Kapitel 33 - In Liebe, Mom

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Mit flatternden Augenlidern richtete ich mich auf und sah mich um, die Umgebung kam mir so fremd und doch so vertraut vor. Wo befand ich mich? Ich kniff meine Augen immer wieder zusammen und erkannte das Wohnzimmer meiner Großmutter wieder. Bin ich wirklich eingeschlafen? Ich streckte meine Glieder und sah mich um, Jerry und Betthany waren nirgends so zu sehen, also schaute ich mich noch ein wenig um. Langsam stand ich auf und wanderte durch das mittlerweile dunkle Zimmer, trotz mangelnder Raumkenntnisse schlug ich nirgends an und kam ohne Unfall im Flur an. Ich vernahm Stimmen am Ende des Flures, dort wo sich die Küche befand, Licht schimmerte unter der geschlossenen Tür hindurch und tauchte die Dunkelheit in goldenes Licht. An den Wänden brachen sich Schatten und Lichter von draußen tanzten wild umher, ich folgte dem Lichtspiel und spitzte zusätzlich die Ohren. Die Stimmen sprachen leise, es schien eine weitere Person anwesend zu sein, es klang nicht wie ein Gespräch zwischen Jerry und meiner Großmutter. Der hölzerne Fußboden knarrte verräterisch unter jedem meiner Schritte auf, fluchend hielt ich inne und vergaß zu atmen. Hoffentlich hörten sie mich nicht, warum auch immer wollte ich unbeachtet bleiben. Nachdem ich keine Reaktion auf das Knarren der Dielen bekam, ging ich weiter nach vorne, stand nun mittlerweile fast vor der Tür und hörte die Stimmen deutlicher. Ich erkannte sie sofort, alles begann zu kribbeln und Aufregung machte sich erneut in mir breit. Was suchte sie hier? Warum unterhielt sie sich mit meiner Großmutter?

„Es ist wirklich toll wieder zurück in London zu sein...", sagte Chloe und ich drückte mein Ohr fester an die Tür. „Das glaube ich Ihnen, genießen Sie den Ausflug in Ihre alte Heimat?", fragte mein Patenonkel und vor Anspannung verkrampften sich meine Muskeln. „Und wie, hier werden so viele Erinnerungen wach, total schön...", antwortete Chloe und ich ballte die Fäuste. Meinte sie damit Tara? Die Anfänge ihrer Beziehung? Das Blut in meinen Adern brodelte und meine Hände zitterten unkontrolliert, wieso reagierte ich so heftig auf ihre Worte? Immerhin war sie auch immer noch mit Tara zusammen, also nicht verwunderlich, oder? Wieder stellte ich mir die Frage was nach London passieren würde. Beendete Chloe die Beziehung zu Tara, oder benutzte sie mich nur? „Wie ist Lilly so in der Schule?", unterbrach meine Oma meine Gedankengänge und ich seufzte innerlich laut auf. „Oh, ehm. Sehr gut. Sie liefert wirklich gute Arbeit ab, mündlich könnte sie sich mehr beteiligen, aber daran arbeiten wir...", murmelte Chloe und ich verdrehte die Augen. „Und wie geht es ihr sonst? Mit ihrer Stiefmutter meine ich? Sie klang gestern nicht so begeistert und...", fing meine Großmutter an, doch da machte ich schon laute Geräusch und polterte durch die Tür. Alle Augenpaare schossen in meine Richtung und starrten mich an, ich sah sie nicht direkt an: „Bin ich eingeschlafen und was machen Sie hier Frau Deckert?" Chloe sah mich eindringlich an und wirkte verletzt, ich ignorierte ihre Blicke und setzte mich zu meiner Großmutter. Jerry legte eine Hand auf meine Schulter und drückte sie leicht, so als wollte er mich beruhigen. Ich hatte es nicht geschafft den wütenden Unterton zu verschleiern, auch wenn es für die Drei augenscheinlich gar keinen Grund für meine Wut gab. Jedoch glaubte ich, Chloe wusste warum ich mich so verhielt, ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. „Schatz, du bist eingeschlafen und in der Zeit klingelte deine Lehrerin hier, sie wollte dich abholen...", sprach Betthany und tätschelte meine Hand. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und ich schüttelte den Kopf: „Ich möchte hierbleiben!" Betretene Stille erfüllte den Raum und ich wusste meine Wut musste unter Kontrolle bleiben, vor allem da meine Großmutter sowie Jerry nichts dafürkonnten. Guten ersten Eindruck den ich hier hinterließ. „Das geht nicht, Lilly. Das weißt du...", erwiderte Chloe und spielte mit dem Anhänger ihrer Kette. Eine Weile folgte ich ihren Fingern, die den Anhänger umschlossen, dann riss ich meine Augen fort und sah meine Oma an: „Bitte Oma, ich will hierbleiben. Und wenn es nur für diese Nacht ist!" Der Blick meiner Großmutter erweichte, aber ich erkannte die Trauer in ihren Augen: „Deine Lehrerin hat Recht, Lill. Das geht nicht...Es ist nicht so, dass ich es Ihr nicht schon vorgeschlagen habe, aber es geht aus rechtlichen und versicherungstechnischen Gründen nicht. Aber du kannst mich jederzeit hier besuchen, das weißt du, oder?" Tränen standen in meinen Augen und ich schüttelte den Kopf: „Nein das kann ich nicht!" Mit diesen Worten stand ich auf, schnappte meine Jacke und lief nach draußen, ignorierte die Rufe und erschrak mich über die bitterliche Kälte, die mich empfing. Für einige Sekunden klapperten meine Zähne unkontrolliert, doch nachdem meine Beine anfingen zu brennen vom Laufen, gewöhnte sich auch mein Körper daran und das Klappern hörte auf. „Lilly!", hörte ich Chloe hinter mir rufen, aber ich legte noch einen Zahn zu und schlitterte um die nächste Ecke. Ich wollte nicht mit ihr reden, ich wollte auch nicht zurück zu Theresa und Ben. Meine Großmutter kannte meine Umstände zu Hause nicht, sie ahnte nicht was dort abging und dass die Beiden mich niemals wieder nach London reisen lassen würden.

Midnight Snow - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt