60. Flammen ✔

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Love is friendship set on fire. ~ Jeremy Taylor

Song: Fate don't know you ~ Desi Valentine

Meine Hand zittert unnatürlich, aber immerhin gelingt es mir die Klingel zu drücken, ohne tausend Mal abzurutschen.

Unter meinem linken Arm klemmt die riesige A3 Mappe mit meinem Kunst-Projekt, rechts baumelt die olle Stofftasche meiner Mom von meiner Schulter – etwas ausgebeult von meinem Mäppchen und einem halben Dutzend Radiergummis und Spitzer.

Bis jetzt weiß ich noch nicht genau, was mich geritten hat Sebastian zu fragen, allerdings weiß ich zumindest warum ich das überhaupt wollte.

Die Frage ist jetzt nicht nur die Frage selbst, sondern wie kann ich Sebastian das fragen? Soll ich ihn geradeheraus damit bombadieren oder lieber vorsichtig, Schritt für Schritt auf den Zahn fühlen, um ihn nicht in die Enge zu treiben.

An und für sich würde zu mir die zweite Variante besser passen. Jemanden mit so einer Lawine zu überfallen ist nicht wirklich mein Wesenszug, das würde ich höchstens mit Clive abziehen.

Die Türe schwingt plötzlich so voller Energie auf, dass ich nur mühsam ein erschrockenes Quietschen unterdrücken und durch einen scharfen Lufteinzug ersetzen kann.

Eine verschlagen grinsende, jüngere Kopie von Sebastian mustert mich gekonnt, um mir die Röte ins Gesicht zu treiben.

Himmel, das ist schon wieder so peinlich!

Fraglich, ob es mir noch peinlicher wäre, wenn es Sebastian selbst und nicht Marcus gewesen wäre. Aber ich schätze Sebastian hätte die Türe auch nicht so abrupt aufgerissen, oder mich mit diesem ironischen „Aww, du arme bist du etwa erschrocken?"-Blick noch mehr in Verlegenheit gebracht.

Aber es ist Marcus und es ist mir unfassbar unangenehm, warum auch immer...

„Na, wenn das mal nicht Mrs. Wirklich-Lecker persönlich ist." Sein sarkastischer Tonfall erinnert mich automatisch an Clive.

Das Ampelrot in meinem Gesicht reift zu einem tiefen Kaminrot. „Hai...", presse ich hervor.

Armselig... ich lasse mich hier von einem fünfzehn Jahre alten Jungen aufziehen.

Er grinst mich breit an und wackelt mit den Augenbrauen. „Komm rein, mein geliebter Bruder ist noch nicht wieder da und er hat mir Prügel angedroht, wenn ich scheiße zu dir bin... ich weiß wirklich nicht wie er drauf kommt?"

Meine Fantasie erschafft einen glänzenden Engelsschein über Marcus Kopf. Meine Wange sind zwar immer noch rot, aber zumindest schleicht sich ein flüchtiges Lächeln auf meine Lippen.

Der Gedanke an Sebastian, wie er Marcus droht – meinetwegen – lässt mein Herz ein klein wenig heftiger schlagen.

„Wo ist er denn?"

Anders als bei Marcus würde mein Heiligenschein nicht nur „schein"-heilig sein, sondern echt.

Ich kann Marcus prüfenden Blick auf mir spüren, während ich mich aus meinem Mantel und den Stiefeln schäle. Es ist kein „Abchecken", sondern ein wahrhaftiger Test. Ob ich ihn bestehe steht in den Sternen.

„Für unsere Grandma einkaufen. Sie will Plätzchen backen und hatte kein... keine Ahnung, was ihr alles gefehlt hat, aber Vanilleschoten hat sie noch, das weiß ich." Seine Augen flackern mir schelmisch entgegen.

„Ach so, okay. Dann... soll ich in seinem Zimmer warten?"

„Kannst du schon, oder du zockst mit mir und George ne Runde, wir erklären dir auch wie es geht."

Clive | Original | √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt