31. Zerstörer ✔

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A writer, I think, is someone who pays attention to the world. (Susan Sontag)

Song: Good times hard times – Ray Dalton

„Jeder definiert Liebe anders und jeder hat recht. Aber eines spricht ihr jeder zu, dass es ein warmes Gefühl ist. Manchmal so heiß, dass man Angst hat von innen heraus zu verglühen. Ich glaube das ist dann Angst, die Liebe zu verlieren."

Grandma Joy, weise Frau.

Ich lasse die Worte auf mich sinken, als läge ich im Wasser und würde mich willenlos den Wellen hingeben.

Sie waren nicht für mich bestimmt und dennoch stehe ich hinter dem Türrahmen und lausche der weichen Stimme meiner Großmutter, während sie mit meiner Mom spricht.

Der Kontext ist mir unbekannt, dafür war ich zu spät zuhause, aber für diesen Teil hat es mich perfekt ins Haus geweht, buchstäblich. Es ist mir ein Rätsel, weshalb meine Grandma und Mom mich nicht bemerkt haben, doch ich schätze, wenn sie hätten, dann hätte Grandma das nicht gesagt.

Ich schlucke, wenn meine Großmutter so ernst spricht, so tiefgründig, dann ist irgendwas.

Schweigen erfüllt unser Wohnzimmer. Mein Herz schlägt unruhig in meiner Brust. Ich habe das Gefühl, als stünde ich Stunden hier, unfähig mich auch nur einen Millimeter zu bewegen, bis meine Grandma wieder das Wort ergreift. Ihre Stimme ist nun wieder so warm und herzlich wie immer. „Wie geht es meiner Mary? Wo ist sie denn, oben?"

Sobald meine Mutter den Mund aufmacht überkommt mich eine Woge des schlechten Gewissens, ich lausche hier schamlos, während sie über mich spricht. Außerdem ist Grandma offenbar noch nicht allzu lang da...

Meine Grandma, die ich seit einem Monat nicht mehr besucht habe, weil ich „zu beschäftigt" war. Nur zu gerne würde ich mich nun schlagen. Man sollte einfach nicht zu beschäftigt für seine Großeltern sein, ich habe schon keinen Großvater mehr, und trotzdem habe ich nicht daraus gelernt, offenbar...

„Gut, also ja. Sie... ich weiß es nicht. Rosemary spricht zurzeit nicht viel mit mir... ich..." Sie bricht ab. Ich kann hören, wie sie nach Luft schnappt. „Irgendwas ist los, aber ich weiß nicht was."

„Vally, Rosemary ist fast erwachsen, sie passt auf sich auf."

Es sind diese kleinen Dinge, die meine Grandma zu dieser großartigen Person machen, die sie ist und die sie mich bewundern lassen. Sie liest die Menschen und lauscht ihren Worten, ihrer Tonlage, ihren Gefühlen.

Jetzt zum Beispiel... meine Mutter macht sich Sorgen, aber nicht jeder hätte das aus ihren Worten sofort herausgehört. Und meine Mom gibt sich die Schuld daran, das spüre ich – und Grandma anscheinend auch.

„Ich weiß... ich würde einfach nur gerne... ich wüsste einfach gerne wieder wie es ihr geht, verstehst du? Da ist die Sache mit Clive."

„Clive?"

Die Stimme meiner Grandma wird heller, Neugier glänzt heraus.

Meine Mutter kichert plötzlich, ich bin überrascht von ihrem Stimmungswechsel, aber irgendwie beruhigt es mich, dass sie zumindest den Schuldgedanken verschiebt. Gleichzeitig werde ich hellhörig.

Bitte was? Was meint sie „Sache mit Clive"?

Ich verdränge genauso mein schlechtes Gewissen – wegen ihr und wegen des Lauschens –, doch meine Neugier ist größer und mit jedem Kichern wächst mein Misstrauen.

„Die beiden behaupten zwar – wenn einer von ihnen mit Eliza oder mir überhaupt spricht – sie wären nur Freunde, aber wenn du mich fragst... da ist mehr dahinter. Rosemary hat jahrelang einen Aufstand gemacht und immer wieder betont, wie sehr sie ihn hasst und plötzlich war sie zwei Mal bei ihm Übernacht..."

Clive | Original | √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt