Kapitel 10 - Famous

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V O L K A N

Heute nicht.

Du kannst mich doch hier nicht einfach so stehen lassen, Mädchen!

Seit zwei Tagen zerbrach ich mir den Kopf darüber, was das an diesem Abend gewesen war. Klar, es ist nicht unnormal und um Gottes Willen auch nicht verwerflich, nicht am ersten Abend gleich mit jemandem nach Hause gehen zu wollen. Wobei es nicht unser erster Abend zusammen gewesen war. Aber immerhin der erste, an dem wir rumgemacht hatten. Wie auch immer. Es hatte mich trotzdem gestört.

Weil sie einfach ständig so widersprüchliche Signale sendete! Wer sollte daraus schlau werden? Erst starrt sie mich vom ersten Moment an förmlich nieder. Dann rastet sie halb aus (gut, das wäre übertrieben, aber zickig war sie schon) als ich andeute, mit ihr aufs Zimmer kommen zu wollen. Mal ging sie auf Flirtversuche ein, mal nicht... war ich zu schlecht im Flirten oder war sie zu naiv, um es zu bemerken?

Und wie sie sich auf meinem Schoß bewegt hatte. Ich hatte es für eine sichere Nummer gehalten. "Heute nicht". Das  war niederschmetternd.

  "Apache? Bist du noch dran?"

Julians Stimme holte mich in die Gegenwart zurück.

  "Jo, sorry", meldete ich zurück und versuchte mich zu erinnern, wo wir gerade stehen geblieben waren. "Die Tour. Jo. Also ich kann nächstes Wochenende nach Berlin kommen. Kein Ding."

  "ÜBERnächstes Wochenende, Volkan. Bist du noch verkatert oder was?"  Vom anderen Ende der Leitung erklang Gelächter.

  "Nein Mann, sorry, klar. Hab's nicht ganz auf dem Schirm."

  "Schreib es dir lieber in dein Hausaufgabenheft. Wir sehen uns dann!"

  "Jo, tschau Bausa, Bruder."

Ich legte auf und sah, dass Sasan mir eine Nachricht geschrieben hatte.

Sasan: Club Three am samstag? hast du VIP gebucht?

Volkan: ja. vorher mecces?

Sasan: sicher. Ich schreib in gruppenchat

* * *

Sasan, Serkan, Mustafa, Alex und ich hatten uns schon halb durch unser XXL-Menü gearbeitet, als Lisa das Schnellrestaurant betrat. Sie trug einen Jumpsuit, oder wie die Dinger heißen, mit Blumen drauf und sah dadurch sehr mädchenhaft und unschuldig aus. Soweit ich das beurteilen konnte, trug sie kein Make Up. Ich glaube, sie ist die einzige Frau, die ohne Schminke in den Club geht, und trotzdem noch besser aussieht, als alle anderen.

Ich war etwas irritiert, als hinter ihr nicht Nesrin, sondern ein schlaksiger Typ zur Tür reinkam.

  "Hi, alle zusammen! Ich wink mal in die Runde", begrüßte sie uns.

  "Wo ist Nesrin?", fragte Sasan mit einem Blick auf den Typen neben ihr.

  "Familienfeier", erklärte Lisa. "Das hier ist übrigens Timo, aus meinem Studium. Ich wollte nicht alleine herkommen. Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass das heute wieder eine Salami-Party wird, hätte ich wahrscheinlich eher weiblichen Besuch mitgebracht..."

Ich lachte. Ich bemerkte, dass dieser Timo mich mit großen Augen anstarrte, dann aber schnell wegschaute. Auch nach all der Zeit war es mir immer noch unangenehm, wenn Leute mich so ansahen.

  "Keine Sorge", meldete sich Sasan, "ich hab für heute schon bisschen weibliche Gesellschaft organisiert." Er zwinkerte mir zu. Ich wusste genau, wen er meinte. Irgendeine Cousine seiner Nachbarin hatte ihn kürzlich über Instagram angeschrieben, ob denn mal ein Treffen mit mir zu organisieren wäre. Nachdem ich mir ihr Insta-Profil angesehen hatte, hatte ich nicht nein sagen können.

Aber gerade heute war es... ungünstig, stellte ich mit einem seitlichen Blick auf Lisa fest. Die hatte sich gar nicht erst hingesetzt. "Ich geh gleich mal aufs Klo", entschuldigte sie sich und verschwand.

  Wie auf's Stichwort setzte sich dieser Timo auf die Bank mir gegenüber und fragte aufgeregt: "Jetzt, wo sie weg ist, können wir vielleicht ein Foto machen?"

Ich runzelte verwirrt die Stirn.

  "Unsere Kommilitonin Nesrin hat mir erzählt, dass sie wohl nicht wissen darf, dass du Apache bist. Ich will euch mal euren Spaß nicht verderben. Aber... ähm, wie sieht's aus mit Foto?"

  "Klar, komm her", sagte ich und setzte mir schnell meine Sonnenbrille auf. Er machte ein Selfie und setzte sich zufrieden wieder mir gegenüber.

Als Lisa wiederkam, wich ich bewusst ihrem Blick aus. Ich fragte mich jetzt mehr als schon zuvor, was eigentlich zwischen uns war. Ich hatte halb erwartet, dass sie mir zur Begrüßung um den Hals fallen würde. Stattdessen begrüßte sie mich ebenso distanziert wie alle anderen und brachte zur Krönung auch noch einen Kerl mit. Wollte sie mich eifersüchtig machen? War unsere Knutscherei bloß ein betrunkener Ausrutscher für sie? Und warum juckte es mich überhaupt?

Sasan stellte eine kleine Musikbox auf den Tisch und ließ Spotify laufen. Wir waren die einzigen hier, es störte also keinen. Wir stopften uns mit Burgern und Pommes voll (kein Alkohol auf leeren Magen) und ich wollte gerade vorschlagen, aufzubrechen, als...

  "Hey, das ist doch das Lied von diesem Apache", sagte Lisa. Ich hatte Sasan nach den ersten Tönen einen warnenden Blick zugeworfen, aber er hatte es nicht gecheckt. "Ich wollte den eh schon immer mal googeln, wartet mal..."

Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und tippte darauf herum. Der ganze Tisch schien gespannt den Atem anzuhalten. Ich versuchte, Sasans freudige Erregung, die sich auf seinem breit grinsenden Gesicht abzeichnete, zu teilen. Tatsächlich war ich aber eher nervös.

Ihre Reaktion war fast wie aus einem Comic: erst runzelte sie die Stirn. Dann öffnete sie mehrmals den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Schließlich sah sie schockiert hoch. Ich hatte immer noch die Sonnenbrille auf, das machte es ihr vielleicht einfacher. Sie schaute wieder auf ihr Handy und bewegte stumm ihre Lippen. Ich glaubte, die Worte 'Gold', 'Platin' und 'über eine Million'  von ihnen ablesen zu können. Zum Schluss hob sie langsam den Kopf, sah mich mit weit aufgerissenen Augen an und flüsterte: 

  "Nein, echt jetzt?"

Der ganze Tisch brach in Gelächter aus. 

  "Jetzt weißt du es endlich", japste Sasan. "Als die beiden Mädchen im Club ein Foto mit ihm wollten, dachte ich eigentlich, es wäre raus, aber nein..."

  "Ich dachte, es wäre vielleicht so ein Mannheim-Ding, mit random Leuten Selfies zu machen", sagte Lisa schwach. "Jetzt erklären sich mir auch die Gucci-Sandalen...", murmelte sie. 

Alles, was ich seh', bist duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt