Der Kampf gegen Ladon

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Schnaubend und fauchend näherte sich der Drache. Der Drache, der mein einziger Freund hier in meinem Zuhause gewesen war. Den Blick starr auf Herkules gerichtet, bewegte sich der massige Leib meines ehemaligen Beschützers in unsere Richtung. Mit flehendem Blick schaute ich Herkules an und hoffte inständig, er würde von seinem Vorhaben ablassen, doch er ließ ein kleines Lächeln um seine Lippen huschen und schüttelte kaum merklich den Kopf. Dann atmete er einmal kräftig durch und stellte sich Ladon in den Weg. 

Ladon stieß ein markerschütterndes Brüllen aus, bevor einer seiner hundert Köpfe vorschnellte und nach Herkules schnappte. Der schien damit allerdings gerechnet zu haben, denn er wich dem Angriff geschickt aus und versuchte, an den Köpfen vorbei zu kommen. Ich hatte mich ein wenig vom Kampfgetümmel entfernt, konnte aber erkennen, dass sich Herkules wahrlich gut gegen Ladon schlug..... zumindest anfangs. Gerade entdeckte ich, dass Herkules versuchte, mit dem Bronzeschwert Anaklysmos seinen Bauch, die einzig weiche Stelle an Ladons Körper, zu erwischen, doch mehrere seiner bissigen Köpfe schnellten fauchend vor und trieben Herkules wieder zurück. Und mit Schrecken musste ich feststellen, dass mein Drachenfreund mehr und mehr die Oberhand gewann und Herkules mehr und mehr zurückdrängte. Ich ertappte mich dabei, dass ich vor Schreck die Hände vor dem Mund zusammenschlug, als Ladons Pranke Herkules mit voller Wucht erwischte. Der Held wurde zu Boden geworfen und rührte sich nicht mehr. Ladon schnupperte und stieß ein weiteres lautes Brüllen aus und trottete - so als ob nichts gewesen wäre - zurück zum Baum mit den goldenen Äpfeln. 

Nachdem sich Ladon wieder um seinen Baum gewickelt hatte, stürzte ich aus meinem Versteck  hervor und besah mir den sich noch nicht rührenden Herkules. Vorsichtig überprüfte ich, ob er noch atmete, doch es tat sich nichts. Ich wollte ihn hier nicht sterben lassen, deshalb nahm ich meine Kraft zusammen und trug den Körper des Helden zu meinem Zuhause, einer kleinen, aber für mich ausreichenden Hütte. Dort beeilte ich mich, um Ambrosia und Nektar zu beschaffen und als ich zurück kam, bemerkte ich, dass Herkules wieder erwacht war. Er schaute sich überrascht um, entdeckte mich und fragte: "Was ist passiert? Und: wo bin ich, meine Hübsche?". "Du bist in meinem Zuhause", antwortete ich. "Du hast den Kampf gegen Ladon verloren." Ich versorgte Herkules mit ein wenig Nektar und überprüfte, ob er Verletzungen im Kampf gegen Ladon davon getragen hatte. Dem war - den Göttern sei Dank - nicht so. "Wir werden nun versuchen, meinen Plan umzusetzen", meinte ich und schaute mein Gegenüber aufmerksam an. "Deinen Vater austricksen, was?", fragte Herkules. Etwas in seiner Stimme sagte mir, dass er mit diesem Vorschlag nicht wirklich einverstanden war, doch er fügte sich. "Also schön, meine Hübsche. Was soll ich tun?" 

"Besteige den Berg Othrys und erzähle meinem Vater, dass Du gekommen bist, die Last des Himmels auf deinen Schulter zu tragen, wenn er im Gegenzug die goldenen Äpfel besorgt", erklärte ich mit ernster Stimme und fügte hinzu: "Auch er wird versuchen, Dich zu täuschen, mit dem Ziel, Dir die Last des Himmels auf ewig zu übertragen und diese selbst nicht mehr tragen zu müssen. Wenn er dies tut, so bitte ihn, Dir Schulterpolster anlegen zu dürfen, damit Dich das schwere Gewicht nicht erdrückt. Hat mein Vater dir den Himmel von den Schultern genommen, nimm dir die Äpfel und geh. So schnell Du kannst." 

"Das klingt nach einem Plan", lautete die Antwort des Helden, "nach einem guten Plan, aber sag..... wird sich Dein Vater denn wahrhaftig darauf einlassen?" "Hoffen wir es", erwiderte ich. "Hoffen wir es....."            

The Life of Zoë NightshadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt