L I S A
"Jetzt erklärt sich mir vor allem auch der VIP-Bereich", grummelte ich, immer noch etwas beleidigt. Ich konnte einfach nicht fassen, dass es keiner, vor allem Nesrin nicht, mal für nötig gehalten hatte, zu erwähnen, dass ich mit einem erfolgreichen Rapper rumgemacht hatte.
Dieser VIP-Bereich hier war echt ein anderes Level und mit dem anderen Club nicht zu vergleichen. Ich fühlte mich in der Sekunde underdressed und völlig fehl am Platz, als ich aus dem VIP-Fahrstuhl in die schwarz-weiß gestaltete Lounge trat. Schummriges violettes Licht verstärkte noch das 'wir hier oben sind was Besseres'-Feeling. Man konnte sogar durch eine Glasscheibe hinunter auf die Dancefloors schauen. Auf das gemeine Fußvolk, sozusagen, während man hier oben Champagner schlürfend zu abgeflachten Beats faul die Hüften hin und her schwang. Das zumindest taten gerade die zwei Frauen, die Sasan unterwegs noch abgeholt hatte. Ich hatte schon wieder ihre beiden Namen vergessen. Für mich waren sie bloß 'Plastik-Busen' und 'Botox-Lippe'. Normalerweise bin ich ja nicht so gemein, und vielleicht waren die beiden echt nett. Aber schon in dem Moment, als Botox-Lippe sich übertrieben grazil ihre Haare über die Schulter geworfen und Volkan mit Küsschen rechts, Küsschen links und einem Blick in den Augen, der förmlich "nimm mich jetzt und hier" schrie, begrüßt hatte, wusste ich, wir werden keine besten Freundinnen.
Auf dem Weg hierher hatte ich Volkan mit Fragen gelöchert. "Jurastudium also?", hatte ich schnippisch gefragt.
"Ich hab wirklich nach dem Abi damit angefangen", erklärte er entschuldigend. "Hab dich nicht angelogen. Nebenbei hab ich das mit der Musik gemacht, aber das wurde dann irgendwann so groß, dass es einfach nicht mehr ging..."
So hatte er mir erzählt, wie er bei Bausa (noch so einer, den ich nicht kannte, aber dessen Name mir zumindest etwas sagte) unter Vertrag genommen wurde. Singles, EP's. Wie 'Roller' völlig durch die Decke ging und er seiner Mutter ein Auto kaufte; Konzerte, Tours und falsche Freunde.
"Ich fand es mal ganz nett, jemanden zu treffen, der mich als Volkan kennenlernt. Nicht als Apache."
"Ich versteh's. Soweit ich das kann, zumindest", hatte ich eingelenkt. Sauer war ich auf ihn nicht, aber ich würde wohl ein paar Tage brauchen, um diese Neuigkeit gänzlich zu verarbeiten. Für mich war er immer noch einfach bloß Volkan.
Am schwersten wog für mich momentan die Erkenntnis, dass ich wohl mit meiner Einschätzung, dass er ein Weiberheld sei, nicht Unrecht gehabt hatte. Ich schien die Ausmaße dessen sogar eher unterschätzt zu haben. Das Klischee der steinreichen Rapper, die nicht nur jedes Wochenende eine andere, sondern an einem Wochenende auch mal mehrere gleichzeitig hatten, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und die Tatsache, dass ich für ihn wahrscheinlich nur einer von zahlreichen schnellen Aufrissen war, schon gar nicht.
Andererseits konnte ich mich natürlich auch irren. Klischees müssen nicht immer der Wahrheit entsprechen. Ich sollte aufhören, in den Menschen immer gleich das Schlechte zu sehen.
An welche der beiden Varianten glaubte ich wirklich, und welche redete ich mir nur ein, weil sie mir besser in den Kram passte? Sicher wusste ich nur eines: er verdrehte mir absolut den Kopf.
Ich stand in einem kleinen Kreis mit Alex und Timo, beteiligte mich aber nicht an deren Konversation. Stattdessen beobachtete ich, wie Botox-Lippe ihrer Freundin etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin die beiden ihre Sektgläser an der Bar abstellten und in Richtung der Sofas stolzierten, auf denen Volkan saß. Eine setzte sich links, die andere rechts von ihm hin. Botox warf ihre Haare schon wieder so übertrieben lasziv über die Schulter und sagte etwas zu ihm, das Plastik zum Lachen brachte.
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Alles, was ich seh', bist du
Fanfiction"Wollen beide frei, aber nie alleine sein" (Fan-Fiction zu Apache 207)