8 | Nach der Prüfung

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Im Auto packe ich sofort mein Salat-Käse-Sandwich aus und verschlinge es mit wenigen Bissen. ,,Vielleicht solltest du in Zukunft doch davor auch schon was essen", sagt meine Mom. ,,Ähm, nein. Ich mein, ich konnte davor nichts essen. Und jetzt hab ich halt Hunger", erkläre ich kurz. Ich habe jetzt nicht wirklich Lust mit Mom über Essen zu diskutieren. Immerhin gibt sie sich mit meiner Erklärung zufrieden.
Die Rückfahrt dauert länger als die Hinfahrt. Klar, auch wenn es Sonntag ist sind um kurz nach elf mehr Autos unterwegs als morgens um 5:30 Uhr.

Als wir endlich zu Hause ankommen ist es schon fast 16:00 Uhr. Schnell springe ich unter die Dusche und esse ein Stück Kuchen. Nein, ich habe ihn leider nicht selbst gebacken, da meine Mom mir das Backen in den letzten Wochen quasi verboten hat. Ich sollte mich voll und ganz auf die Schule und die Aufnahmeprüfung konzentrieren. Deshalb hat sich Mom Mal an einem Käsekuchen probiert. Er schmeckt eigentlich ziemlich gut.
Nachdem ich Dad und Luke berichtet habe, wie es gelaufen ist, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück.
Schnell entsperre ich mein Handy: vier verpasste Anrufe von Anaïs, zwei von Sophie, zu dem unzählige WhatsApps von ihr. Zuerst rufe ich Anaïs zurück.

Direkt nachdem zweiten Klingeln geht sie dann, so als würde sie nur auf diesen Anruf von mir warten, tut sie wahrscheinlich auch. ,,Und wie ist es gelaufen?", fragt sie ohne ein ,Hallo' oder sonst was. ,,Ich glaube es war ganz okay", sage ich. ,,Was heißt ganz okay?", fragt Anaïs nachdenklich. ,,Naja, ich hab die Pliés ein bisschen verkackt und bei den Pirouetten wie immer die rechts Seite. Ach ja und bei der zweiten Charakterübung bin ich mir selbst auf den Zeh gesprungen", erzähle ich. ,,Das klingt ja ganz gut. Und wie waren die anderen?" ,,Joa, ich glaub die meisten waren so gut wie ich, ein-zwei vielleicht ein bisschen schlechter. Aber eine war wirklich richtig gut. Ich glaube, Luna wird definitiv aufgenommen!" ,,Luna?", fragt Anaïs. ,,Ja, das Mädchen, dass so gut tanzt. Wir haben beim Warm machen geredet und uns ein bissle angefreundet", erzähle ich begeistert. ,,Super. Es ist immer gut, wenn man direkt Anschluss findet...", meint Anaïs. ,,Warte Mal, es steht aber noch nicht Mal fest, oh ich aufgenommen werde!", unterbreche ich sie. ,,Ja, aber für den Fall, dass du aufgenommen wirst, hast du schon mal wenn, den du kennst", erklärt Anaïs. ,,Ja, macht Sinn. Aber glaubst du wirklich, dass ich aufgenommen werde?", frage ich skeptisch. ,,Joa, denk schon. Ich mein laut deinen Erzählungen lief es nicht ganz so schlecht und die anderen waren auch nicht besser." ,,Ja, aber wer weiß, ob ich das richtig beurteilt habe, wie die anderen getanzt haben und ob ich nicht vielleicht doch mehr Fehler gemacht habe, als ich?", frage ich aufgebracht. Ich merke, wie ich es wirklich will, aufgenommen zu werden. ,,Jetzt mach dich Mal locker", versucht Anaïs mich zu beruhigen. ,,Das geht nicht!", rufe ich. ,,Ich mein, ich will unbedingt aufgenommen werden und jetzt wo wir über die Prüfung reden, wird mein Gefühl schlechter und schlechter." Und das behaupte ich nicht nur so. Es stimmt auch. Im Auto hatte ich noch ein ganz gutes Gefühl, aber jetzt? Jetzt wo ich gerade alles nochmal mit Anaïs durchspreche? Jetzt merke ich erst, wie viele kleine Fehler ich doch noch überall gemacht habe. Fehler, die mir vorhin nicht aufgefallen sind. ,,Anaïs, bist du noch dran?", frage ich als ich keine Antwort bekomme. ,,Jaja, hör zu: es war bestimmt besser als du denkst, aber ich muss jetzt aufhören und für die Woche noch ein paar Übungen vorbereiten. Bis morgen im Kurs." Dann legt sie auf.

Verdutzt schaue ich auf mein Handy. So war das jetzt nicht geplant. Sie wollte eine ehrliche Rückmeldung von mir. Diese hat sie bekommen. Ja, vielleicht habe ich ein bisschen überreagiert, aber was wäre gewesen, wenn das schlechte Gefühl Realität wäre? Da ich darauf keine Antwort weiß, schreibe ich Sophie.

Sophie

Bekomme ich Mal bitte ein Lebenszeichen von dir?

Ich

Ja, hier ist es: lief ganz okay

Sophie

Na endlich. Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Geht's noch ein bisschen ausführlicher?

Ich

Ich rufe dich nachher nochmal an. Muss jetzt kochen...


Das ist auch keine Ausrede. Schließlich hat Mom gerade genau das gerufen. ,,Was soll es geben?", frage ich unten. ,,Nudelauflauf mit Brokkoli", antwortet Mom. ,,Dein Lieblings Essen." Ich nicke und mache mich voller Eifer an die Arbeit.

Nachdem Essen verkrieche ich mich mit einer Schokolade wieder in meinem Zimmer. Ich will einfach nur noch kurz mit Sophie telefonieren, ein bisschen lesen und dann schlafen. Ich bin total müde und das schlechte Gefühl der Aufnahmeprüfung lässt mich nicht los.
Mit Video Call rufe ich Sophie an. ,,Hello" ,,Hi", antworte ich. ,,Alles okay bei dir?", fragt Sophie direkt. Es war klar, dass sie sofort bemerken wird, dass ich nicht besonders happy bin. ,,Joa, geht schon", druckse ich herum. ,,Dir ist schon klar, dass ich dir das nicht glaube, oder?", fragt Sophie. Ich nicke. ,,Also raus mit der Sprache. Was ist passiert?" ,,Naja, du weißt doch was passiert ist", versuche ich meine Antwort noch etwas rauszuzögern. ,,Ja, aber da muss doch irgendwas gewesen sein, dass du so unglücklich bist", sagt Sophie. ,,Ich hab halt einfach ein sau schlechtes Gefühl", gestehe ich. ,,Ach komm schon, du warst bestimmt gut", behauptet Sophie. ,,Warum seid ihr euch da alle so sicher? Ich bin doch die einige, die weiß, wir ich wirklich getanzt habe", rufe ich. ,,Weil wir wissen, wie gut du bist", antwortet Sophie sofort. ,,Ja, aber das heißt dich nicht, dass nur weil ihr glaubt, dass ich gut bin, dass ich bei der Aufnahmeprüfung automatisch gut bin. Selbst den besten Tänzern passieren Mal Fehler!" ,,Ja schon, aber jetzt erzähl doch erstmal. Was war denn schlecht und wie waren die anderen?", fragt Sophie. Also erzähle ich zum dritten Mal heute, wie es gelaufen ist. Zudem erzähle ich auch noch, was Anaïs gesagt hat. Doch dieses Mal öffne ich mich mehr, als bei den ersten beiden Malen. Und ich merke, wie es gut tut, Mal alles von der Seele reden zu können. ,,Hm", macht Sophie als ich fertig bin. ,,Mehr fällt dir dazu nicht ein?", jaule ich auf. ,,Lass mich doch Mal kurz nachdenken", verteidigt sich Sophie. ,,Nur weil du jetzt ein schlechtes Gefühl hast, heißt es trotzdem noch nicht, dass du auch wirklich so schlecht warst." Ich beiße ein Stück Schokolade ab. ,,Ja, aber wer weiß das schon, außer den Prüfern?", frage ich. ,,Tja, das ist die Frage. Ich würd sagen, lassen wir dich das Thema jetzt einfach und reden über was anderes. Das lenkt dich ab", schlägt Sophie vor. Ich nicke dankbar.

Den restlichen Abend reden wir über Gott und die Welt, nur nicht über Ballett. Sophie hat Recht. Es lenkt mich wirklich ab. Als Mom den Kopf in mein Zimmer steckt, um mir eine Gute Nacht zu wünschen, telefonieren wir immer noch.


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