Volkan: kommt ihr samstag mit ins Loft?
Es war fast zwei Wochen her, dass wir zusammen im Westpoint gewesen waren. Seitdem hatten wir keinen Kontakt gehabt. Ich fragte mich, wie er davon ausgehen konnte, dass plötzlich wieder alles normal war. Hatte er denn keinerlei Menschenkenntnis? Oder war das ein Versuch, sich wieder anzunähern?
Lisa: Hab schon was vor
Volkan: was denn?
Lisa: Hab ein Date.
Volkan: alles klar.
Volkan: schon bisschen low, mir das jetzt unter die nase zu reiben, oder?
Lisa: Bitte!? Du hast gefragt!
Volkan: jo vergiss es
Lisa: Ich finds low, mich erst zu ficken und direkt danach 'ne Andere zu knallen.
Volkan: war mir so klar, dass du doch wieder damit anfängst. erst einen auf locker machen und dann doch rumheulen
Lisa: Wozu genau bist du eigentlich grade so aggressiv?
Volkan: weil es mich ankotzt, dass du nicht mal ehrlich sein kannst
Lisa: Und mich kotzt es an, dass du nicht die Eier hast, mir ehrlich zusagen, dass ich dir nichts bedeute.
Volkan: ich sag es nicht, weil es nicht stimmt.
Volkan: aber ich wünsche dir viel spaß bei deinem date.
Lisa: Mir wird langsam klar, warum keine deiner Beziehungen gehalten hat. Weil du deinen Schwanz nicht in der Hose behalten kannst.
Volkan: und mir wird klar, warum du noch nie eine hattest. weil es mit deinen Stimmungsschwankungen keiner aushält.
Ich pfefferte mein Handy aufs Bett und wischte mir wütend die Tränen aus den Augen. Schuldgefühle kamen in mir auf. Ich hätte nicht persönlich werden dürfen.
* * *
Ich verbrachte den restlichen Abend damit, die Wohnung zu putzen, ein Hähnchen-Filet in der Pfanne anbrennen zu lassen und mir letztendlich Pizza zu bestellen. Gegen Mitternacht nahm ich mir vor, meinen Schlafrhythmus in Zukunft mal wieder auf die Reihe zu bekommen und stellte meinen Wecker von 6:30 auf 8 Uhr. Die erste Vorlesung konnte ich ruhig mal ausfallen lassen.
Ich wollte mich gerade hinlegen, da ließ mich das laute Leuten der Türklingel zusammenzucken. Wer konnte das sein, um die Uhrzeit? Nesrin? Ich ging zur Tür und sah, dass die Gegensprechanlage blinkte. Ein mulmiges Gefühl kam in mir auf. Ich fragte mich, ob ich den Hörer abnehmen sollte, oder nicht. Bilder aus Horrorfilmen liefen vor meinem geistigen Auge ab. Mit ohrenbetäubender Lautstärke, da ich nun direkt daneben stand, schrillte die Klingel erneut auf. Ich fasste mir ein Herz. "Hallo?", sagte ich in den Hörer.
"Macchhh malll bitte aufff", lallte eine tiefe Stimme am anderen Ende. Jegliche ängstliche Anspannung wich von mir und verwandelte sich in eine seltsame Mischung aus Wut und Erleichterung. Ich drückte auf den Türöffner und wartete auf der Schwelle meiner Wohnungstür darauf, dass Volkan hochkam. Langsame, schwere Schritte hallten durch das Treppenhaus und mehr als einmal klang es so, als würde er stolpern. Es tat mir nicht sonderlich leid. Sollte er sich doch aufs Maul legen.
Schwer atmend stand er schließlich vor mir. Er stützte sich am Türrahmen ab und beugte sich zu mir herunter, als wollte er mir einen Kuss geben. Ich wich aus und er taumelte leicht nach vorn. Sein Atem roch nach Alkohol und Zigaretten. Das positivste an seinem Zustand war, dass er sich noch nicht vollgekotzt hatte, aber das konnte nur noch eine Frage der Zeit sein.
"Was willst du?", fragte ich hart. Noch ließ ich ihn im Hausflur stehen.
"Dich sehen", presste er hervor.
"Du bist doch nicht ernsthaft in dem Zustand noch Auto gefahren, oder!?"
"Taxi", antwortete er knapp, weil er zu mehr nicht in der Lage zu sein schien.
Ich sah ihm einen Moment beim Schwanken zu, dann trat ich zur Seite, um ihn hereinzulassen. Es wäre unverantwortlich gewesen, ihn so wegzuschicken. Er taumelte an mir vorbei, fand mein Bett und ließ sich mit einem Ächzen darauf fallen. Ich ging in die Küche, um ein Glas mit Leitungswasser zu füllen und einen Eimer zu holen, und stellte ihm beides hin.
"Trink. Wenn du kotzt, dann am besten ins Klo, aber triff bitte zumindest den Eimer."
"Iccchhh kotze nicht", lallte er und leerte das Wasserglas. Anschließend saß er zusammengesunken ein paar Minuten auf meiner Bettkante. Ich fragte mich gerade, ob er im Sitzen eingeschlafen war, da schnappte er sich den Eimer und übergab sich heftig.
Beim Geruch von Erbrochenem kommt es bei mir echt hoch.
Ich presste mir fest die Hand auf den Mund und versuchte, möglichst flach zu atmen. Trotz all meiner Wut auf ihn konnte ich ihm nicht dabei zusehen, wie es ihm so schlecht ging, und weiter böse auf ihn sein. Ich setzte mich neben ihn und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Sanft streichelte ich seinen breiten Rücken, während er sich zwei weitere Male in den Eimer übergab. Ich kämpfte derweil mit meinem eigenen Würgereiz, blieb aber stark. Als es irgendwann vorbei zu sein schien, nahm ich ihm den Eimer ab und machte ihn im Bad sauber. Ich versuchte, dabei so wenig wie möglich zu atmen.
Es gelang mir, nach einigem guten Zureden und viel körperlicher Anstrengung, den 100-Kilo-Mann ins Badezimmer zu bewegen und ihn dazu zu bringen, sich die Zähne zu putzen und die nach Qualm und Schweiß stinkenden Klamotten auszuziehen. Nur in Unterhose und mit einer gewaltigen Fahne lag er anschließend wieder in meinem Bett und hielt sich den Kopf.
"Wieder besser oder musst du nochmal?", fragte ich ängstlich.
"Besser", antwortete er und klang tatsächlich schon etwas nüchterner.
Ich löschte das Licht und legte mich neben ihn. Nachdem wir eine Weile nebeneinander in der Dunkelheit gelegen hatten, begann er, zu sprechen. "Es tut mir so leid, Liz. Alles. Was ich geschrieben habe. Was ich gemacht habe. Du hast das alles nicht verdient. Wenn ich auch nur ein bisschen Anstand hätte, würde ich dich in Ruhe lassen."
Ich antwortete nicht.
"Ich will dich aber nicht in Ruhe lassen", sagte er langsam und klang dabei, als würde er jeden Moment einschlafen. "Ich bin zu egoistisch."
"Was willst du eigentlich, Volkan?", fragte ich nun doch.
"Dich, Baby", murmelte er noch leiser als zuvor. Ich machte gerade den Mund auf, um ihm zu antworten, da stieß er ein kleines Schnarchen aus. Seufzend drehte ich mich um und versuchte, ebenfalls einzuschlafen, doch meine Gedanken rasten.
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Alles, was ich seh', bist du
Hayran Kurgu"Wollen beide frei, aber nie alleine sein" (Fan-Fiction zu Apache 207)