Kapitel 18 - Die Augen sind das Tor zu deiner Seele

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V O L K A N 

  "Und?"

  "War richtig lecker", seufzte sie und schlug die Hände über dem Bauch zusammen. Sie war keine von den Mädchen, die immer etwas auf dem Teller ließen, was der Freund dann aufessen musste. Leider.

  "Warum bist du eigentlich so weit von zuhause weggezogen?", nahm ich unser Gespräch von eben wieder auf.

  "Die Entscheidung habe ich mehr aus dem Affekt getroffen. Ich hab mich bei mehreren Unis beworben, unter anderem in meiner Heimatstadt – weshalb jedem, vor allem meiner Mutter, klar war, dass ich weiterhin zu Hause wohnen bleibe. Genau diese Selbstverständlichkeit hat mich aber irgendwie genervt. Irgendwann will man ja schließlich ein eigenes Leben anfangen."

  "Und, bereust du es?"

Sie wollte gerade antworten, da hörte ich durch die Scheibe, neben der wir saßen, ein dumpfes Kreischen. Mein Kopf zuckte in die Richtung der Ursache und ich sah zwei Mädchen, vielleicht um die 15, die von draußen ihre Gesichter an die Scheibe pressten.

  "Ich glaube, du wurdest entdeckt", sagte Lisa. Sie klang, als wüsste sie nicht ganz, was sie von der Situation halten sollte. 

Oh nein, doch nicht jetzt! Die Tür des Restaurants wurde aufgerissen und die zwei Mädchen kamen kichernd herein. Die eine schien ihre Freundin hinter sich herzuziehen.

  "Hey, du bist Apache", sagte sie mutig. Ihre Freundin schien im Erdboden versinken zu wollen. "Können wir ein Foto mit dir machen?"

  "Klar", antwortete ich etwas widerwillig.

Das Mädchen fummelte an ihrem Handy herum. Ihr Blick fiel auf Lisa, die peinlich berührt dasaß. "Kannst du uns fotografieren?" Sie drückte Lisa ihr Handy in die Hand. Etwas schockiert nahm sie es und machte ein paar Fotos von mir und den beiden Mädchen. Ich verzichtete darauf, ihnen die Arme um die Schultern zu legen. Die Bilder sahen wahrscheinlich ziemlich verkrampft aus.

  "Danke!", sagte die Mutige und wurde nun ihrerseits von ihrer Freundin aus dem Restaurant gezogen. Beide kicherten immer noch.

Ich setzte mich wieder und traute mich kaum, Lisa anzusehen. Sie schien immer noch nicht zu wissen, wie sie reagieren sollte.

  "Wo waren wir gerade?", fragte sie schließlich und schien sich dafür entschieden zu haben, so zu tun, als ob nie etwas gewesen wäre.

  "Ob du es bereust, hergezogen zu sein", sagte ich schnell.

  "Nein", beantwortete sie die Frage und sah mich gedankenverloren an. Ich erwartete fast, dass sie "Schließlich hätte ich sonst nie dich getroffen"  anfügen würde, aber leider tat sie es nicht.

  "Sag mal", wechselte ich betont beiläufig das Thema, "läuft eigentlich was zwischen dir und Sasan?"

  "Wieso, hat er was gesagt?", fragte sie und hob die rechte Augenbraue. Ich liebte es, wenn sie das tat.

  "Nein. Ich dachte nur, weil ihr öfter zusammen abhängt."

  "Wir sind nur Freunde. Ich mag ihn sehr, aber mal unter uns, ich glaube, er steht eher auf Nesrin. Redet ihr Jungs denn nicht über sowas?"

  Ich zuckte mit den Schulter. "Nicht so, nein."

Ich hatte mit Sasan nicht darüber gesprochen, weil ich keine Lust darauf hatte, dass er mich fragte, was denn zwischen mir  und Lisa lief. Darauf hatte ich zum jetzigen Zeitpunkt einfach keine Antwort. Ich hatte wirklich keinen Kopf für irgendwelchen Beziehungs-Scheiß. Das war schon in der Vergangenheit nie gut ausgegangen, und ich hatte einfach keinen Bock, mich jedes Wochenende auf die 'Wo warst du und warum hast du schon wieder so viel gesoffen'-Diskussion einzulassen. Auf der anderen Seite ertappte ich mich immer öfter dabei, wie ich an sie dachte. An ihre wunderschönen, riesigen blauen Augen. Daran, wie sie aufleuchteten, wenn sie über etwas sprach, das sie mochte – sei es ihre Katze zuhause, oder eine Salami-Pizza, oder die Erinnerung an einen Strandspaziergang im Sonnenuntergang. Daran, wie ihr jeder Gedanke förmlich auf die Stirn geschrieben stand, und sie einfach nicht gut lügen konnte. Wie ich es immer in ihren Augen sah, dass sie log, wenn sie sagte, dass zwischen uns nichts war.

Alles, was ich seh', bist duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt