63. Anstrengend, aber süß ✔

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Your love is all I need to feel complete.

Song: Whistle for the choir - The Fratellis

"Brauchst du das Auto heute?"

Mein Dad schielt mich über den Rand seiner Kaffeetasse mit Adleraugen an.

Zögerlich schüttle ich den Kopf. Warum sieht er mich so scharf an? Hat er gestern etwas mitbekommen, dass Clive hier war und jetzt denkt er...

Nein, unmöglich.

Er musste gestern bis halb acht arbeiten und Mom ist auch erst um neun gekommen. Ausgeschlossen, dass einer von beiden ihn hier gesehen hat. Und seine Eltern? Hmm...

Clive ist nicht der Typ, der alles mit seinen Eltern teilt. Sie haben ein super Verhältnis, aber keines der Sorte: „Mom ich habe gerade über dieses und jenes nachgedacht."

„Holt Candice dich?"

„Nein? Warum frägst du?"

„Dann fährst du Bus?"

„MIT DEM Bus.", korrigiert ihn meine Mutter und die beiden schenken sich einen verspielten Blick.

Ich liebe dieses Spiel der Beiden. Mein Vater, der versucht cool zu sein und Jugendsprache benutzt – seiner Version: Präpositionen weglassen. Und meine Mom, die ihn deshalb immer wieder verbessert, weil er „auch so schon unfassbar cool und IN ist."

Über all die Jahre haben sie nie etwas an diesem Hickhack – oder wie auch immer man das nennen mag – verloren.

Er grinst sie, dann mich an: „Okay, dann fährst du MIT DEM Bus?"

Wieder schüttle ich den Kopf.

„Dann läufst du?"

„Dad, was soll das?", lache ich unsicher. Ich kann die Glut in meinen Wangen spüren.

„Keine Ahnung, ich wollte nur fragen, wie meine Tochter heute in die Schule kommt, ist das verboten?"

„Nein, aber du frägst das sonst nicht."

„Hmm, vielleicht sollte ich das öfter tun."

Wir sitzen seit zehn Minuten am Frühstückstisch und plötzlich fängt mein Vater mit dieser eigenartigen Fragerei an. Es ist doch nur logisch, dass ich mich darüber wundere, oder?

Still kichert meine Mutter vor sich hin. Sobald sie meinem hilflosen Blick begegnet kann ich Erbarmen in ihren Augen lesen und sie nickt mit dem Kopf in Richtung Fenster.

Misstrauisch drehe ich mich herum und mit einem Schlag läuft mein Gesicht kirschrot an.

Hektisch werfe ich einen Blick auf mein Handy. Zweiunddreißig!

Clives Wagen parkt praktisch auf dem Präsentierteller auf der Straße. Das Fenster dient im Grunde als Rahmen.

Ich blicke wieder auf, zu Clive. Er sitzt seelenruhig im Auto, starrt womöglich auf sein Handy und... ich glaube er grinst.

„Ich... ich muss los.", stammle ich peinlich berührt.

Mein Vater grinst mich ironisch an, meine Mutter hoffnungsvoll und ich wünsche mir gerade einfach nur ein riesengroßes Erdloch, in dem ich mir nichts dir nichts verschwinden könnte.

Mir ist nicht einmal peinlich, dass meine Eltern Clive entdeckt haben, sondern das, was sie hineininterpretieren.

„Viel Spaß."

***

Nur ein flüchtiger Blick über meine Schulter und da ist er... Sebastian. Es wäre zu viel zu verlangt – und zu klischeehaft – würde er sich genau in diesem Moment ebenfalls zu mir umdrehen, oder auch nur einmal nach hinten linsen.

Clive | Original | √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt