Velez versucht, so gut es geht, zu laufen, aber sie lässt ihr Brot auf den Boden fallen.
"Verdammte Scheiße", murmelt sie und versucht ihr Brot im Dunkeln wiederzufinden. Als sie es hat, geht sie vorsichtig weiter, damit sie nicht nochmal stolpert.
"VELEZ, QUERIDA", schreit Palermo und erscheint aus dem Nichts in der Dunkelheit.
"Ah, du Hurensohn", sagt Velez. Sie bleibt stehen, schließt ihre Augen und versucht nach dem Schrecken wieder normal zu atmen. Sie hört Palermo laut lachen. Als sie ihre Augen wieder öffnet, sieht sie ihn dort in seiner Pyjamahose, ohne Hemd, und mit einer Flasche Alkohol in der Hand stehen. Velez runzelt die Stirn. "Bist du betrunken?"
"Nein, ganz und gar nicht", sagt Palermo und behält sein Lächeln bei. Aber Velez' Aufmerksamkeit wird auf die Flasche in seiner Hand gelenkt und sie geht wütend auf ihn zu.
"Ist das mein Smirnoff?", fragt sie laut.
"Das wird man wohl nie erfahren." Es ist ihr Wodka. Sie reißt ihm die Flasche aus der Hand und sieht, dass noch weniger als die Hälfte drin ist.
"Komm schon, Arschloch, das ist meiner. Du bist doch auch aus Argentinien. Du weißt genau, dass wir wegen des Smirnoff in den Arsch getreten werden und du klaust ihn mir", sagt sie verärgert.
"Ich kauf dir 15 davon", sagt er und beugt den Kopf zu ihr herunter. Velez dreht in einer ungläubigen Bewegung ihren Kopf weg und Palermo fällt zu Boden.
"Uh, Idiot", sagt Velez und Tokio kommt aus ihrem Zimmer.
"Was ist passiert?", fragt Tokio, während sie angerannt kommt.
"Er ist betrunken. Hilf mir", sagt Velez und gibt Tokio das Brot, den Aufschnitt und die Limoflasche.
"Da hattest du aber ein schönes Picknick vor", sagt Tokio und guckt sich das ganze Essen in ihren Händen an. Velez beugt sich vor und versucht mit aller Kraft Palermo, der laut lacht, hochzuziehen. "Warum sollte er sich einen Tag vor dem Überfall betrinken?", fragt Tokio.
"Haltet die Klappe", sagt Palermo und stützt sich bei Velez ab. Velez bringt ihn zu ihrem Zimmer. "Ich lass dich jetzt los", sagt sie und Palermo bricht auf Tokios Bett zusammen. Velez guckt zu Tokio und bedankt sich für ihre große Hilfe.
"Hey, immerhin hab ich dein Picknick getragen", lacht sie und legt das Essen auf einen kleinen Tisch, der in ihrem Zimmer steht. Velez schaut zu Palermo und überlegt, was sie jetzt machen soll.
"Willst du in meinem Bett schlafen?", fragt sie Tokio.
"Auf keinen Fall", antwortet sie. "Du kümmerst dich um den Kerl. Ich muss mich ausruhen und du dich auch, denn morgen ist der Überfall. Ich werde in seinem Zimmer schlafen", sagt sie und blickt zu ihm.
"Gut, geh", sagt Velez und Tokio verabschiedet sich von ihr, geht, schließt die Tür und lässt sie allein. Velez blickt zu Palermo, der immer noch im Bett liegt und zu schlafen scheint. Sie seufzt und fährt mit ihrem Picknick fort. Während sie isst, beobachtet sie Palermo ganz genau. Er liegt da, mit dem Gesicht nach oben, die Pyjamahose sitzt etwas tief, sodass man den Gummizug seiner Boxershorts sehen kann. Sein nackter Bauch geht auf und ab und seine Haare sind zerzaust. Velez ist sich bewusst, dass Palermo in diesem Zustand sogar recht attraktiv ist und sie fragt sich, warum er jedes Mal, wenn er den Mund aufmacht, so frauenfeindlich und ekelhaft sein muss. Nachdem sie aufgegessen hat, will sie das Licht ausmachen, doch genau in diesem Moment wacht Palermo auf.
"Uff", sagt er und setzt sich auf und Velez setzt sich zu ihm.
"Wenn du kotzen musst, erschieß ich dich", droht sie ihm. Palermo fängt wieder an zu lachen und Velez rollt mit den Augen, weil er immer noch betrunken ist.
"Lass uns tanzen", sagt er und steigt schwankend aus dem Bett. Velez macht sich nicht einmal die Mühe ihn aufzuhalten. Sie sieht nur zu, wie er sich auf die Unterlippe beißt, um nicht zu lachen.
"Palermo, geh ins Bett und schlaf!"
"Was schlafen? Tanzen", stolpert er über seine Worte, während er zum Plattenspieler geht, den Tokio in Beschlag genommen hat. Palermo hockt sich vor ihn hin und versucht die Platte einzulegen.
"Palermo, mach das aus", flüstert sie ihm zu, doch er schüttelt nur seinen Kopf und lächelt breit.
"Nein", sagt er wie ein Fünfjähriger.
"Palermo, der Professor wird kommen und uns erschießen. Es ist ein Uhr morgens", sagt sie und steigt aus dem Bett. Auch Palermo steht auf und fängt an zu tanzen.
"Jedes Mal, wenn ich dieses Lied höre, fange ich an zu tanzen", sagt er und bewegt seine Arme. "Und ich gehe dorthin zurück. In die Disco im hintersten Teil von Buenos Aires und ich tanze, tanze wie damals, als die Schmerzen noch nicht da waren", sagt er, versunken in seinem kleinen Tanz. Velez schaut ihn an, doch sagt nichts. So hat sie ihn noch nie gesehen. "Mach mal so", verlangt er und zeigt ihr einen Tanzschritt. Velez lacht.
"Das werde ich nicht tun", sagt sie.
"Bitte", bettelt er und geht auf sie zu. Er legt seine rechte Hand auf ihren Rücken, während er mit der linken Hand ihre Hand ergreift und so tut, als würde er mit ihr Tango tanzen. Velez ist ganz überrascht von Palermos Aktion und lacht nervös in seinen Armen, während sie an seine nackte Brust gedrückt ist. "Das ist es! Sehr gut", sagt er und drückt sie noch fester an sich, damit sie nicht flüchten kann. Velez lacht und hat keine andere Wahl, als mit ihm zu tanzen.
"Genug, du musst ins Bett", sagt Velez lachend und schließlich lässt Palermo sie los. Velez seufzt erleichtert auf und schaltet die Musik aus. Als sie sich wieder umdreht, sieht sie Palermo mit gesenktem Kopf auf den Boden sitzen. Sie bekommt Angst.
"Geht's dir gut?", fragt sie und setzt sich gegenüber von ihm hin. "Musst du dich übergeben?" Palermo schüttelt den Kopf und Velez bemerkt, dass seine Augen feucht sind.
"Ich vermisse ihn", sagt er plötzlich und Velez versteht nicht, was er damit meint.
"Was?" Palermo seufzt traurig auf.
"Ich vermisse ihn", wiederholt er.
"Wen vermisst du?"
"Berlin", sagt er und Tränen laufen über seine Wange. Velez' Herz bricht, als sie ihn so sieht.
"Alle vermissen ihn. Selbst ich und ich hab ihn nie persönlich kennengelernt", sagt sie, aber Palermo unterbricht sie.
"Nein. Du verstehst das nicht. Keiner vermisst ihn so wie ich", sagt er und wischt sich eine Träne weg. "Er war für mich unersetzlich", sagt er und senkt den Kopf. Velez schlingt ihre Arme fest um ihn und drückt ihn an ihre Brust, damit er weinen kann. Palermo umarmt sie fest, als ob er Schutz suchen würde. Sie spürt seine Tränen auf ihrer Haut und ihr Herz bricht erneut, weil sie ihn noch nie so gesehen hat, geschweige denn dachte, ihn je so zu sehen. Velez sagt nichts, sondern hört einfach nur zu, wie sich Palermo langsam beruhigt, bis er schließlich nicht mehr weint.
"Schlaf", bittet sie ihn und Palermo lässt Velez langsam los und läuft, immer noch leicht betrunken, zu Tokios Bett. Er legt sich hin und schläft in Sekundenschnelle ein. Velez deckt ihn zu, macht das Licht aus und legt sich in ihr Bett. Nach langer Zeit schafft sie es einzuschlafen. Sie fällt in einen tiefen Schlaf, aber etwas weckt sie auf. Das Geräusch der Schlafzimmertür. Es ist Tokio. Orientierungslos schaut Velez auf Tokios Bett, aber Palermo ist nicht mehr da. Sie schaut auf ihre Uhr, die 4.05 Uhr anzeigt und sie stellt fest, dass sie drei Stunden geschlafen hat. Tokio kniet sich zu ihr und flüstert.
"Palermo ist bereits nüchtern und schläft in seinem Bett", sagt sie. Sie legt sich auf ihr Bett und auch Velez legt sich wieder hin und denkt an das, was vor ein paar Stunden passiert ist, aber noch wichtiger ist: Heute ist der Überfall.
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La Casa de Papel (Palermo) // Übersetzung
FanfictionEin Argentinier, der für den Banküberfall in Spanien verantwortlich ist? Okay. Aber zwei Argentinier beim Überfall auf die spanische Bank? Regel Nummer eins des Professors: keine persönlichen Beziehungen, um Emotionen und Hindernisse beim Überfall z...