56. Aalglatte Pappenheimer ✔

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I have found that if you love life, life will love you back. - Arthur Rubinstein

Song: Landslide - Oh Wonder

Vielleicht wäre ich einige Punkte anders angegangen, hätte ich das mit Seb und Anita vorher gewusst...

Nein, nicht vielleicht... ganz bestimmt.

Aber selbst als Clive es mir sagen wollte, habe ich ihn davon abgehalten, obwohl es da vermutlich sogar auch schon zu spät war – besser spät als nie.

Das zynische Auflachen kann ich nicht unterdrücken, während meine Gedanken einmal mehr durch den Eintritt ins Achterbahnland durchschreiten. Allmählich habe ich das Gefühl als hätten sie eine Jahreskarte gekauft und warten nur darauf das die Looping-Bahn eingeweiht wird.

Das Schlimmste an diesem ganzen Schlamassel ist nicht einmal der Drehwurm oder das Durcheinander, sondern dieses klaffende Gefühl, dass Clive weg ist.

Schon klar, er ist nicht wirklich aus der Welt, aber es fühlt sich so sehr danach an, als wäre er zumindest aus meiner kleinen Welt verschwunden – zum zweiten Mal – und ich habe absolut keine Ahnung, ob es diesmal endgültig ist.

Noch viel weniger weiß ich, wann ich Clive dermaßen in mein Herz geschlossen habe.

Oder wann mein Verstand und Herz angefangen haben ihn zu vermissen?

Und nochmal!

Egal wo ich sitz, ob in der Schule im Geschichtsunterricht, bei Adam auf dem Sofa oder allein in meinem Zimmer auf dem Bett, die Szene vom Schulhof spielt sich seit Tagen vor meinem inneren Auge ab, immer und immer wieder. Man könnte meinen die Platte meiner Erinnerungen hat einen harten Schlag erlitten und nun einen tiefen Sprung.

Das soll aufhören!

Clives verachtender Blick, die Wut darin, die Enttäuschung.

Die Enttäuschung...

In diesen Momenten wünsche ich mir eine große Schwester. Eine, die so einen ganzen Haufen Mist schon mal erlebt hat und mich jetzt trösten könnte. Aber ich bin allein und eigentlich will ich auch allein sein, aber so eine Schwester... manchmal wäre das schön.

Langsam bilden sich bunte Flecken an der Decke, meine Augen werden ganz trocken vom Starren.

Eine Woche ist das her...

Und es hat sich angefühlt wie viertausend Jahre. Gut möglich, dass sich viertauschend Jahre so anfühlen, oder noch viel schlimmer. Ach was weiß ich...

Kein Clive, kein Lachen in den Pausen.

Aber mit Sebastian schreibe ich... es fühlt sich falsch und gut zugleich an.

Vielleicht versuche ich mich selbst zu bestrafen, indem ich mich dermaßen isoliere und pausenlos über all diese kleinen Stufen nachdenke, die irgendwann zu einer Tür ins Nichts führen.

„Ro Ro?"

Beinahe hätte ich laut aufgequiekt und vermutlich damit die gesamte Nachbarschaft mit meiner neuen Schreckhaftigkeit bekannt gemacht, aber ich schlage mir rechtzeitig die Hände auf den Mund – vielleicht ein wenig zu fest.

Wie eine Furie fahre ich auf und starre entgeistert zu meiner Zimmertür, beziehungsweise zu Adam, der mit einem schuldbewussten Grinsen dort steht.

„W-Wa-...", stottere ich, doch Adam lässt mich gar nicht erst fragen, weshalb er hier ist oder wie er hier unbemerkt hereingekommen ist. Adam schüttelt schweigend und bedächtig seinen Kopf, ein feines Lächeln auf den Lippen und setzt sich neben mich.

Clive | Original | √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt