und ging ein paar Schritte auf das Band zu, als ich die Hand nach meinem Koffer ausstreckte kam Chloe mir zuvor und hob ihn für mich hinunter. Unsicher lächelte ich sie an, sie hievte ihn auf einen Wagen und gesellte ihren eigenen dazu: „Ich mach das schon." Ich nickte und schaute mich um, niemand beobachtete uns, niemand schien das komisch zu finden. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, ging Chloe auf Mona zu und deutete kurz darauf auf ihren Gepäckwagen. Mona kam mir lächelnd entgegen und hob ihren Koffer ebenfalls auf den Wagen. Chloe wusste wie sie Zweifel sprengen konnte. Nach zehn Minuten hatten auch die Letzten ihre Koffer und wir gingen zum Ausgang, wo schon unser Bus auf uns wartete. Eifrig half der Busfahrer unsere Koffer zu verladen und wir ließen uns in die weichen, aber doch muffigen Sitze des Busses fallen. „Ich bin so müde!", meckerte Mona und lehnte den Kopf gegen die Scheibe. „Da sagst du was, geht mir nicht anders. Ich hab im Flugzeug kaum geschlafen!", antwortete ich und fuhr mir durch die Haare, um sie aus meinem Gesicht zu bekommen. „Ich schon, aber irgendwie zermürbt es einen immer, oder? Lilly...?", ich drehte mich zu Mona, die plötzlich ängstlich aussah und griff automatisch nach ihrer Hand. „Was ist los?", fragte ich sie und drückte zu, als ob ihr diese Tat Mut schenkte. „Ich hab Angst...was, wenn Matt mich verlässt?", wimmerte sie und schniefte, ich sah eine Träne hinab kullern, die sie hastig wegstrich. „Du erklärst ihm ganz sachlich was vorgefallen ist, er wird das Verstehen, er mag dich sehr...", sagte ich und fragte mich zugleich, wie ich in solch einer Situation reagieren würde. Würde ich das verzeihen?

Die Rückfahrt zur Schule gestaltete sich eher ruhig, ich sprach eine Weile mit Mona, die sich nur schwer beruhigen ließ. Je näher wir der Schule kamen, desto aufgeregter wurde sie. Der Bus bremste ab und ich sah die Schule vor uns aufragen, Übelkeit stieg in mir auf und ein fieser Kopfschmerz begann in mir zu pochen. Seufzend stand ich auf und stieg die Stufen des Busses hinab, ein fieser Nieselregen empfing uns, trotzdem sah ich all die Menschen, die hier waren und auf unsere Rückkehr warteten. Fiona lief direkt in die Arme einer älteren Frau, die ihr sehr ähnlichsah. Diese Szenerie wiederholte sich einige Male, bis ich aus den Augenwinkeln Matt sah, der langsam auf Mona zuging. Sie verkrampfte sich schlagartig neben mir, weshalb ich ihr beruhigend über den Rücken strich und sie sanft in seine Richtung schubste. „Ich habe dich vermisst!", hörte ich Matt sagen und grinste. Er würde ihr verzeihen. Er zog sie in seine Arme und drückte ihr einen Kuss auf den Kopf, sie schlang ihre Arme um seinen Körper und fing ungehemmt an zu weinen: „Ich dich auch!" Kurze Zeit später umarmte er auch mich und fragte uns beiläufig über unseren Trip aus, während er unsere Koffer aus dem Bus holte. Wir erzählten eine Kurzversion, bei der ich mit funkelnden Augen von dem Treffen mit Jerry und meiner Großmutter erzählte. Matt grinste die ganze Zeit und stellte immer die richtigen Fragen, das Gefühl was ich in London verspürt hatte breitete sich in mir aus. Das hielt für ungefähr fünf Minuten, da sah ich wie ein gewisser Blondschopf in den Armen einer anderen Frau versank, die ihr einen Kuss auf die Wange hauchte. Alles in mir zog sich zusammen und vor Schreck fiel mir die Tasche aus der Hand, welche Matt aufhob und auf meinen Koffer stellte: „Alles okay?" Mona sah mich ebenfalls fragend an, aber keiner bemerkte was mich so aus dem Konzept gebracht hatte, also nickte ich und versuchte meine Augen von den Beiden loszureißen. Doch im nächsten Moment hob Tara eine Hand und strich Chloe eine Strähne aus dem Gesicht, etwas was vor einigen Tagen noch ich getan habe. Wut kochte in mir hoch, nahm mich ein und drohte mich zu verschlingen. Chloe grinste, ging jedoch einen Schritt zurück, was ich mit Genugtuung beobachtete. Tara sah sie fragend an, doch Chloe schüttelte den Kopf und griff nach ihrer Tasche. Natürlich gab Tara nicht auf, sie nahm Chloes freie Hand und streichelte sie unauffällig, niemand interessierte sich für die Beiden, außer mir. Danach ging sie wieder einen Schritt auf ihre Freundin zu, umarmte sie und zog sie dann Richtung Parkplatz. Sie blieben an einem schwarzen Mercedes stehen, es schien Taras Auto zu sein, wo Tara plötzlich Chloe herumwirbelte und gegen das Auto drückte. Das Blut in meinen Adern gefror als ich mit ansehen musste, wie sich ihre Lippen auf Chloes legten. Mein Herz zerbrach in tausend Teile, die Splitter bohrten sich in meine Eingeweide und ich übergab mich auf der Stelle. Angewidert sprangen Mona und Matt von mir weg, was Andere auf uns aufmerksam machte. Es wurde kurzzeitig ein wenig lauter, als alle besorgt herumwirbelten und auf mich zukamen. Das schien auch Chloe auf mich aufmerksam zu machen, ich sah wie sie sich von Tara befreite und auf mich zulief. „Ich bring dich nach Hause! Der Flug war bestimmt anstrengend!", ertönte plötzlich eine tiefe, aber doch so vertraute Stimme neben mir. Jonas sah mich grinsend an, fuhr sich durch die Haare und öffnete seine Arme. Chloe blieb auf der Stelle stehen, auch wenn sie nicht mehr weit entfernt von mir stand und beobachtete uns. „Jonas!", brachte ich erfreut hervor, auch wenn mich anstrengen musste die Wut sowie Trauer zu unterdrücken und sprang in seine offenen Arme. Er hob mich hoch und ließ mich dann vorsichtig wieder hinunter, er knuffte mich in die Seite, gab mir einen Wangenkuss sowie ein Kaugummi und geleitete mich zu seinem Auto. Ich hob die Hand zum Abschied und ließ alle hinter mir zurück, auch Chloe die noch immer dort stand wo ich sie eben noch gesehen hatte.

Midnight Snow - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt