Kapitel 7

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Durch Zufall hatte ich einen Blick in das Labyrinth geworfen und hatte eine Bewegung wahrgenommen. Und tatsächlich. Am Ende des Ganges tauchten George und der Hüter wieder auf, doch irgendetwas stimmte nicht. Die Beiden bewegten sich langsam und schwerfällig und als ich genauer hinsah, merkte ich dass George von dem anderen gestützt wurde. Was war da geschehen? Niemand sonst schien die Beiden bemerkt zu haben, denn Alle arbeiteten weiter, ohne aufzusehen. Ich musste jemandem Bescheid sagen, wir mussten ihnen helfen! Ich sprang auf und lief in die Richtung von Zart, der mich erstaunt ansah, als ich auf ihn zugerannt kam. "Die Läufer", keuchte ich, "Sie kommen zurück. Ich glaube, einer ist verletzt!"

Alamiert sprang nun auch Zart auf und folgte meinem ausgestreckten Arm. Die Beiden Jungen waren jetzt schon nahe am Ausgang des Labyrinths. Es schien so, als würde der Andere George mehr mitziehen, als dass dieser selbst lief.
"Lauf zu den Sanis und sag ihnen Bescheid!", befahl Zart.

Schnell wandte ich mich ab und lief quer über die Lichtung. Die verwirrten Blicke, die mir folgten ignorierte ich. Was auch immer geschehen sein mochte, die Beiden brauchten Hilfe. Als ich um die Ecke des Gebäudes rannte, wäre ich fast in jemanden reingerannt, der dahinter stand. Ich entschuldigte mich rasch und lief weiter, bis ich in dem kleinen Raum stand, der wohl als Krankenstation diente. Er war leer. Wo waren sie denn nur? Sollte hier nicht jemand sein, der aufpasste?
Ein Geräusch neben mir ließ mich zusammenzucken.
Ich war nicht allein. Auf einer Liege unter dem Fenster lag ein Junge, vielleicht ein Jahr älter als ich. Der Schock seines Anblicks fuhr mir tief durch die Glieder. In meinem ganzen Leben hatte ich so etwas noch nie gesehen. Ich wusste natürlich nicht, was vor dem hier gewesen war, doch der Junge sah so schlimm aus, dass ich einen Aufschrei unterdrücken musste. Was war hier los? Die Augen des Jungen waren geschlossen und er schien zu schlafen, wie mir sein stockender Atem verriet. Sein Gesicht und Hände waren mit feinen Adern überzogen, die aus der Haut hervorquollen und eine Ungesunde lilane Färbung angenommen hatten. Die Bleichheit seiner Erscheinung hatte etwas unnatürliches, erschreckendes. Die altbekannte Übelkeit breitete sich in mir aus und ich hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten.

"Was tust du hier?", eine Stimme hinter mir ließ mich zusammenzucken. Schlagartig fiel mir der Jemand wieder ein, den ich draußen fast umgerannt hätte. Als ich mich umdrehte blickte ich einem dunkelhaarigen Jungen entgegen, der mich fragend und vorwurfsvoll ansah. Ich fasste mich wieder.
"Die Läufer sind zurück. George ist verletzt, glaube ich. Er kann sich kaum auf den Beinen halten."
Das Gesicht des Jungen wurde blass. "Wo sind sie?"
"Bei Zart, denke ich. Dort sind sie aus dem Tor gekommen". Der Junge nickte. "Bleib hier und pass auf, ich bin gleich wieder da!", wies er mich an und lief wieder aus dem Gebäude.

Ich nutzte die Gelegenheit und setzte mich hin auf einen Stuhl. Der Junge im Bett hatte auf unseren Wortwechsel nicht reagiert und atmete noch immer stockend. Zu gern hätte ich gewusst, was mit ihm los war. Seinem Aussehen zu Urteilen, ging es ihm ernsthaf schlecht und dieser Eindruck wurde durch sein unregelmäßiges Atmen und gelegentliches Reden verstärkt. Was er sagte, waren keine Worte, es waren mehr Stimmungen, die sich Ausdrückten. Was auch immer ihm zugestoßen sein mag, es war nichts, was man irgemdwem wünschen konnte. Ich ging dazu über, mich im Raum weiter umzusehen. Zwei Liegen, die die Wände säumten und ein kleines, wackelig aussehendes Regal standen dort. Die Gegenstände im Regal sahen geordnet aus, alles hatte seinen Platz, wie es schien. Albys Worte, das alles hier funktioniere nur mit Ordnung, kamen mir wieder in den Sinn. Er hatte Recht, stellte ich fest. Doch seitdem ich hier war, hatte sich diese Ordnung anscheinend aufgelöst, zumindest, was George anging.

Stimmen und Schritte von draußen ließen mich aufhorchen. Ein Blick auf den Jungen auf der zweiten Liege verriet mir, dass sich nichts geändert hatte. Leise stellte ich mich dicht an die Wand und hoffte, Alby würde mich nicht rauswerfen.
"Wann war das?", Albys Stimme hallte in den Raum hinein. Er klang streng und trotzdem gepresst sprach, hörte ich jedes Wort. "Keine Ahnung. Ich habe ihn so gefunden", die andere Stimme konnte ich nicht zuordnen. Wahrscheinlich war es der andere Läufer. Die Jungen betraten den Raum.
Hinter Alby und dem dunkelhaarigen Sanitäter, die zusammen den schwach aussehenden George stützten, ging noch ein Asiatischer Junge, den ich als den Hüter identifizierte. Newt war auch dabei; mit ausdrucksloser Miene lehnte er im Türrahmen und folgte dem Gespräch der Anderen.
"Wenn er gestochen wurde, bleibt uns keine Wahl", der Sanitäter ging auf das Regal zu. Gestochen? Bedrücktes Schweigen breitete sich aus. "Was, wenn es schon länger her ist? Das würde auch den Angriff auf den Frischling erklären, Clint", fragte der Läufer, dessen Name mir noch immer nicht einfallen wollte. "Nicht unwahrscheinlich", bestätigte der Sani, dessen Name anscheinend Clint war. "Aber das würde heißen, dass wir uns auf jeden Fall beeilen müssen. Das Serum hilft eigentlich immer, aber je länger wir warten, desto schmerzhafter und risikoreicher kann es werden"
Ich lauschte der Unterhaltung, auch, wenn ich nur die Hälfte verstand. George war gestochen worden? Von wem oder was?
Plötzlich begegnete ich Newts Blick der mich stirnrunzeln ansah. Ich erwiderte seinen Blick und erwartete, dass er mich rausschickte. Doch schließlich sah er wieder weg und blieb still, wofür ich ihm sehr dankbar war. Clint hatte eine Spritze aus dem Regal geholt, die mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllt war. Er wollte sie George in den Arm spritzen, doch dieser bäumte sich auf einmal auf und versuchte aufzustehen. Sein Blick war, soweit ich das von meinem Standort beurteilen konnte, fiebrig und Schweißperlen rannen seiner Stirn herunter. "Haltet ihn fest! Er muss stillhalten!", Clint sah Alby und den Läufer auffordern an. Diese reagierten sofort. So gut es ging hielten sie den zappelnden George fest, bis Clint ihm die Spritze in den Arm rammte. Auf einmal wurde es still. Alle Blicke waren auf George gerichtet. So etwas, wie Mitleid erfüllte mich bei seinem Anblick. Ich hatte ihn nie gekannt oder ähnliches, und das Einzige, was ich von ihm mitbekommen hatte war sein Angriff auf mich. Und dennoch, wie er dalag, schwer atmend und mit glasigem, fiebrigen Blick empfand ich Bedauern für diesen Jungen.
Die Stille war jedoch schnell vorbei, als George plötzlich anfing zu schreien. Sein Gebrüll klang so schmerzverzerrt und verzweifelt, dass ich es nicht länger aushielt. Ich sprang auf und lief schnell aus dem Raum. Zum Glück nahm niemand von mir Notiz, denn sie waren damit beschäftigt George still zu halten.

Draußen angekommen schnappte ich nach Luft. Mein Kopf hatte wieder zu schmerzen angefangen und es drehte sich alles. Nur mit Mühe hielt ich mich an der Außenwand der Gebäudes fest. Ohne mich noch einmal umzudrehen rannte ich in Richtung Waldrand, um mich zu beruhigen. Georges Schreie, die immer schlimmer zu werden schienen hallten mir in den Ohren.

Im Wald stützte ich mich auf einen Baumstumpf und schloss kurz die Augen. Was ich eben gesehen hatte würde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen, dessen war ich mir sicher. Die Art, wie George geschrien hatte war nicht nur beängstigend, es hatte etwas unmenschliches an sich. Als würde er verrückt werden oder ähnliches. Ich vergrub meinen Kopf in den Händen. Ich war hier allein, stellte ich fest. Allein, an einem Ort, der mir so fremd war, wie ich selbst. Noch nicht mal mein Name war mir eingefallen. War es wirklich allen so ergangen, wie Newt in seiner Führung gesagt hatte? Ich wusste nichts. Und endlich kamen die Tränen. Alle Emotionen, die sich seit meiner Ankunft hier aufgestaut hatten kamen heraus, all die Frustration über die unbeantworteten Fragen, die Trauer um die Erinnerungen. Was blieb war die Angst. Angst vor dem was war und vor allem vor dem, was kommen mochte.

Plötzlich zuckte ich zusammen. Ein Knacken hinter mir, jemand musste mich gefunden haben.

DESTINY - Newt TMR ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt