Die Göttin Pleione

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Mit Wut, Ärger und Enttäuschung im Bauch (und nach einem anstrengenden Fußmarsch) gelangte ich wieder in mein Zuhause. Von meinen Schwestern war nichts zu sehen, der Garten schien leer gefegt, auch von Ladon war keine Spur zu sehen. Was hatte mein Vater nur mit ihm angestellt? Ich beschloss, meine wütenden Gedanken zu vertreiben und wanderte durch den heiligen Garten des Hesperiden. 

Ich hatte meine Familie betrogen. Meine Schwestern, meinen Vater..... und meine Mutter. Ladon. Und jetzt, nachdem Herkules mich verleugnet hatte, fühlte ich die schwere Last der Schuld, die in mir nagte und in mir wuchs ein schlechtes Gewissen. "Und dafür habe ich meine Familie verraten", flüsterte ich und mein trauriger Blick auf den leeren Baum, an welchem einst die goldenen Äpfel hingen. Ich sank auf die Knie und schämte mich innerlich für das, was ich - aufgrund einer schmählichen Lüge - meiner Familie angetan hatte. 

"Erhebe Dich, Tochter", hörte ich plötzlich eine Stimme und ich spürte eine Bewegung. Ich hob den Kopf und schaute in das Gesicht meiner Mutter. Der Meergöttin Pleione. "Hallo, edle Mutter", begrüßte ich sie und bemerkte den Schatten des Ärgers, der über ihrem Gesicht lag. Mir schwante Übles - ich hatte das dumpfe Gefühl, dass nun das eintreffen würde, wovor ich tief in meinem Inneren - doch ziemliche Angst hatte. "Tochter, ich bin wahrlich enttäuscht", ergriff die Göttin Pleione erneut das Wort. "Du hast Deinen Vater betrogen. Du hast Deine Schwestern und - was noch schlimmer ist - mich, die Göttin Pleione, Deine Mutter schändlich verraten. Und Du bist dafür verantwortlich,  dass der heilige Schatz unseres Zuhauses, die goldenen Äpfel, entwendet wurden." "Es tut mir leid, Mutter", versuchte ich unter Tränen zu erklären. "Ich bin selbst einer großen Lüge aufgesessen." "Das ist nicht mein Problem", erwiderte sie kalt. "Zoë Nachtschatten, höre, was ich Dir jetzt sage. Es ist fortan und für alle Zeit bindend. Du bist nicht länger ein Teil unserer Familie. Von nun an wird Dir jeder - JEDER - Besuch im Hesperiden-Garten verwehrt. Du bist eine Schande und eine Verräterin. Nun geh!" 

Sie tat einen Wink und der heilige Garten der Hesperiden, mitsamt dem Baum, meinem kleinen und bescheidenen Zuhause und allem, was ich hier doch irgendwie geliebt hatte, verblasste vor meinen Augen und ich stand im Nebel. Ich versuchte, durch die Nebelwand etwas zu erkennen, doch nichts als eine weiße Wand war zu erkennen. Es war tatsächlich geschehen. Natürlich hatte ich mir gewünscht, einmal auf Reisen gehen zu können. Aber definitiv nicht so. Ich wandte mich um und rannte. Von nun an war ich auf mich alleine gestellt. 

Plötzlich schob sich Herkules in meine Gedanken, der Mann, für den ich..... so etwas wie eine warme Zuneigung empfunden hatte und beschloss, ihn erneut aufzusuchen. Vielleicht kann er mir zumindest helfen, die Wogen zwischen meiner Mutter und meinen Schwestern zu glätten, denn - obwohl mich der Reisewunsch gepackt hatte, war der Garten doch irgendwie noch mein Heim. Und so kam es, dass ich mich erneut auf den Weg zum Palast des Königs Eurystheus machte. 

Auf den zweiten Blick wirkte der Palast des Königs beinahe noch prunkvoller als bei meinem ersten Besuch. Die beiden Torwächter, welche mich und Herkules bei unserem ersten Eintreffen hier, flankierten, standen wieder vor dem Tor und versperrten mir mit ihren langen Speeren den Weg. "Bitte", erklärte ich, "ich komme nicht, um Ärger oder Unruhe zu stiften. Aber bitte, lasst mich mit dem Helden Herkules reden." Der Größere der beiden Wachleute nickte seinem Partner zu und unter strengem Blick geleitete er mich durch den Palast zu den Gemächern, welche der hiesige König dem Helden vermacht hatte. Mit einem leichten Zögern klopfte ich an die Tür und hörte die mir bekannte Stimme, die aus dem Inneren des Raumes kam. "Wer da?" "Mein Held", antwortete ich, "ich bin es, Zoë Nachtschatten." Ich musste einige Sekunden warten, dann öffnete sich die Tür und Herkules öffnete die Tür einen Spalt breit. "Was hast Du hier zu suchen, Nymphe?", fragte er unfreundlich. "Edler Herkules", sagte ich leise, "ich wurde aus dem heiligen Garten der Hesperiden verbannt und wollte mich erkundigen, ob Ihr mir nicht eine Bleibe geben könnt."  "Und warum, Nymphe, sollte ich das für Dich tun?", fragte Herkules. Ich spürte ein Gefühl des Ärgers in mir aufsteigen. "Edler Held", erklärte ich, "erinnert Ihr Euch? Ich habe Euch bei der Ausführung bei der Aufgabe mit den goldenen Äpfeln geholfen." "Das ist infam!", tobte Herkules plötzlich. "Lüge! NIemand - NIEMAND hat mir bei den Aufgaben geholfen." Damit knallte er seine Tür vor meiner Nase zu und ließ mich überrascht und geschockt stehen. 

Für einige Sekunden hatte mir die heftige Reaktion des Herkules den Atem geraubt, doch als ich mich wieder gefangen hatte, wandte ich mich um und rannte - ohne mich ein weiteres Mal umzusehen - aus dem Palast des Eurystheus.  Ich hatte meine Familie schändlich verraten und durfte nie wieder einen Fuß in den Garten setzen. 

Ich würde lernen müssen, alleine auf mich aufzupassen.... 

The Life of Zoë NightshadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt