5.| 𝒢𝓁ü𝒸𝓀

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Hätte ich damals bereits gewusst, wie diese Augen auf mich wirken würden, dann wäre ich erneut umgezogen..

Nachdem wir Zuhause ankamen, musste ich eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen fand ich mich in meinem Bett wieder. Ich führte meine tägliche Routine durch, jedoch machte ich mir an diesem Tag Wellen in die Haare. Während ich mir meine Outfits für die nächsten Tage bereits rausgelegt hatte, bemerkte ich wie ordentlich und ruhig es hier doch war. Wo war Adrien? Und wann hatte er Bitteschön aufgeräumt? Ich schnappte mir meine Handtasche, meinen USB-Stick, sowie die zugehörige Mappe und machte mich auf den Weg zur Küche.

„Adrien wo steckst du?"

Als ich in das Zimmer neben an lief, um nach ihm zu sehen, bemerkte ich ihn ruhig und tief schlafen. Ich nahm mir einen Stift und einen Notizzettel und schrieb ihm, dass ich mich bereits auf den Weg gemacht hatte und Frühstück in der Küche stehen würde. Kurz lief ich zu seinen Bett und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, sodass an der Stelle ein Abdruck meines roten Lippenstiftes erschien. Mit meiner Hand wuschelte ich durch seine Haare und verließ daraufhin das Zimmer. In der Küche stelle ich ihm Frühstück hin und schaltete die Kaffeemaschine an. Nachdem alles erledigt war, machte ich einige Schritte zur Haustür, um diese zu öffnen und somit die Wohnung zu verlassen. Als ich im Underground Bostons angekommen war, setze ich mich an einen ruhigen Platz und fiel in Gedanken. Wie konnte ich mich am Leben sein, wenn die letzten Jahre mich so tief auf den Abgrund gedrückt hatten? Wie konnte ich nicht aufgeben? Ich wusste genau, dass man aus seinen Fehlern lernen sollte. Genauso war mir klar, dass Dinge die einen nicht umbrachten nur stärker machen würden, doch ich fühlte mich mehr als bloß schwach. Ich war mehr als Selbstbewusst, doch niemand sah die andere Seite meines Lebens. Doch hatten wir nicht alle eine Geschichte, die niemand kannte, ein Kapitel, dass keiner zu Gesicht bekam? Erst als sich jemand zu mir setzen wollte, zuckte ich erschrocken zusammen, als hätte die Person meine Gedanken lesen können.

„Entschuldigen Sie mich vielmals, ich wollte Sie keinesfalls erschrecken"

Ich schaute in das Gesicht des Mannes, der mich charmant anlächelte. Ich schenkte ihm ebenfalls ein warmes Lächeln.

„Sie tragen keine Schuld, ich war in meinen Gedanken versunken"

Er nickte bloß und zog daraufhin seine Hand in meine Richtung. Ich hob verwirrt eine Augenbrauen hoch.

„Ich heiße Amir Zaidan"

Ich zog ebenfalls meine Hand in seine Richtung und schüttelte diese.

„Mira Sainte, freut mich dich kennenzulernen"

Sein Lächeln wurde größer, sodass seine weißen Zähne zu sehen waren. Ich musterte sein restliches Gesicht. Dunkle Braune Haare, hellbraune Augen, sowie ein Bart. Er trug einen hellblauen Anzug und sah wirklich gut aus.

„Die Freude liegt ganz meinerseits Mira Sainte"

Während er das sagte, nahm er meine Hand und drückte einen zarten und kurzen Kuss drauf.

Die Bahn hielt an und ich bemerkte, dass ich bereits angekommen war, sodass ich aufstehen wollte, doch dann zurückgezogen wurde. Der Mann, der sich als Amir herausstellte zog mich am Arm zurück, sodass ich gegen seine harte Brust knallte. Er war also aufgestanden.

„Ich hoffe sehr auf ein Wiedersehen, Mira Sainte", flüsterte er an mein Ohr und ich hätte schwören können, seine Lippen an meinem Ohr gespürt zu haben.

Perplex blieb ich einige Sekunden stehen, bis mir wieder einfiel, dass ich aussteigen musste. Ich drehte mich ein weiteres Mal zu Amir, woraufhin er mir erneut ein warmes Lächeln schenkte, bevor ich endgültig ausstieg und große Schritte auf die Firma machte. Währenddessen mein Kopf noch bei Amir Zaidan war, überlegte ich einfach blau zu machen. Mein Chef hätte es jedenfalls verdient, dass ich ihn bloßstellen würde, für seine Aktion. Die Aktion wäre gut, jedoch würde er denken ich hätte Angst, doch das hatte ich nicht. Er würde denken ich wäre feige, doch Mira Sainte fürchtet sich nicht und ist schon garnicht feige, dafür hatte ich zuviel durchgestanden. Ich atmete tief ein und aus, bevor in den Aufzug betritt. Als ich mich umsah, sah ich mehrere Männer in Anzügen. Als einzige Frau, fühlte ich mich etwas einsam. Die Männer starrten mich förmlich an, während ich ihnen mein schönstes Lächeln präsentierte. Dachten die etwa ich würde peinlich berührt auf den Boden schauen? Nicht mit mir. Als sich der Aufzug öffnete, liefen einige heraus. Ich wartete noch etwas, bevor ich ebenfalls auf den Meetingsraum zusteuerte. Gestern hatte ich zwar alles fertig erstellt, doch ich hatte keine Zeit etwas auswendig zu lernen, sodass meine heutige Präsentation wohl spontan verlaufen müsste. Glücklicherweise liefen meine Präsentationen bereits während der Abitur-, sowie Studienzeit immer wieder spontan ab und ich bestand trotzdem als beste, also war es für mich nicht neues. Ich nahm nochmals tief Luft, bevor ich die Höhle des Löwen oder wie ich es gerne nannte, die Hölle höchst persönlich, betritt. Schon am Türrahmen bemerkte ich das Starren meiner männlichen Kollegen und das Lächeln einiger weiblichen Kolleginnen, sodass ich ebenfalls lächelte und nach vorne lief. Herr Di Rossi war ebenfalls bereits dort, jedoch starrte er die Unterlagen an und schrieb ab und zu etwas drauf. Da noch einige wichtige Personen fehlten, beschloss ich mich schon einmal vorzubereiten. Als sich der Raum oder eher gesagt der Saal füllte, wartete ich noch einmal, bevor ich mich räusperte und alle Augenpaare auf mir lagen. Auch die eisblauen Augen von Herr Di Rossi. Mir fehlte der alte Herr Di Rossi jetzt schon und dabei war es erst der zweite offizielle Tag, dem sein Sohn in der Firma verbrachte.

„Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich Sie heute hier Begrüßen zu dürfen. Wie sie bereits per Mail zugeteilt bekommen haben, werde ich Ihnen heute eine Auswertung zu den letzten Monaten präsentieren, sowie einige wichtige Punkte zuvorkommen lassen."

Während ich meine Präsentation vorzeigte, bemerkte ich immer wieder das Nicken einiger Kollegen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich fertig war. Es war eine viertel Stunde vergangen. Nach einem klatschen meiner Kollegen und Kolleginnen, meldeten sich einige Hände.

„Denken Sie das wir in ein europäisches Unternehmen investieren sollten?", fragte ein etwas älterer Mann und schaute mich dabei an.

„Ich denke das uns internationale Partner gut tun und wir dadurch Werbung machen können, sodass wir dadurch einen höheren Umsatz und Mitarbeiter beanspruchen können", antworte ich selbstbewusst, woraufhin dieser mir erstaunt zunickte.

Als Herr Di Rossi seine Hand hob, wurde es leise und auch einige Hände die eben noch oben waren, waren nun unten.

„Haben Sie bereits einige europäische Unternehmen im Auge?"

Hatte ich bereits erwähnt, wie unverschämt dieser Mann war. Ich meine, ich hatte ihn nicht einmal drangenommen und er nahm sich das Recht zu sprechen. Trotzdem blieb ich höflich und nickte ihm zu.

„Meinen Recherchen nach zu folge, sind hierbei einige Deutsche Unternehmen, sowie einige aus Italien und Frankreich, die besonders ins Auge fallen. Ich haben Ihnen dazu eine Statistik mitgebracht, die ich gleich austeilen werde. Hierbei kann man genau erkennen, welche Erfolge, sowie welchen Umsatz die Firmen machen. Wenn wir eine Partnerschaft mit ihnen eingehen, wird unser Firma international."

„Welche Vorteile würden Sie bringen?"

Ich schaute ihn erneut an und erkannte sein provokantes Lächeln, sodass ich mich entschloss den Spieß einfach umzudrehen.

„Die Vorteile habe ich bereits in meiner Präsentation klar gennant, außer Sie haben es nicht mitbekommen, da Sie mit anderen Dingen beschäftigt waren. Soll ich Die Vorteile nochmals für Sie wiederholen?", fragte ich provokant und hob dabei eine Augenbrauen.

Seine Gesichtszüge wurden hart und ich wusste genau, dass es ihm zum kochen brachte, dass ich mich ihm wiedersetzte, doch er war selber Schuld.

„Nicht nötig Frau Sainte"

„Gut, dann beende ich hiermit die Präsentation. Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne an mich wenden"

Erneut klatschen alle und lächelten mich an. Auch nach der Präsentation bekam ich viele Komplimente. Als alle den Raum verließen, bemerkte ich das einer fehlte. Ich wusste das er extra mehr Leute geschickt hatte, damit ich den Vortag im Meetingsraum, statt im Konferenzraum halten müsste. Er dachte anscheinend, dass ich mich somit zum Affen machen würde, doch er hatte sich eindeutig geirrt.

„FRAU SAINTE"

Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und schaute in die Augen meines Chefs.

„Ja?"

„Ich möchte das Sie einige Termine mit dem Unternehmen aus Europa veranstalten. Das Meeting wird nächste Woche stattfinden."

Ich nickte bloß langsam. Das war's? Kein: „Sie waren großartig" oder ein „Ihnen ist die Präsentation gelungen". Dieser Mann bringt mich wirklich zum Kochen.

„Immer diese Extrawünsche", flüsterte ich zu mir selber.

„Wie bitte, haben Sie etwas gesagt?" Er hob dabei eine Augenbrauen

Oh man, der war ja auch noch da.

„Nein"

Er nickte bloß, bevor er sich umdrehte und auf sein Büro zusteuerte.

„Da wäre noch etwas"

Ich drehte mich um und sah ihn interessiert an.

Was hat er denn noch auszusetzen?

Hätte ich damals schon gewusst, dass hinter der kalten Fassade viel mehr ist, dann hätte ich ihn mit anderen Augen angesehen..

𝖉𝖆𝖓𝖌𝖊𝖗𝖔𝖚𝖘 𝖊𝖞𝖊𝖘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt