Kapiel 13

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"Wenn du fertig bist, kannst du diese Bretter da zersägen", sagte Gally, ohne mich anzusehen. Er hatte mir aufgetragen Nägel aus alten Holzstücken herauszuziehen. Die Bretter stammten von einem alten Gebäude, das zusammengefallen war und jetzt wollten sie das Holz neu verwenden.

Einige Splitter und verbogene Nägel später, war ich fast fertig damit. Nach dem Tumult am Morgen, hatten sich alle wieder beruhigt und waren ihren Jobs nachgegangen. Von meinem Standort aus sah ich zwar hauptsächlich Bäume, hatte aber auch einen guten Blick auf die Beete und das dahinter liegende Tor im Labyrinth. Die Läufer waren kurz danach aufgebrochen und waren jetzt schon seit einigen Stunden in den schmalen Gängen verschwunden. Der Tag war sonnig und warm, sodass ich ganz froh über meinen Platz im Schatten war. Immer wieder blickte ich zum Labyrinth, nicht wissend, was ich eigentlich erwartete zu sehen. Die hohen Mauern, die bestimmt trotz der wärmenden Sonne kalt waren, wirkten schon weniger bedrohlich, als am Anfang, als ich hier eingetroffen war. Gewöhnen, würde ich mich aber wohl nie an sie.

Immer wieder musste ich an den Zettel denken, den Gally gefunden hatte. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass einen jemand tot sehen wollte. Ich hatte keine Angst davor, dass es jemand versuchen würde, denn ich glaubte, Alby hatte Recht, was das anging. Und trotzdem, ich sah erwischte immer wieder Jungen dabei sich offensichtlich über mich zu unterhalten. Die Blicke der anderen, die zwar auch schon vorher auf mir geruht hatten, hatten nun einen anderen Ausdruck angenommen. Misstrauen, mit einigen Ausnahmen. Zart war nach wie vor freundlich zu mir und auch Clint lächelte mir zu. Und dann war da noch Newt. Seit der Sache am Morgen hatte ich ihn offensichtlich nicht mehr gesehen, da er im Labyrinth sein Leben riskierte. Sonderlich scharf darauf, mit ihm zu reden war ich aber trotzdem nicht, dafür war meine Enttäuschung und Wut auf ihn noch zu frisch und noch immer hatte ich das Gefühl hintergangen zu sein.

Die Bretter waren inzwischen komplett frei von Nägeln, weshalb ich mich daran machte die sie auf die markierte Länge zu sägen.

~*~

Es war nun wirklich warm geworden, die Sonne brannte auf uns herunter, während wir zum Essen gingen. Bratpfannes Kreation war wie immer ganz in Ordnung, doch für mich schmeckte sie fantastisch heute. Gally hatte den gesamten Vormittag Arbeiten für mich gefunden, die, wie es aussah, keiner sonst machen wollte. Dementsprechend war ich ziemlich erschöpft, als ich mein Mittagessen aß. "Machts dir Gally nicht leicht?", Zart hatte sich zu mir gesetzt. Dankbar für ein wenig Ablenkung von meinen Gedanken ließ ich mich auf das Gespräch ein. "Nein", sagte ich müde grinsend. "Aber ich sollte wohl froh sein, dass er bisher noch nicht versucht hat, mir den Gar auszumachen", sagte ich trocken. Zart grinste und schüttelte den Kopf. "So darfst du erst gar nicht denken", belehrte er mich. Ich seufzte nur und verabschiedete mich von ihm. Gally war schon wieder bei den Brettern. Scheinbar zufrieden betrachtete er die Bretter, die ich geschnitten hatte. "Gar nicht mal so schlecht", sagte er. "Im Wald dort hinten liegen noch mehr. Hol sie und schneide sie auch".
Wütend über Gally verdrehte ich die Augen. Sehr effizient, danke Gally. Anstatt einfach alle auf einmal zu schneiden.
Meine Laune wurde mit der Zeit immer schlechter, genau wie das Wetter. Die Sonne, die noch vor ungefähr einer Stunde glühend heiß höhnisch auf uns hinunter gegrinst hatte und mir den Schweiß den Rücken runter laufen ließ, war nun von einer dicken Wolkenschicht verdeckt. Fast hätte ich geglaubt, es würde bald regnen, hätte mir Newt nicht irgendwann erklärt, es regne hier nie. Wieder einmal ein Punkt, der hier so seltsam war.
Während ich arbeitete, war ich meiste Zeit beinahe allein, doch anscheinend hatte sich ein Junge namens Nick sich dazu herabgelassen, mir beim schleppen der schweren Holzstücke zu helfen. Wir redeten nicht viel, entweder merkte er, dass ich nicht in der Stimmung war, oder er war einfach wortkarg. Langsam taten mir die Arme und der Rücken weh und ich gönnte mir eine kleine Pause und schloss die Augen. Vor meinem inneren Auge sah ich zwei haselnussbraune Augen, die mich traurig anlächelten. Eschrocken öffnete ich sie wieder und sprang auf. Was war denn mit mir los? Kopfschüttelnd über mich selber machte ich mich wieder an die Arbeit.

Es war schon merklich dunkler geworden, die Sonne schien nur noch kläglich hinter der Wolkendecke hervor und war halb hinter den Mauern verschwunden, die schon bald große Teile der Lichtung in Schatten hüllen würden. Ich erwischte mich immer wieder dabei in die Richtung des Tors zu sehen, darauf wartend, dass die Läufer zurückkommen würden. Was ich allerdings mit erstaunen sah, war, dass Gally mich hauptsächlich in Ruhe gelassen hatte über den Tag. Nach seinem Ausbruch am Morgen war er beherrscht kühl gegenüber mir gewesen. Aber beschweren konnte ich mich nicht, diese Zurückgezogenheit war mir allemal lieber als Anfeindungen oder schlimmer: Gewalt.
Schließlich durften wir endlich gehen und mit Vorfreude auf Schlaf ging ich mit gesengtem Blick über die Lichtung. Was auch immer ich machen müsste als Job, wenn es bei den Baumeistern war, würde ich protestieren. Die schwere Schlepperei war nichts für mich, geschweige denn Gally. Dessen Abneigung gegen mich würde mich noch verrückt machen, wenn ich täglich mit ihm arbeiten müsste.

Auf einmal fand ich mich vor dem Eingang des Labyrinths wieder. Ich war wohl instinktiv in Gedanken dort hingegangen. Kurz entschlossen ließ ich mich an der Wand des Labyrinths hinuntersinken, direkt neben dem Ausgang. Ich sah auf die Lichtung, die man von hier aus komplett überblicken konnte. Vier Tage war ich jetzt schon hier. Verglichen mit beispielsweise Alby, der schon zwei Jahre hier feststeckte war das gar nichts. Und trotzdem hatte ich ein gewisses ausgelaugtes Gefühl. Als würde die Zeit halb so schnell vergehen, wie sonst.

Ich schrak auf, als jemand neben mir aus der Öffnung gesprintet kam. Minho und Newt waren zurück. Die Beiden rannten an mir vorbei in Richtung Wald. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit gehabt jemanden zu fragen, was dort war. Ich schloss die Augen, legte meinen Kopf an die kalte Wand und versuchte meine Gedanken zu sortieren.

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Mund. Erschrocken riss ich die Augen auf.

DESTINY - Newt TMR ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt