Die Attacke der Wölfe

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Wir waren noch immer auf dem Weg zum Camp Half-Blood und während wir durch die überfüllten Straßen Manhattans liefen, bestürmten uns unsere fünf Neuzugänge mit Fragen. 

"Wie lange seid ihr schon Jägerinnen?" 

"Wie viele Monster habt ihr getötet?" 

"Was ist das für ein Camp, wo ihr hingeht?" 

"Seid ihr alle menschlich, oder nicht?" 

"Werden wir alle lernen, so zu kämpfen, wie ihr?" 

Wir Älteren schauten uns an und mussten bei ihrer jugendlichen Neugierde schmunzeln. Ein paar unserer Älteren waren ja wirklich einmal im Camp Half-Blood gewesen, waren jedoch allerdings zurückgekommen. Ganz selten kam es vor, dass sich ältere Mädchen in dieser neuen und modernisierten Welt verloren, doch Artemis wusste, welchen Weg es zu gehen galt. Als Göttin wanderte sie mit der Zeit und hatte sich dem neuen Zeitalter angepasst. 

Es dauerte noch ungefähr etwas über 3 Stunden, bis wir den Stadtrand Manhattans erreichten. Als die riesigen Wolkenkratzern mit ihren rauchspuckenden Dächern einem eher ländlicheren Teil mit vielen Bäumen wichen, fühlten wir uns schon eher zuhause; dies war der Ort, wo wir hingehörten. In der Stadt hatten wir hier und da noch einige Spuren von Monstern entdeckt- Wir liefen noch einige Kilometer und ließen die große Stadt letztendlich gänzlich hinter uns. Wir gelangten zu einem großen Waldgebiet, das unserer Meinung nach wie geschaffen war, um sich hier niederzulassen. 

Die Sonne ging bereits unter und die ersten Geräusche waren zu vernehmen. Wir hatten keine Ahnung, mit welchen Monstern wir es hier wohl zu tun bekommen würden, weshalb wir - nachdem wir unsere Zelte aufgeschlagen hatten - Nachtwachen einteilten. Unsere neuen Jägerinnen schienen anfangs noch ein wenig unsicher zu sein und schauten sich ein wenig zögerlich im Lager um. "Ihr braucht keine Angst zu haben", lächelte ich. "Ihr seid jetzt Jägerinnen, so wie wir. Ihr könnt nicht sterben." Wir waren zwar nicht so viele, aber für uns Jägerinnen bedeute der Wald so etwas wie..... ein Ruhehort. Ich lächelte die fünf Mädchen noch einmal an und sie schienen sich langsam zu beruhigen. 

Wir saßen noch gemütlich am Lagerfeuer und verspeisten einige von Artemis und einer ausgewählten Gruppe von Jägerinnen eingefangene Hasen und unterhielten uns ausgelassen. Doch unsere fröhliche Runde am Lagerfeuer wurde jäh unterbrochen, als ein lautes und durchdringendes Geheul durch den Wald schallte. So schön das Heulen sich auch anhörte, wir wussten, womit wir es hier zu tun hatten. Wir Älteren und Artemis erhoben uns instinktiv. "Lexi, Joelina, Anna, Bonnie und Susan, ihr zieht Euch sofort in eure Zelte zurück und bleibt dort, bis wir es Euch sagen. Ihr seid dieser Art von Feind noch nicht gewachsen." Lexi und die anderen nickten und zogen sich eilig in ihre Zelte zurück, als sich Artemis uns zuwandte. "Ihr Älteren wisst natürlich, was zu tun ist. Ihr, die ihr mit Dolchen, Messern, Schwertern, Speeren und auch sonst gut im Nahkampf auskennt, ihr greift die Gegner von hinten an. Vergesst nicht, dass sie - gerade im vollen Zenit des Mondes - am stärksten sind." Artemis hatte ihren Satz kaum beendet, als wir auch schon die tapsenden Schritte ihrer Pfoten auf dem Waldmoos vernahmen.  

Sie waren sehr schnell zu Fuß und ihre schweren Schritte störten die Ruhe und den Frieden, der in diesem Wald innewohnte. "Macht Euch bereit, Mädchen", kommandierte Artemis. "Vergesst nicht, dass ihre Angriffe oftmals heimtückisch und hinterhältig sind!" Unsere Anspannung wuchs und meine Hand wanderte langsam zum Köcher, in welchem sich mein Bogen und einige Pfeile befanden. Sekunden später waren sie da. Wir zählten mindestens 30 bis 40. Wie Schatten schlichen die Wölfe heran und als sie uns mit ihren gelben Augen entdeckten, transformierten sie sich und tauschten das Wöflische mit ihrem menschlichen Körper. Ein Mann mit blutroten Augen, fettigem und rußschwarzem Haar und einer Krone aus weißen Knochen ging ihnen voraus. Er war gekleidet in eine lange Robe aus dunklen Fellen und seine Erscheinung strahlte Macht aus. Wir Jägerinnen waren wie versteinert. 

"Meine Liebe, als ich und meine Gefährten hier in diesem Gebiet den Geruch von leckeren.... Wild wahrgenommen hatten, hatte ich nicht damit gerechnet, auf einen ganz besonderen kleinen Snack zu treffen. Schon gar nicht auf eine..... Göttin", meinte der Mann spöttisch und öffnete seinen Mund, aus welchem spitze kleine Reißzähne schwach glänzten.  

"Natürlich, Lycaon", antwortete Artemis, "Du findest mich überall dort, wo die Meinen sind. Aber, ist es nicht eher so, dass Du mittlerweile Gefallen an menschlichem Fleisch gefunden hast?" Der König der Werwölfe stieß ein markerschütterndes Heulen aus und ballte seine Fäuste. "Es scheint  mir, als sei die kleine Göttin sich ihrer ziemlich sicher zu dieser späten Stunde", konterte Lycaon und machte einen gewaltigen Satz auf unsere Anführerin zu. Sein menschlicher Leib verwandelte sich während des Sprungs binnen von Sekunden in den eines riesigen Wolfes und seine scharfen Reißzähne zielten auf den Hals unserer Anführerin. Und nun - wie von einem unausgesprochenen Befehl ihres Alphawolfes geleitet - setzte sich nun auch der Rest des Rudels in Bewegung. 

Der Kampf war unübersichtlich. Nachdem die Wölfe zum Angriff übergegangen waren, hatten auch wir uns in Bewegung gesetzt und stellten uns unseren Feinden entgegen. Fast automatisch, fischte ich Pfeil um Pfeil aus meinem Köcher, legte diesen an meinen Bogen, zielte auf die dunklen Wolfskörper und schoss. Die Krallen der Wölfe waren scharf, ihre Zähne waren Mordwerkzeuge und in ihren Augen loderte die Mordlust. Die Meisten von ihnen fielen durch unsere Pfeile, aber es blieben dennoch einige von ihnen unversehrt. Nachdem ich merkte, dass meine Pfeile ausgegangen waren, wechselte ich zu meinem Dolch und stürzte mich nun meinerseits in das Kampfgetümmel. Ich hatte gerade einen der Wolfe meinen Dolch tief in die Kehle gestoßen, als ich aus den Augenwinkeln eine flüchtige Bewegung wahrnahm. "Vorsicht, Zoë", hörte ich Phoebes Stimme rufen und fuhr instinktiv herum. Einer der Wölfe hatte mich als Ziel auserkoren und war aus dem Schatten heraus auf mich zugesprungen und begrub mich unter dem Gewicht seines tierischen Körpers. Er schnappte nach mir und knurrte aus voller Kehle und ich hatte Mühe, mich zu wehren. Mit meiner zur Faust geballten Hand schlug ich ihm auf die Nase, er zuckte ein wenig zurück, was es mir ermöglichte, ihm mit meinem Messer die Kehle aufzuschlitzen. Der Wolf verdunstete in goldenem Nebel. Dann entdeckte ich Artemis, die noch immer gegen Lycaon kämpfte. Beide waren - so gesehen - Kinder des Mondes und bezogen ihre Stärke von ihm. 

Nach weiteren quälenden fünf Minuten, beschloss Lycaon den Rest seines Rudels zusammenzutrommeln und sich fürs Erste zurückzuziehen. Artemis hatte sich - obwohl sie nur mit einem Dolch gegen ihn in den Kampf gezogen war - wirklich gut geschlagen und ihn in die Enge getrieben. Im menschlichen Körper Lycaons klaffte eine große Wunde, die schon viel an Blut verloren hatte. "Wir sehen uns wieder", grinste Lycaon bedrohlich, stieß ein lautes Heulen aus und verschwand mit seinen restlichen Wölfen wieder in der Dunkelheit des Waldes. Wir hatten es geschafft. Wir umarmten uns vor Freude und nach einer Weile kamen Lexi, Susan, Bonnie, Joelina und Anna aus ihren Zelten und erkundigten sich, was passiert sei. Wir berichteten ihnen von Lycaon und seinen Wölfen, welche, was unsere Feinde betraf, an der Spitze standen und versprachen ihnen, dass sie beim nächsten Kampf dabei sein durften. 

Artemis löste unsere Gruppe ausnahmsweise einmal früher als sonst auf. Wir Jägerinnen zogen uns in unsere Zelte zurück, während sie noch am Lagerfeuer zurückblieb. Ich betrat mein Zelt und fiel sogleich in einen traumlosen Schlaf....  

The Life of Zoë NightshadeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt