Kostory

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The Hot-Cold-Game

Pov. Mik

Ich starrte auf den Zettel, der vor mir lag und den ich mir bestimmt schon zig mal durchgelesen hatte und trotzdem lag er schon wieder vor meiner Nase.

"Seelenverwandschaft"stand ganz groß oben als Überschrift. Meinen Seelenpartner zu finden, hatte sich als schwerer behauptet, als ich dachte. So viele Leute in meinem Umfeld hatten ihren Seelenpartner schon gefunden.

Auf mir lasteten die Erwartungen meiner Verwandten, die mich immer wieder fragten, ob ich ihm schon näher an ihm sei. Und es nervte mich.
"Nein."antwortete ich dann immer,"Nein, es ist noch kalt."

Denn die Seelenpartner-Suche war ein einziges großes heiß und kalt Spiel. Um so näher ich meinem Seelenpartner war, desto wärmer wurde es um mich herum, doch umso weiter weg ich war, umso kälter war es auch. Und das war wirklich Nerven aufreibend.

Denn immer dann, wenn ich mich ihm nahe fühlte, immer dann war die Hitze schon wieder weg. Und genau das machte mir Angst.

Doch heute wollte ich dem ein Ende bereiten. Ich wollte ihm in die Augen sehen. Und ihn endlich in meiner Nähe haben. Und da steckte ich den Zettel schon in meine Tasche, zu meinem Portmonee und meinem Handy. Ich wollte möglichst schnell voran kommen, denn heute erschien es mir deutlich wärmer als sonst. Ich hatte also kurzfristig beschlossen los zu gehen.

Ich lief aus meiner Wohnung über die Straßen von Berlin. Immer meinem Gefühl nach. Ich bog ab, es wurde leicht kälter, also lief ich zurück und noch ein Stückchen schneller, denn die Wärme schien zu fliehen. Ich fühlte mich ihm schon so nah und trotzdem rannte er weg.

Warum? Hatte er Angst vor mir? Er kannte mich doch nicht mal? Ich fühlte mich, als würde ich ihn jagen und das fand ich nicht gut. Ich wollte doch nicht meinen Soulmate nachjagen und dann ausknocken. Mir war ganz unwohl dabei, warscheinlich gegen seinen Willen zu handeln, aber ich wollte wenigstens Klarheit warum er weg rannte.

Und dann sah ich ihn plötzlich. Mir wurde so heiß, wie ich es noch nie erlebt hatte, doch es schien ihm Angst zu machen, denn er rannte tatsächlich weg, sah sich nach hinten um und entdeckte mich, der in der Ferne stehen geblieben war und ihm verwundert nach sah.

Ich spürte seine Furcht bis hier hin. Trotzdem lief ich weiter. Wurde immer schneller und holte ihn langsam ein. Und dann lief ich in seinem Tempo neben ihm.

"Wa-warum läufst du weg?"fragte ich außer Puste, doch er sah mich bloß gequält an, schien was sagen zu wollen, sich überwinden zu wollen, doch schwieg dann weiter.
"Bitte. Was hab ich denn getan?"fragte ich leicht verzweifelt.
Und er blieb tatsächlich stehen, betrachtete mich und seufzte.

"Tut mir Leid."murmelte er," Aber ich darf nicht."
"Wie?"fragte ich verwirrt.
"Ich darf nicht mit dir zusammen kommen."murmelte er.
"Ok, stop."meinte ich dann.
"Ich versteh kein Wort. Wie wär's, wenn wir uns irgendwo hinsetzen und du erklärst mir die Situation."bat ich ihn.
Er sah sich um und schüttelte den Kopf.
Die Angst hatte ihn wohl schon lange besiegt.

"Aber du verdienst eine Antwort."rang er mit sich selbst und seufzte.
"Na gut, komm mit."meinte er und lief in die nächste Gasse rein.
Dann versteckte er seinen Kopf in seinen Händen und schien durchzuatmen.
Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Hauswand und wartete ab, bis er bereit sein würde zu sprechen.
Er sah zu mir.

"Ok. Meine Eltern sind Homophob und zwar so krass, dass du dir nicht ausmalen könntest was passiert, wenn ich mit dir zuhause ankommen würde."
"Aber wir haben das Jahr 2020."
"Das interessiert die herzlich wenig. Deshalb bin ich dann lieber vor die weggerannt, was warscheinlich auch nicht das beste gewesen war."seine Lippe bebte gefährlich.

"Ist schon gut."murmelte ich und wollte ihn in eine Umarmung ziehen, doch er lehnte diese ab.
Überfordert mit der Situation verschränkte ich die Arme.
Er tat mir Leid. Sehr Leid.

"Weißt du was, melde dich einfach falls du bereit bist. Ich könnte dir wegen deinen Eltern helfen. Ich meine du bist doch erwachsen und lebst alleine, schätze ich mal."
Er nickte.
"Dann können sie dich schon mal nicht vor die Tür setzen."
Wieder nickte er, doch trotzdem schien er Panik zu haben.

Er seufzte gequält und ließ sie auf den Boden sinken und sah verzweifelt zu mir auf.
"Ich hab Angst. Du verstehst nicht wie es ist, in so einer Situation zu sein. Du hattest sicher keine Probleme bei deiner Familie, so locker wie du damit umgehst."sagte er.
Ich nahm die Hände aus den Taschen und kniete mich zu ihm.

"Wahrscheinlich hatte ich deutlich weniger Angst. Natürlich war es auch für mich anfangs sehr seltsam."ich verstand seine Panik teilweise. Den Rest konnte ich glücklicherweise nicht nachvollziehen, da ich nie Eltern hatte, die vor der Welt so verschlossen waren und nie etwas akzeptiert hatten. Doch er bekam allein beim Gedanken weit aufgerissene Augen und Panik.

Ich wollte ihm auf jeden Fall eine Stütze sein.

"Schreib ihnen einen Brief oder telefonier mit ihnen."versuchte ich ihm irgendwie einen Weg zu geben doch er sackte nur noch mehr in sich zusammen.
"Ich kann-ich kann nicht."sagte er.

Ich nahm seine Hand, die die ganze Zeit seine Augen und Tränen verborgen hatte.
"Lass dir Zeit. Ich stehe gerne neben dir, wenn du deinen Eltern von uns erzählst. Aber ich steh auch neben dir, wenn du es nie tun willst. Seelenpartnerschaft heißt mit Leib und obviously mit der Seele hinter jemanden zu stehen und wenn es deine Entscheidung ist, niemals etwas zu sagen oder niemals mit mir zusammen zu kommen, dann werde ich damit klar kommen."sagte ich ehrlich.
Es war wahrscheinlich das verständnisvollste, was ich hätte sagen können.

Er sah mich übberrascht an. Seine Tränen hatten aufgehört zu fließen.
"Danke."sagte er und umarmte mich stürmisch,"Danke."
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Offenes Ende. Mies? Ein bisschen.

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