Blinde Zerstörungswut

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Der Morgen begann für uns alle mit lautem Lärm, der aus dem Lager zu uns in die Zelte drang. Ungefähr so, als würde jemand..... oder etwas..... sich daran machen, das Lager vollends zu zerstören. Noch ein wenig schlaftrunken  erhob ich mich aus meinem Nachtlager und schaute aus dem Zelt heraus. Ich bemerkte, dass ich nicht die einzige war. Auch meine anderen Schwestern hatten die Köpfe vorsichtig aus ihren Zelten gestreckt. Einige warfen sich fragende und überraschte Blicke zu, bis ein lauter Ruf durch unser Lager schallte. Es war Grace. "Monster im Lager! Monster im Lager! Zu den Waffen!" Niemand von uns konnte ein Anzeichen erkennen, dass tatsächlich Monster ins Lager eingefallen waren, doch der Lärm ließ keine großen Überlegungen zu. So schnell wir konnten, schlüpften wir in unsere Jägerinnen-Uniform, schulterte mir meinen Bogen und den Köcher voller Pfeile auf den Rücken und steckte mein Bronzeschwert ein und schloss mich den zum Zentrum des Lagers eilenden Schwestern an. 

Dort angekommen, blieben wir wie angewurzelt stehen. Das Bild, das sich uns bot..... wirkte fast schon..... angsteinflößend. Orion legte gerade einen Teil unseres Lagers in Schutt und Asche. Er zerstörte die aufgebauten Zelte meiner überraschten Schwestern, hatte hier und da dicke und massige Bäume an den Wurzeln heraus aus dem Boden gerissen und schoss unaufhörlich Pfeile auf alles, was sich bewegte. Er ließ davon auch nicht ab, als Artemis die Bildfläche betrat, um ihn zu beruhigen. Ich fand als erstes meine Sprache wieder und brüllte unserer Anführerin zu: "Edle Artemis, was ist mit ihm? Wieso verhält er sich so?" 

"Das wüsste ich auch gerne", antwortete sie und wich gerade einem seiner Pfeile aus, der sie nur um Millimeter verfehlte, "aber, ich möchte, dass ihr Euch entfernt! Falls er Euch entdeckt, so wird er nicht zögern, Euch anzugreifen und zu töten. Er hat seinen kompletten Verstand verloren." Artemis ging nun ebenfalls in den Angriff über und schickte ihrerseits Pfeile in Richtung des tobenden Giganten. Wir Jägerinnen zogen uns leise zu den übrigen Zelten zurück. 

Niemand von uns konnte sich einen Reim darauf machen, weshalb Orion tat, was er tat. Und jede von uns erschütterte es, ihn so rasend zu sehen. Ich hatte seine Zerstörungskraft bisher nur im Kampf gegen die Unmengen von Monstern erleben dürfen und sie hier jetzt zu sehen..... schockte uns alle, so viel war klar. Während wir grübelten, fiel es mir plötzlich wieder Schuppen von den Augen. Ich erinnerte mich an die Szene, die Claire, Grace und ich gestern bei Nacht miterlebt hatten. Das Auftauchen Apollos im Lager, der Fluch..... hatte das etwas mit dem Verhalten Orions zu tun? Was hatte Apollo doch nochmal gesagt? Ich Orion, verfluche Dich, fortan jedes Monster und jede Kreatur zu vernichten - ja, genau. Dann war Apollos Fluch doch früher in Kraft getreten, als erwartet. Orion würde nicht eher ruhen, bis er wahrlich jede "Kreatur" getötet hat. Dies würde auch uns alle einschließen. Schnell rannte ich zu Artemis zurück - Orion war noch immer damit beschäftigt, alles in seiner Umgebung dem Erdboden gleich zu machen. Seine blinde Zerstörungswut erinnerte mich an den Angriff des kalydonischen Ebers, von welchem die Lady Artemis in einer ihrer Geschichten berichtet hatte, der eine ganze Farm samt Farmer dem Erdboden gleichgemacht hatte. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und rannte auf Orion zu. "Bleib zurück, Zoë", hörte ich Artemis und auch meine Schwestern rufen, doch ich musste versuchen, Orion von seinem Angriff abzuhalten. "Orion, Bruder", rief ich dem Giganten zu, "warum tust Du das alles? Wehr Dich - du musst Dich gegen Apollos Fluch wehren, hörst Du?" Orion, der einen seiner langen Pfeile angelegt hatte und auf ein noch unbestimmtes Ziel richtete, stoppte. "Ja!", dachte ich innerlich, "es klappt." Doch ich hatte falsch gedacht. Die mechanischen Augen Orions fanden mich und blitzschnell schoss er den Pfeil auf mich ab. Ich konnte nur knapp ausweichen. Und plötzlich reagierten auch meine Schwestern. Einige hatten ihre Pfeile angelegt, während andere mit ihren Schwertern auf Orion zueilten. Mit all unserer Kraft schafften wir es, den großen Krieger zurück und aus unserem Lager zu treiben. Sein Schicksal war damit besiegelt. 

 Es war später Abend, als wir uns alle am Lagerfeuer versammelt hatten und unseren eigenen Gedanken nachgingen. "Was hast Du dir nur bei dieser dummen Aktion gedacht, Zoë?", fragte Artemis nach einer Weile. "Du hättest sterben können." Meine Schwestern murmelten zustimmende Worte. Ich konnte sie ja verstehen. Orion war wahnsinnig geworden, hatte mit blinder Wut auf alles und jeden eingeprügelt, was ihm in den Weg kam. Wenn er mich erwischt hätte......

"Beruhigt Euch bitte, meine Schwestern", meinte ich, als das missbilligende Raunen mir gegenüber abgeklungen war. "Ich habe mich an das erinnert, was in der letzten Nacht geschehen ist. Claire, Grace und ich haben beobachtet, wie der Edle Apollo gestern Nacht in unserem Lager erschienen ist und das Zelt von Orion aufgesucht hat. Er war es, der Orion mit einem Fluch belegt hat", beendete ich meine kurze Erzählung. "Von welchem Fluch sprichst Du da, Zoë?", wollte Artemis wissen. Ich atmete tief durch und erzählte ihr von der Beobachtung, die wir gemacht hatten. 

"Ich verstehe", meinte Artemis. "Zoë, Du hast eine mutige Entscheidung getroffen, aber bitte - sei in Zukunft nicht mehr so leichtsinnig, ja? Informiere deine Schwestern über dein Vorhaben und agiert gemeinsam." Ich nickte schweigend. Nachdem wir unsere Runde am Lagerfeuer beendet hatten, teilte uns Grace in Gruppen auf und wir beseitigten das Chaos, das Orion hinterlassen hatte. 

Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde, falls uns der Gott Apollo noch einmal besuchen sollte.....     


The Life of Zoë NightshadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt