Kapitel 24

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(Cringe-warning 2.0 :))
Lesen auf eigene Gefahr

Die schlanke Gestalt bahnte sich seinen Weg durch das hohe Feld, offensichtlich ziellos. Der entfernte Schein des Lagerfeuers hatte die Lichtung weitgehend in ein schummrig rotes Licht getaucht, dennoch war es schon fast dunkel. Das Fest war im vollen Gange, die lauten Stimmen wehten vom Feuer zu mir hinüber und vermischten sich mit dem leisen Geräuschen der Nacht.
Ich saß am Waldrand und schaute in die Richtung des Feldes, wo die Gestalt nun stehen geblieben war. Es war kalt. Der Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht. Newt sah mich nicht, das hoffte ich zumindest, er stand, mir die Seite zugewandt, mitten auf der bewachsenen Fläche und starrte die geschlossenen Mauern des Labyrinths an. Schließlich setzte er sich, den Kopf auf seine Hand gestützt. Er war viel zu weit weg, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen, doch allein bei seinem Anblick zog sich meine Brust zusammen. Einige Augenblicke wartete ich und beobachtete ihn, dann stand ich auf. Die Zähne vor Kälte zusammengebissen ging ich langsam in seine Richtung. Uns trennten vielleicht 500 Meter, die mir viel zu lang vorkamen. Ich ging ohne nachzudenken, was ich zu ihm sagen sollte, ich ging wie von selbst auf ihn zu.
Erst, als uns nur noch einige Meter trennten, blieb ich stehen. Was tat ich denn? Ich musste umkehren, ich durfte nicht in seine Nähe kommen. Es kam mir so vor, als wäre der Wind noch kälter, das weite Feld noch dunkler. Doch das ziehen in meiner Brust war stärker, als mein ständiger Begleiter die Angst. Ich wusste, dass er mich längst bemerkt hatte, doch er wandte nicht den Kopf, als ich mich, mit einigen Metern Entfernung, neben ihm niederließ. Ich vergrub die Hände im hohen, leicht feuchten Gras und beobachtete, wie mein Atem in der kalten Luft durchsichtige Wolken bildete. Ich kam zur Ruhe.
Plötzlich spürte ich etwas warmes an meiner eiskalten Hand. Ich sah auf. Seine Hand hielt meine fest umschlossen, als wäre es das normalste der Welt. Die Berührung ließ mich zusammenzucken, doch ich zog meine Hand nicht weg. Zu unglaublich war das Gefühl, was seine Haut auf meiner in mir auslöste. Fast vergaß ich den immer währenden Schmerz in meiner Seite.
Ich atmete tief ein, schmeckte die feuchte Nachtluft, nahm dann all meinen Mut zusammenen und hob dann meinen Blick, nur um geradewegs in sein Gesicht zu schauen. So vertraut es mir im letzten Monat geworden war, so viele Erinnerungen damit verbunden waren. Er sah mich ernst an. Die Augen funkeln in der Dunkelheit und brachten mich zurück an den Tag, an dem er mich in der Lichtung herumgeführt hatte. So viel war seitdem passiert. Er wandte den Blick ab und sah wieder die dunklen Mauern des Labyrinths an, hinter welchen das letzte rötliche Schimmern der Abendsonne verschwunden war. Niemand sagte etwas, doch unser Schweigen war nicht unangenehm. Ich wagte nicht meine Hand zu bewegen, aus Angst, er könnte seine wieder lösen. Von der Seite aus sah ich ihn noch immer an und konnte ein Schauern nicht unterdrücken, als er das Wort ergriff. "Rachel", war das einzige, was er ruhig und leise sagte. Nur meinen Namen. Ich schluckte. Und in dieser Sekunde wurde mir etwas klar, was ich all die Wochen auf der Lichtung zu verdrängen versucht hatte. Ich hatte ihn vermisst. Jedoch nicht wie einen Freund, nein. Schlimmer.
Das weiße Schimmern des Mondes kam mir auf einmal viel heller vor, der Wind wärmer, die Luft angenehmer, das Gras unter meinen Fingern wärmer. All diese Gefühle strömten binnen weniger Sekunden auf mich ein, bis sie von etwas anderen getrübt wurden, was viel stärker war. Angst. Ungewissheit. Schuld. Er hatte sich von mir ferngehalten, so viele Tage war er mir aus dem Weg gegangen. Ich würde es ihm nicht sagen, er würde es nicht hören wollen. Ich war ihm egal.

Die Niedergeschlagenheit übermannte mich und ich entzog meine Hand aus seinem leichten Griff. Was tat ich hier überhaupt? Ich war gefährlich, was, wenn ich ihm weh tun könnte? Ich musste von hier weg, ich musste von ihm weg. Schnell rappelte ich mich auf.
Newt sah wegen meiner ruckartigen Bewegung zu mir auf. Es war, als würde ich in einen Spiegel blicken, so viel Schuldbewusstsein wohnte seinen Augen inne. Ich blickte zurück, ohne mich zu bewegen. Die Stimmung war elektrisch, niemand sagte ein Wort. Niemand tat die leiseste Bewegung. Dann schüttelte ich den Kopf.
"Ich kann nicht", flüsterte ich. Er runzelte nur die Stirn, wie er es so oft tat. "Ich kann das alles hier nicht mehr", meine Stimme wurde lauter.
Noch immer antwortete er nicht. So langsam wurde ich wütend. Wieso sagte er nichts? Was tat er hier überhaupt? Wochenlang war er mir aus dem Weg gegangen und nun weigerte er sich zu reden? Wut war das einzige, was ich in diesem Moment empfand, Wut auf ihn, weil er nichts sagte, Wut auf WCKD, Wut auf Gally, doch vor allem Wut auf mich selbst. Es war zu viel. Gerade wollte ich anfangen zu rennen, wegzurennen vor mir selbst, als er ebenfalls aufstand. Er sah mich mit solch einem zielstrebig Blick an, dass ich stocksteif und schweratmend stehen blieb. Ganz langsam kam er näher.

DESTINY - Newt TMR ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt