Ich bin am Arsch.

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Ein paar Tage vergehen und ich versuche einen geregelten Alltag zu haben.
Ich wohne noch immer bei Zayn, welcher allerdings kaum zu Hause ist. Er ist die meiste Zeit bei Liam, der mich noch immer ignoriert. Die Suche nach einer eigenen Wohnung gestaltet sich auch mehr als schwer. Wenn mir dann mal eine Wohnung gefällt, was nicht schwer ist, denn ich bin wirklich nicht wählerisch, dann kann ich sie mir nicht leisten. Oder aber sie ist so weit Außerhalb, dass sie einfach nicht in Frage kommt.
Meine Mittagspause mache ich nie - ich will einfach nicht. Niall kommt aber immer zu mir und bringt mit ein Sandwich. Er redet noch mit mir, versucht irgendwelche Pläne vorzuschlagen, damit Harry mit mir redet. Aber egal was der Ire vorschlägt, in meinen Ohren klingt es albern. Ich zumindest glaube nicht, dass Harry mir freudestrahlend in die Arme springt, wenn ich mit einer Schachtel Pralinen bei ihm auftauche.
Einmal habe ich ihn gesehen. Gestern, er ist in den Fahrstuhl gestiegen. Mein Herz hat sich schmerzhaft zusammen gezogen und ich musste mich in die Toilette flüchten, damit keiner sieht, dass ich in Tränen ausbreche. Er fehlt mir. Alles an ihm.

Als es an diesem Tag spät abends wird, als ich endlich fertig bin, verstaue ich müde meine Sachen. Ich betrete den Fahrstuhl, doch bevor ich den Knopf für das Erdgeschoss drücken kann, halte ich inne. Ob Harry noch hier ist? Ich will ihn nur einmal sehen. Nur einmal seine Stimme hören.
Ohne wirklich darüber nachzudenken drücke ich den Knopf für seine Etage.
Mein Magen rebelliert, je höher ich komme und meine Hände fangen verdächtig an zu zittern.
Meine Beine tragen mich von alleine zu seinem Büro und als ich davor zum stehen komme, wird mir erst klar, wo ich hier eigentlich bin. Was verdammt habe ich mir gedacht? Soll ich jetzt einfach in sein Büro gehen und Hallo sagen?
Ich rolle mit meinen Augen und drehe mich wieder um. Es war eine dumme Idee und ich wette, dass Harry mich eh rausgeschmissen hätte.

Als ich jedoch wieder zum Fahrstuhl gehen will, geht die Tür hinter mir auf und ich halte die Luft an.
Scheiße.
Scheiße, scheiße, scheiße!
Wie in Zeitlupe drehe ich mich um und starre direkt in Harrys grüne Augen.
Die Welt steht für einen Moment still und auch er scheint geschockt zu sein, mich hier zu sehen.
Er ist wunderschön, auch wenn seine Augen müde aussehen und er abgenommen hat. Es ist sicherlich nicht viel, aber mir fallen sofort seine Wangenknochen auf, die deutlicher den je hervor stechen.
Messerscharf brennen sie sich in meine Augen und ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter, merke wie mein Herz heftig gegen meine Brust hämmert.
"Was willst du hier?", erklingt seine Stimme und wirkt so unheimlich fremd. Sie ist kalt, dominant und schüchtert mich verdammt ein.
Ich will ihm etwas antworten, aber mir bleiben die Worte im Hals stecken.
Ja, was will ich eigentlich hier?
"Louis", schmettert seine Stimme mir entgegen und fordernd sieht er mich an. Meine Schultern sacken nach unten, meine Körperspannung lässt nach und ein Seufzen verlässt meine Kehle.
Scheiß drauf, ich sage ihm jetzt einfach wie ich mich fühle.
"Du fehlst mir", gestehe ich und traue mich nicht, ihm in die Augen zu schauen.
Von ihm kommt nur ein Schnaufen, aber mehr habe ich auch nicht erwartet.
"Ich....ich weiß einfach nicht, wie ich mich bei dir entschuldigen soll, Harry." Nun hebe ich doch meinen Blick, traue mich ihm in die Augen zu schauen. "Ich...es tut mir so unendlich Leid, aber ich schwöre dir, dass meine Gefühle nicht gelogen sind. Ich...scheiße Harry, ich liebe dich".
Für einen kurzen Moment werden seine kalten Gesichtszüge weich, doch schneller als ich gucken kann setzt er wieder seine Maske auf und wirkt binnen weniger Sekunden eiskalt.
"Können wir vielleicht noch einmal in Ruhe über alles reden? Vielleicht bei einem Essen? Ich lade dich ein und....ich....also, ich kann dir alles genau erklären und  ja". Unsicher kratze ich mir an meinem Hinterkopf und senke wieder meinen Blick. Ich halte seinem stechenden Blick einfach nicht stand.
Sonst macht mich seine dominante Art ja an, aber dieses Mal ist es eher das Gegenteil.
Harry bleibt still, antwortet mir nicht und langsam aber sicher sackt die Erkenntnis zu mir durch, dass er es nicht will. Beklommen nicke ich. "Okay, ich verstehe", hauche ich leise, drehe mich um und gehe zum Fahrstuhl. Ich habe es wirklich verbockt. Spätestens, als Harry mir seine Geschichte erzählt hat, hätte ich ihm die Wahrheit sagen sollen. Er hat mir vertraut und das war ein verdammt großer Schritt von ihm. Natürlich ist er zu tiefst verletzt. Ich kann es sogar verstehen. Er fühlt sich ausgenutzt und belogen, fühlt sich verarscht und weiß sicherlich nicht, was alles gelogen war und was nicht.
Die Fahrstuhltüren öffnen sich und ich traue mich nicht noch einen Blick auf ihn zu werfen.
Mein Herz blutet eh schon.
Vielleicht sollte ich mir einen neuen Job suchen. Vielleicht. Aber das wird nicht einfach ohne Abschluss.
"Louis".
Erschrocken zucke ich zusammen und hebe meinen Kopf.
Harry sieht mich an, scheint innerlich mit sich zu ringen, dass kann man ihm deutlich ansehen.
"Morgen Abend. Ich hole dich ab".
Mein Herz hüpft vor Erleichterung auf und sofort rast mein Puls. Eifrig nicke ich, kann das breite Lächeln nicht aus meinem Gesicht wischen. "Danke".
Harry schüttelt den Kopf, geht ohne ein weiteres Wort zurück in sein Büro, doch das ist okay. Er geht mit mir essen und das ist alles, was mein schmerzendes Herz gerade realisiert.
Hoffnung keimt in mir auf, auch wenn ich mich ermahnen muss, dass er sicherlich nur eine Erklärung für alles will.

Mit guter Laune betrete ich wenig später die Wohnung von Zayn. Summend hole ich die Post aus dem Briefkasten, lege sie auf den kleinen Tisch in der Küche und schnappe mir eine Tiefkühlpizza.
Ich muss mir überlegen wo wir essen gehen. Und ich muss einen Tisch reservieren.
Gott, was soll ich nur anziehen?
Mit meiner Pizza setze ich mich an den Tisch, schaue die Post durch. Ich habe einen Nachsendeauftrag erstellt, damit ich weiterhin Post bekomme. Sie wird zu Zayn geschickt.
Außer Werbung ist allerdings nichts für mich dabei. Denke ich. Doch dann lese ich doch meinen Namen. Stirnrunzelnd begutachte ich den grauen Umschlag und merke, wie ich nervös werde, als ich den Stempel vom Amtsgericht erkenne.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch öffne ich den Brief, überfliege die ersten Sätze.
Nein.
Scheiße.
Mir wird schlecht.
Das hat er nicht getan. Bitte nicht.
Ich bin am Arsch.

SnooperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt