Kapitel 20 - Pest

1.5K 67 0
                                    

Der Bus kam ruckelnd zum Stehen, neben uns ragten die Umrisse des Flughafens auf, sie wirkten groß und bedrohlich und doch lösten sie eine riesige Vorfreude in mir aus. Ich atmete tief ein und aus, um die Schmerzen zu kompensieren und stupste Mona an: „Wir sind da!" Mona öffnete verschlafen ihre Augen und sah aus dem Fenster: „Endlich! Ich bin schon so aufgeregt! Das wird sooooo gut!" Ihre Aufregung schien noch größer als meine zu sein und ich musste unwillkürlich Lächeln. Die Ablenkung würde ihr genauso guttun wie mir, bei ihr zu Hause ging es nicht schön zu, sie hat mir beim Start unserer Reise davon erzählt. Mona stand auf und griff nach unseren Taschen, die über uns im Fach verstaut waren, plötzlich poppte Frau Deckerts Gesicht zwischen den Sitzen auf und sie starrte mich an. „Alles okay?", flüsterte sie. „Geht schon!", gab ich nüchtern zurück und quetschte mich zu Mona auf den Gang. Ich spürte Frau Deckerts besorgten Blick auf mir ruhen, da war sie wieder diese Röte, die sich in meinem Gesicht breit machte. Mona reichte mir meine Handtasche und wir stiegen aus dem Bus, eine eisige Kälte empfing uns, ich schloss den Reißverschluss meiner Lederjacke und zog den Schal enger um meinen Hals. Der Busfahrer öffnete die Türen zu unseren Koffern, meiner schien fast ganz hinten zu stehen. Ich wartete bis alle raus waren, dann bückte ich mich nach dem Koffer und ein Ziehen durchfuhr meinen Körper. Bevor meine Hand sich nur um den Henkel legen konnte, nahm eine andere Hand ihn hoch und wuchtete ihn auf einen Gepäckwagen. Chloe lächelte mich verlegen an und schob den Gepäckwagen einfach davon. „Was war das denn?", fragte mich Mona irritiert. „Keine Ahnung, frag mich nicht...", gab ich zurück, hoffentlich nahm sie mir das ab. „Sie hätte meinen auch gerne mitnehmen können!", ätzte Mona und ich sah sie böse an. Sofort sah sie mich entschuldigend an: „War nur ein Witz, du hast ja auch keine Rollen, vielleicht deshalb." Ihre Mutmaßung brachte mich zum Lächeln und ich legte meinen Arm um ihre Schultern, zusammen gingen wir ins Gebäude hinein.

„Alle elektronischen Geräte bitte in einen Kasten legen, sowie Schmuck, Gürtel und Schuhe! Ebenso Strickjacken! Achtung! Weitergehen bitte!", brüllte uns ein bulliger Security entgegen. Ich schaute zu wie Mona Tablet, Kamera, Handy, IPod und E-Reader in einen Kasten legte, sich von ihrem Schmuck befreite und dann durch den Scanner lief. Meine Augen hingen noch immer an den ganzen Geräten und ich überlegte was ich überhaupt in den Kasten legen sollte. Ich befreite mich von meinen Schuhen, legte sie zu meinem Smartphone und meiner Handtasche, mehr gab es bei mir nicht und ging dann zielstrebig auf den Mann zu. Dieser riss jedoch plötzlich seinen Arm nach oben und nickte in meine Richtung: „Schal muss auch ab!" Ungläubig blickte ich ihn an und musste schlucken. „Schal ab!", blaffte er mich an. Mit wackligen Beinen ging ich zurück zum Laufband, wo noch einige meiner Mitschüler standen, ebenso wie Chloe. Langsam ging ich auf sie zu und sah sie verunsichert an: „Ich kann den Schal nicht abmachen." Chloe senkte ihren Blick und sah sich um: „Versuch es im Bad abzudecken?" Ich sah sie an und überlegte kurz, dann kam eine Durchsage für unseren Flug, Boarding würde in 15 Minuten beginnen. „Das bedeutet wohl keine Zeit mehr dafür es abzudecken...", nachdenklich rieb ich mich am Kopf und blickte zurück zum bulligen Mann, der mich streng musterte. Ich wartete ab bis meine Mitschüler durch waren, dann zog ich den Schal ab und ging auf ihn zu, er schluckte als er meinen Hals zu Gesicht bekam. Ich stellte mich so hin, dass die anderen mich nicht sehen konnten, Chloe wartete auf der anderen Seite mit meinem Schal auf mich. Nie hätte ich geglaubt mal in ihr eine Mitwisserin zu finden, eine Person, die mich versuchte zu beschützen. Er sagte kein Wort und grinste dann, ich wollte nicht wissen was in seinem Kopf vorging, vielleicht glaubte er ich sei versaut im Bett. Eiligen Schrittes hastete ich durch die Anlage, die zum Glück keinen Laut von sich gab und nahm Chloe meinen Schal ab. Sofort legte ich ihn mir wieder um und sammelte meine restlichen Sachen ein, Chloe verschwand in der Menge und ich trabte zurück zu Mona die nichts von der Situation am Scanner mitbekommen hatte. „Das ist immer das Nervigste finde ich! Letztes Jahr sind wir nach Hawaii geflogen, da haben die einen totalen Aufstand gemacht wegen...", ich blendete alles aus was sie sagte und fixierte Frau Deckert vor mir, die sich mit einem jungen Mann unterhielt, der sie die ganze Zeit charmant anlächelte. Er reichte ihr etwas, was konnte ich nicht erkennen und sie lachte laut auf und verstaute es dann in ihrer Jackentasche. Dabei berührte sie noch einmal kurz seinen Arm und führte uns dann weiter zum Gate, ich funkelte den Mann im Vorbeigehen an und wünschte ihm die Pest an den Hals. Er sah unheimlich gut aus, trug einen leichten Dreitagebart, sein schwarzes, kurzes Haar war an einer Seite ansrasiert und Hemd und Anzughose passten perfekt zueinander, wohin er wohl unterwegs ist? Wir marschierten den langen Weg zum Gate, dort kam ich vollkommen aus der Puste an.

Midnight Snow - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt