Kapitel 3

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"Lichtung?", verwirrt starrte ich ihn an. Alles in meinem Kopf drehte sich, kein Gedanke fühlte sich klar genug an, um ihn fassen zu können.
Die Jungen hinter ihm standen dort immer noch herum. Die meisten erwiderten meine Blicke neugierig, manche lächelten mir sogar zu. Manche jedoch, so auch der dunkelhaarige sahen wütend oder Misstrauisch drein. Der dunkelhäutige ignorierte meine Frage.

"Du kannst dich also auch sonst an nichts erinnern? Außer deinem Namen?", fragte er.
"Nein! Was zur Hölle geht hier vor sich?", ich verlor langsam die Gedult. Ich machte einen Schritt auf den Jungen zu, dieser wich jedoch nicht zurück, sondern wechselte nir amüsiert einen Blick mit dem Jungen, der mir aus dem Käfig geholfen hatte.
"Alby", stellte er sich vor. "Und nur, weil du ein Mädchen bist, kriegst du keine extra Behandlung."
Empört schnappte ich nach Luft. "Das hat niemand behauptet", sagte ich.
"Also gut. Wir nennen uns die Lichter. Die Mauern dort umschließen uns und trennen die Lichtung vom Labyrinth-"
"-Was?" Ich sah ihn verständnislos an. "Labyrinth?" Alby sah mich missbilligend an. "Unterbrich mich nicht. Ja, Labyrinth. Niemand weiß mehr darüber, als dass es riesig ist. Das muss dich aber nicht kümmern, solange du dich an die Regeln hälst. Gehe niemals, und ich meine das auch so, niemals dort rein, verstanden?"
Ich nickte kurz. Das war doch alles verrückt.
"Zweite Regel: leiste deinen Beitrag. Das alles funktioniert hier nur durch Ordnung, du wirst also mithelfen müssen und arbeiten. Und zu guter letzt, niemand wird angegriffen oder verletzt. Wie gesagt, Ordnung ist das Einzige, was uns zusammen hält. Hast du das Verstanden?"
Offenbar hielt Alby mich für ein wenig minderbemittelt. Erneut nickte ich, zu schwach um ihm zu antworten.

Plötzlich löste sich jemand aus der Gruppe vor mir. Nur aus dem Augenwinkel sah ich die Bewegung auf mich zukommen. Reflexartig duckte ich mich, konnte dem Schlag aber nicht vollständig ausweichen und wurde auf den Boden geworfen. Völlig perplex sah ich auf. Jemand stürzte sich auf mich und wollte mir an die Kehle gehen. Nur mit Mühe konnte ich mich aus seinem Griff befreien, wurde jedoch Sekunden später wieder am Boden festgenagelt und die Luft ging mir aus. Schwarze Flecken erschienen vor meinen Augen, ein lautes piepen penetrierte meine Ohren. Als mich ein neuer Hieb traf, erinnerte ich mich an das Messer, das ich immer noch umklammert hielt. Ohne etwas zu sehen versuchte ich meinen Angreifer am Arm zu erwischen, er wich jedoch geschickt aus. Das ganze geschah innerhalb weniger Sekunden.
Die anderen, die sich endlich aus ihrer Schockstarre gelöst hatten, zerrten ihn von mir runter und das Gewicht wurde von meiner Brust genommen. Schwer atmend blieb ich noch ein paar Atemzüge liegen, bis sich mein Herz beruhigt hatten.

Alby rief etwas und zwei Jungen brachten den Jungen, der noch immer um sich schlug, weg. Verschwommen erkannte ich den dunkelhaarigen, der mich schon vorhin finster angesehen hatte. Jemand kniete sich neben mich.
"Bist du okay?", fragte er. Es war der Junge, der mich in der Box gefunden hatte. Ich schluckte. "Denke schon. Macht ihr das immer mit Neuen?", fragte ich. Der Junge grinste, wurde jedoch schnell wieder sehr ernst. Seine brauen Augen fokussierten sich auf den Boden. "Nein. Ich weiß nicht, was in George gefahren ist. Er ist sonst nicht so."
"Na dann ist ja gut", erwiderte ich spöttisch, "Hätte er nicht gerade versucht mich umzubringen, würde ich dir sogar glauben."

Alby kam auf uns zu. Sein Gesicht sah ernst aus. Finster sah er mich an. "Komm mit", sagte er. Ich stand auf und folgte ihm.
"Warte, du... ", der braunäugige kam uns hinterher gelaufen. Als ich mich umdrehte stoppte er jedoch abrupt. "Nichts", sagte er abwesend und wollte sich wieder umdrehen, als Alby zurückkam, der schon weiter war.
"Newt, sag den anderen Bescheid, wir machen eine Versammlung. Und du, hier lang", er hatte sich schon wieder umgedreht, weshalb mir wohl nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen. Schweigend lief ich neben ihm her. "Du willst wissen, was hier los ist? Das wüsste ich selbst gerne... ",  sagte er leise. Wir waren an einem Gebäude angekommen und hielten davor an. Alby streckte die Hand ais und nahm mir mein Messer ab, das ich in meiner Tasche gefunden hatte. "Das hier nehme besser ich. Warte hier, bis wir fertig sind", wies er an, während er auf einen Baumstumpf deutete. "Ich darf nicht dabei sein?", unternahm ich einen kläglichen Versuch, ihn zu überreden. "Nein", ein Ausdruck, der jegliche Widerrede unterband war auf seinem Gesicht und ich versuchte es nicht weiter. Er ging, und ich lehnte mich an den Baumstumpf. Ich war Alby dankbar, dass er mich hier allein lies, sodass ich meine Gedanken sortieren konnte. Noch immer hatte ich viele Fragen, die mir keine Ruhe ließen. Wieso waren wir hier? Wie lange waren die Anderen schon hier und wer waren sie alle? Warum waren hier keine anderen Mädchen? Vor allem aber beschäftigte mich die Frage, was mit meinen Erinnerungen geschehen war und was mit diesem. George von vorhin los war. Ich hatte ihm nichts getan. Oder etwa doch und ich erinnerte mich bloß nicht? Es war zum verrückt werden.
Ich sah mich näher um. Von meiner Position aus, konnte ich gerade so den Waldrand und ein paar andere Gebäude sehen. Es sah alles fast friedlich aus, wären da nicht die Mauern gewesen, die bedrohlich dahinter aufragten. Eine plötzliche Müdigkeit übefiel mich. Der Schock des Angriffs saß mir noch immer in den Gliedern und für einige Sekunden schloss ich die Augen, bis sich mein Herzschlag wieder normalisiert hatte. "Wer bin ich?", fragte ich mich flüsternd selbst. Natürlich bekam ich keine Antwort. Von wem auch. Ich war allein, so allein wir man halt sein konnte an einem fremden Ort mit 30 Anderen Jungs.

Plötzlich ließen mich Schritte hinter mir aufhorchen. War Alby wieder zurück?

DESTINY - Newt TMR ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt