Kapitel 26

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"Ehm...Hey.", murmelte ich schüchtern und endlich sah Michael sah auf. "H-Hi.". krächzte er mit rauer Stimme. "Wo warst du ganze Zeit?", fragte ich. Ich musste es einfach wissen. "I-Ich... bei meiner Schwester.", flüsterte er und ich sah ihn überrascht an. Seit wann hat er eine Schwester? "Al, ich versteh, dass du sauer auf mich bist. Aber bitte lass mich das erklären.", meinte er etwas unsicher. Ich überlegte, aber er hatte es eigentlich verdient, zu erklären. "Okay.", meinte ich dann. "Nicht hier, bitte.", flüsterte er mit zitternder Stimme. "Mrs Green, können Michael und ich vielleicht in einen anderen Raum, hier ist es so laut.", fragte ich und Mrs Green nickte und bat uns, ihr zu folgen. Michael stand wackelig auf und ihm schien es nicht gut zu gehen, denn er hielt sich krampfhaft am Tisch fest und seine Augen schlossen sich kurz. Jeder in der Klasse sah ihn an, doch kurz darauf öffnete er seine Augen wieder und folgte mir. Ich fragte mich immer wieder, was los war. Es schien ihm sichtlich schlecht zu gehen, seitdem er wieder da war und ich hatte ihn nur einmal lächeln sehen. Er war schon fast ein anderer Mensch. Er war nicht mehr Michael Clifford.

Zwei Räume weiter ließ Mrs Green uns alleine und ich sah Michael gespannt an. "Ich hab am nächsten Morgen einen Anruf bekommen. Es war eine Frau, die ich nicht kannte. Sie meinte, dass Lucie in einem kritischen Zustand sei und ich habe gefragt, wer Lucie sei. Sie hat mir verwirrt erzählt, dass Lucie doch meine Schwester sei und ob ich nicht Michael Clifford wäre. Natürlich hab ich ihr gesagt, dass ich Michael sei und sie meinte, dass Lucie im Krankenhaus läge, weil ihr Tumor wieder da wäre. Ich wusste überhaupt nicht, dass ich eine Schwester hatte. Sie ist 6. Sie war 6.", Michael stoppte seine Erzählung kurz und versuchte sich zu beruhigen, weil er wieder zitterte und Tränen drohten seine Wange runter zu laufen. Es war schlimm ihn so fertig zu sehen, vorallem wenn derjenige der vor dir sitzt und kurz vorm Weinen ist, derjenige ist, den du liebst. "Die Frau hat mir erzählt, dass meine Mum sie weggegeben hat, weil sie sich nicht um Lucie kümmern konnte, aber anscheinend hat sie eine Nummer, meine Nummer, hinterlassen, falls etwas mit ihr passiert. Ich musste einfach zu ihr, verstehst du? Sie war immerhin ein Familienmitglied. Sie wohnt in Doncaster.", meinte er. Seine Stimme zitterte immer mehr, aber er versuchte sich wohl irgendwie zu entspannen.

"Sie hatte einen Gehirntumor. Er war bei ihrer Geburt schon vorhanden, konnte aber entfernt werden. Jetzt hatte sie wieder einen. Ihr ging es so schlecht, sie war so dünn. Sie hatte Mums Augen und Dads Haarfarbe. Sie war so hübsch. Vor einem halben Monat ist sie an der Chemotherapie gestorben.", Michael schluchzte entgültig auf und ich konnte nicht anders, als auch Tränen in den Augen zu haben. Er hatte mich nie verlassen. Er wollte nur für seine Schwester da sein. Das ganze war so traurig und all die Traurigkeit und Enttäuschung, sogar Wut, die ich auf ihn verspürt hatte waren weg. Einfach futsch. "Es tut mir so Leid, Mikey.", flüsterte ich und umarmte ihn vorsichtig. Er schluchzte nur lauter und vergrub sein Gesicht in meiner Schulter. "Sie war so süß und freundlich. Sie hatte so eine schlimme Vergangenheit und hat mich trotzdem jeden Tag gefragt, ob ich mich gut fühlen würde. Si-e wa-r mei-ne Schwe-ster und... i-ich wusste es b-is vor z-wei Mona-ten nicht-nicht einmal.", schluchzte er und ich fuhr durch seine Haare, weil er seine Beanie wieder abgenommen hatte. 

"Ich bin nicht sauer. Du hattest jeden Grund zu verschwinden. Ich hätte genauso gehandelt. Aber...warum bist du so dünn, Mikey?", fragte ich ihn vorsichtig und ließ etwas von ihm ab, um ihm in die Augen zu sehen. "Am Ende hatte sie keinen Appetit. Ich war immer bei ihr und sie konnte Essen nicht sehen, deshalb hab ich auch nicht gegessen, ihr zu liebe.", murmelte er und lächelte leicht. "Versprich mir, dass du dir heute eine riesige Pizza reinziehst.", sagte ich ernst und er nickte lächelnd. "Ich hab dich so vermisst, aber ich war so beschäftigt mit Lucie.", meinte er und sah mir in die Augen. Sein Gesicht näherte sich immer mehr meinem. "Ist schon okay.", hauchte ich gegen seine Lippen und schloss dann meine Augen. Kurz darauf spürte ich seine weichen, warmen Lippen auf meinen und das Kribbeln, welches ich die letzten Wochen nie gespürt hatte, entfachte in meinem Bauch und zog sich über meinen ganzen Körper.

Ich schmeckte seine Tränen, doch es störte mich nicht. Michael fing langsam an seine Lippen zu bewegen und ich tat dasselbe. Seine Hände legten sich vorsichtig auf meine Hüften und ich zog ihn noch näher an mich und platzierte meine Hände in seine Haaren. Seine Haare waren wie immer weich. Unser Kuss wurde nicht wilder sondern blieb so vorsichtig. Irgendwann, als ich keine Luft mehr bekam, ließ ich von Michael ab und sah ihn breit grinsend an. Auch Michael konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Doch sein Gesichtsausdruck wurde wieder unsicherer und er kratzte sich nervös am Nacken. "Ich hab mich gefragt, ob du vielleicht meine Freundin sein willst?", fragte er unsicher und ich grinste noch breiter. "Ja. Oh mein Gott, ja!", kreischte ich und sprang schon fast auf ihn. Überfordert stolperte Mikey zurück, fing sich aber wieder und hielt mich an den Oberschenkeln fest, während ich meine Lippen wieder auf seine legte. Alles war perfekt.

»The big Fuck-Up« || Michael CliffordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt