Die Morgensonne des anbrechenden Tages weckte uns alle und holte uns schon sehr früh aus unseren Zelten. Ich schlüpfte in meine Jägeruniform und begrüßte den Tag. Der gestrige Angriff von Lycaon und seinem Rudel steckte den Meisten noch von uns in den Knochen - wir alle waren froh, dass wir ihre Attacke unbeschadet überstanden und keine Verluste zu beklagen hatten. Das Leben und die gute Stimmung kehrte in uns alle zurück - die angeregten Gespräche untereinander waren beim Essen im Speisezelt wieder zu hören und Artemis, welche auf ihrem angestammten Platz saß, lächelte uns glücklich zu. Nachdem wir gut und ausreichend gefrühstückt hatten, erhob sie sich und automatisch verstummten die Unterhaltungen. Wir alle hingen an ihren Lippen, als sie zu sprechen begann: "Die Wölfe haben uns ziemlich überrascht", sagte sie. "Und mit Sicherheit lauen einige von ihnen noch immer hier irgendwo, um uns erneut einen unbeliebsamen Besuch abzustatten. Ich würde daher vorschlagen, dass wir unser Lager strenger überwachen - zumindest fürs Erste. Und, meine liebe erste Lieutenantin, könnte ich dich bitten, Dir zwei oder drei Jägerinnen zu schnappen und Ausschau nach möglichen versprengten Feinden Ausschau zu halten? Falls ihr einigen von Lycaons Dienern begegnen solltet, kommt sofort zurück und schlagt Alarm." "Natürlich, Edle Artemis", antwortete ich.
Ich hatte mir Grace, Phoebe, Lexi, Joelina und Anna geschnappt, um die nähere Umgebung nach verbliebenen Monstern auszukundschaften und um einfach ein wenig zur Ruhe zu kommen. Es war schon länger her, seit ich einfach nur gelaufen bin. Zwar hatte ich damals nicht gewusst, wohin mich mein Weg einst führen sollte, aber hier - an der Seite meiner neuen Familie - hatte ich schon viele Abenteuer erlebt und Kämpfe bestritten. Es tat gut, einfach mal wieder unterwegs zu sein. "Scheint alles ruhig zu sein", meinte Phoebe, nachdem wir uns ein Stück tiefer in den Wald begeben hatten. "Offenbar haben wir die Wölfe tatsächlich alle vertrieben." "Lasst uns noch ein bisschen weiter gehen", meinte ich und deutete in eine vage Richtung. "Dann können wir gerne zurückkehren und -"..... ich unterbrach mich, als ich plötzlich ein lautes Rascheln vernahm. Ein lautes Rascheln - nur einige Meter von uns entfernt. Schritte waren zu hören, die sich offenbar in unsere Richtung bewegten. "Still", flüsterte ich leise und legte meinen Bogen an. Phoebe und Grace taten das Gleiche und positionierten sich rechts und links von mir, während Lexi, Joelina und Anna ihre Dolche gezogen hatten. Ich sah, dass sich noch eine leichte Spur von Nervosität in ihren Gesichtern abzeichnete. Dies hier wäre immerhin die erste Auseinandersetzung mit einem möglichen Feind und es war erst ein, zwei Tage her, seitdem sie zu uns gestoßen waren. Ich legte so viel Maß an Bedrohlichkeit, wie ich es konnte und ergriff die Initiative.
"Wer oder was auch immer da ist - keinen Schritt weiter", kommandierte ich scharf. Als Antwort bekam ich ein Rascheln des Dickichts und wenig später teilten sich die Büsche. Ein Mädchen, mit kurzem schwarzen Haar und ein hochgewachsener Junge betraten - mit leicht hochgehobenen Händen - die Szenerie. An das Bein des Jungen klammerte sich ein kleines weiteres Mädchen, ungefähr im Alter von 6 oder 7 Jahren, mit längeren Haaren von honigblonder Farbe, klammerte sich an das Bein des Jungen und schaute uns mit großen Augen an. "Da hat man gedacht, man trifft auf ein Monster und dann trifft man auf fast noch etwas Schlimmeres", murmelte Phoebe und verdrehte die Augen. "Wer seid ihr?", fragte ich das Mädchen.
"Das ist Thalia Grace", antwortete der große Junge für sie. "Ich bin Luke Castellan und das hier", er deutete auf das kleine Mädchen, das sich noch immer an sein Bein geklammert hatte, "das ist Annabeth. Annabeth Chase." "Sie hat nicht dich gefragt", erwiderte Phoebe. "Lass gut sein", meinte ich. "Ausnahmsweise. Was macht ihr hier?". "Wir sind auf der Durchreise", antwortete das Mädchen namens Thalia. "Wir wollen eigentlich zum Camp Halfblood. Wir müssen die Kleine hier in Sicherheit bringen. Und hier sind eine Menge Monster im Wald." "Und mit wem haben wir das Vergnügen?", wollte der Junge wissen. "Wir sind Jägerinnen der Göttin Artemis", erwiderte ich. "Jägerinnen?", fragte der Junge namens Luke verwundert, "ich hab noch nie welche gesehen." "Das liegt daran, dass wir uns auch nicht mit Jungs abgeben", meinte Phoebe. Der große Junge wollte offenbar zu einer Antwort ansetzen, als es plötzlich - unmittelbar in unserer Nähe - wieder raschelte. "Erwartet ihr noch jemanden?", wollte Luke wissen und wir schüttelten den Kopf. Er und das Mädchen Thalia zogen ihre Waffen und bauten sich schützend vor dem kleinen Mädchen auf und auch wir griffen nach unseren Pfeilen. Eigentlich wollten wir die Begegnung abhaken und wieder zum Lager zurückkehren, doch etwas sagte mir, dass wir hier wenn nötig eingreifen mussten. "Bleibt zusammen", flüsterte ich meinen Freundinnen zu und wir fixierten aufmerksam die Stelle, aus der Rascheln gekommen war.
Aus dem raschelnden Gebüsch war ein dumpfes Grollen zu hören und dann gab das Dickicht die Sicht auf den "Besucher" frei. Ein großer grauer Wolf tapste auf die Lichtung - seine scharfen Reißzähne waren gebleckt und seine Augen glühten leuchtend gelb. Er blieb stehen, als sein Blick uns traf und stieß ein weiteres dumpfes Knurren aus. "Der ist ja riesig", murmelte das Mädchen namens Thalia beeindruckt. "Bleib mit Annabeth zurück", kommandierte der Junge namens Luke und beobachtete den tierischen Angreifer genau. "Das ist einer von den Dienern Lycaons", meinte Phoebe, "offenbar haben wir doch nicht alle erwischt." Ich griff nach meinem Pfeil. "Ihr habt keine Chance gegen den Wolf", meinte ich zu dem Jungen. "Ihr solltet Euch zurückziehen und uns die Sache überlassen." Der Wolf machte einen weiteren Schritt auf uns zu. Seine gelben und stechenden Augen hatten sich von uns gelöst und fixierten nun das kleine Mädchen, in welchem der Wolf offenbar die leichteste Beute vermutete. "Wir müssen was tun", rief Anna, "der Kleinen darf nichts passieren." "Ich weiß", antwortete ich und schoss einen Pfeil auf den Wolf ab, dem er gekonnt auswich. Dann setzte der Wolf seinerseits zum Sprung an und versuchte, das kleine hellhaarige Mädchen zu erreichen, er wurde jedoch von dem Jungen abgebremst, was den Wolf dazu veranlasste, sich einen neuen Angriffspunkt zu suchen. "Thalia!", rief der Junge, der dem Wolf nachsetzte, "bring sie endlich in Sicherheit!" "Ich lass Dich nicht alleine", rief sie zurück und hielt plötzlich einen Speer in der Hand.
Der graue, riesige Wolf hatte nun von seinem Primärziel abgelassen und setzte sich nun gegenüber den Angriffen des Jungen tapfer zur Wehr. Er schaffte es, den Jungen in einem unbeobachteten Moment anzuspringen und ihm damit den Boden unter Füßen wegzureißen. Grace und Phoebe hatten ihrerseits ihre Pfeile erhoben, während der Wolf gerade drauf und dran war, dem Jungen die Kehle zu zerreißen. Phoebe und Grace schickten sich an, ihre Pfeile auf den tierischen Angreifer abzufeuern, als mein Blick plötzlich auf die kleine Annabeth fiel, die mit ihrem kleinen Finger in eine Richtung deutete. Ich folgte ihr und sah Thalia, deren Angst nun verflogen war (wie es den Anschein hatte). Ich konnte das Feuer der Wut in ihren Augen lodern sehen, als sie ihren Speer genau in dem Moment abfeuerte, als der Wolf mit seinen Reißzähnen nur noch wenige Meter von Lukes Kehle entfernt war. Der Speer traf sein Ziel: das aufgerissene Maul des Wolfes. Dieser zuckte, jaulte leise auf und brach dann auf dem Körper des Jungen zusammen. Dieser schob den schweren Kadaver von sich und bemühte sich, aufzustehen. "Das war gar nicht schlecht", meinte Joelina beeindruckt und ich musste ihr tatsächlich zustimmen. Thalia schien gerade mal 12 zu sein, vom Aussehen her, aber sie hatte sich mutig in den Kampf eingemischt und ihre..... Freunde gerettet. Wer weiß, wenn man ihr Talent noch ein wenig förderte..... es ausbaute......?
"Danke Thalia", meinte Luke, nachdem er wieder auf beiden Beinen stand und sich den Wolfsgeifer aus dem Gesicht strich. "Das war nicht schlecht." Thalias Gesicht bekam einen leichten Rotschimmer und sie schaute verlegen zu Boden. "Es war nett, Eure Bekanntschaft zu machen", meinte Luke höflich, "auch, wenn ihr Jungs offenbar nicht sonderlich leiden könnt." Er nahm Annabeths Hand in seine und führte sie durch das Dickicht, aus welchem der Wolf gekommen war. "Komm, Thalia", meinte er und verschwand mit dem kleinen Mädchen in den Bäumen. Thalia wandte sich ebenfalls zum Gehen, drehte sich nochmal um und winkte. Sie wollte den beiden gerade folgen, als Phoebe mich anstieß. "Hey, warte mal", rief ich Thalia zu und sie blieb stehen und schaute mich abwartend an. "Sag mal, hättest Du nicht Lust, uns, den Jägerinnen der Artemis beizutreten? Du bist hervorragend im Umgang mit dem Speer - wir könnten jemanden wie Dich bei uns brauchen." Für einen Moment sah ich einen Schimmer in ihren Augen, doch dann senkte sie den Kopf und schüttelte ihn. "Danke für das Angebot", antwortete sie. "Aber, ich kann nicht mit Euch kommen. Ich.... ich gehöre zu den beiden, wisst ihr?" Und dann fügte sie etwas hinzu, was mich zugegebenermaßen etwas ärgerte. "Ich gehöre zu ihm. Ich habe versprochen, bei ihm zu bleiben." "Bei ihm zu bleiben?", platzte es aus mir heraus. "Er ist ein Junge! Er wird Dich irgendwann verletzen, Dir wehtun." Doch Thalia schüttelte erneut den Kopf und verschwand ebenfalls wie der Junge und das kleine Mädchen zuvor - im Schatten der Bäume.Phoebe, ich und die anderen traten den Rückweg an. Wir mussten Artemis berichten, dass wir einen weiteren Wolf gesichtet hatten und dass es hier in der Gegend offenbar noch mehr von ihnen gab....
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The Life of Zoë Nightshade
FantasyMan könnte schon sagen, dass mein Leben in gewisser Art und Weise.... ein wenig speziell gewesen war. Ach, was heißt "ein wenig"? Als Tochter der Göttin Pleione und des Titanen Atlas, sollte mein Leben doch ausgefüllt sein, oder? Und dennoch.... ich...