19. Wie? ✔ -

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"If your dreams don't scare you, they're too small" Richard Branson

Lied: Ocean - Martin Garrix x Khalid

"Ich bleibe bei dir.", murmle ich leise im leeren Flur. Irgendwo piept es und neben mir zittert es. Vielleicht zittere auch ich und habe ihn angesteckt. Er lässt meine Hand jedenfalls nicht mehr los.

Ein unsicheres Nicken.

Ich weiß nicht genau, wann ich für Clive zum letzten Mal diese tiefe Verbundenheit gespürt habe. Es muss eine Ewigkeit her sein.

Seine frei Hand liegt seit gut einer Minute auf der Türklinke, ohne, dass er sie nach unten drückt, sie lungert einfach da, als läge eine Katze auf der Lauer. Meinetwegen hätten wir hier auch noch zwei Stunden stehen können, doch ich kenne Clive. Wenn nicht jetzt, dann nicht.

Das Klicken fährt durch Mark und Bein. Noch mehr Piepen.

Clive geht nicht, also trete ich vor und ziehe ihn behutsam mit mir. Mir ist selbst nicht im Geringsten nach Stark sein, nach Führen oder sonst was, aber es fühlt sich so an, als hätte ich keine Wahl. Da ist etwas in mir, dass mich drängt.

Schwach brennt Licht hinter dem Bett. Genug, um Elizas tiefrote Augen und die schier grenzenlosen Augenringe zu erkennen. Der Muskel in meiner Brust sticht unerbittlich weiter.

Je näher wir ihr kommen, desto subtiler versuche ich meine Hand aus Clives zu ziehen. Ich will zwischen den Beiden stehen.

"Ich wusste nicht, wann ihr kommt." Eliza stemmt sich von ihrem Stuhl nach oben und tritt allmählich auf uns zu. Ihre Augen wechseln zwischen mir und Clive. So gerne würde ich jetzt einfach wegsehen.

"Wir sind da, Mom."

Blitzschnell lasse ich meine Hand entgleiten und kassiere dafür einen flüchtigen Blick von ihm. Hilfe, er sagt Hilfe. Doch Eliza zieht ihn schon in eine Umarmung. Sie ist kaum größer als ich... Ich will zurücktreten, den beiden ihren Raum geben, als sich plötzlich eine Hand um meine schließt und mich festhält. Es ist Elizas...

"Danke...", formen ihre Lippen und ich lächle schwach.

"Was sagen die Ärzte?" Clive entfernt sich ein Stück von ihr, hält ihre andere Hand fest.

Sie schüttelt vorsichtig den Kopf, atmet einmal tief ein. "Nicht viel... nicht gut. Nicht lang..."

***

Halb vier. Ich nuckle an meinem Wasserbecher und trabe zurück in Richtung Zimmer.

An Schlaf ist nicht zu denken, trotzdem würde ich jetzt viel für ein weiches Bett und Ruhe geben - Ruhe, ohne dieses ständige Piepen, ohne diese permanente Drohung.

Seit zwanzig Minuten schleiche ich den Flur nun auf und ab. Ziellos, ängstlich und müde. Mein Kopf droht auf der einen Seite zu platzen, während der andere Teil gähnend leer ist.

Es fühlt sich an wie auf einer Kreuzung ohne Ampeln und Schilder, ohne Bodenbemalung oder sonst irgendeiner Orientierung. Man steht einfach da, mit laufendem, qualmendem Motor und wagt es nicht zu fahren, weil man Angst hat, dass ein Raser auftaucht, oder ein LKW.

Und dann ist da noch der bittere Beigeschmack meiner Zimmerflucht. Es war der passende Moment, es war angebracht. Ich wollte Eliza und ihm Zeit zu zweit – dritt – geben.

Schwer zu sagen wie lange wir auf der Fensterbank saßen und versunken geschwiegen haben. Irgendwann hat er kurz meine Hand losgelassen und ich bin von ihm gerückt. „Ich hole mir eben was zu trinken. Noch jemand?", habe ich hervorgepresst und dabei im Grunde nur Eliza angestarrt.

Clive | Original | √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt