23: Die Ruhe vor dem Sturm

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"Wie sieht es aus?"

In deinem neuen, prächtigen Kleid präsentierst du dich stolz vor Levi. Er legt den Kopf leicht schief. "... Wolltest du das nicht erst übermorgen anziehen?", fragt er. "Sonst wird das bis dahin noch schmutzig." "Ach, ich kann aufpassen", entgegnest du. "Ich hoffe nur, dass ich nach dem Abendessen nicht aussehe, als wäre ich schwanger." Levi schmunzelt bei der Aussage. "So ein Quatsch. Lass uns gehen." "Okay!"

Obwohl Adrianna dir heute ziemlich klar gemacht hat, dass du möglicherweise nicht mehr lange zu leben hast, bist du ungewöhnlich gut gelaunt. Levi hingegen ist den ganzen Tag nachdenklicher als sonst gewesen - aber tatsächlich deshalb? Vielleicht ist die Frage naiv, dennoch kannst du dir nicht vorstellen, dass er deshalb so derart anders sein würde.

"Mach schneller, Levi!" Du nimmst seine Hand und ziehst ihn hinter dir durch das Waldstück her. "Whoa, Y/N", beginnt er, "wenn du so weitermachst, knickst du gleich auf diesen hohen Schuhen um." "Schau, wir sind da!" Du hörst ihn nicht einmal richtig, aber besonders stören tut es ihn anscheinend auch nicht. Du ziehst ihn immer noch hinter dir her - diesmal nicht zur Brücke, sondern an den Steg.

Die letzten Strahlen der Abendsonne scheinen euch entgegen. Es ist fast dunkel, aber dieses letzte Licht scheint auf den See und euch. Deine Augen leuchten auf. "Schau, Levi! Die Farben sind so schön, oder? Blau und orange sind übrigens Komplementärfarben, wusstest du das? Eigentlich hab ich Farbenlehre immer gehasst, aber das ist so hübsch!"

Der kühle Wind und das Rauschen der Blätter beruhigen dich innerlich auf eine seltsame Weise. Der Sonnenuntergang löst in dir ein ähnlich seltsames Gefühl aus. Eigentlich solltest du deprimiert sein, weil dein Leben in Gefahr ist.

Dann merkst du erst, dass Levi die ganze Zeit schweigt. Verunsichert drehst du dich zu ihm. Er lächelt lediglich und beobachtet dich die ganze Zeit. Das bringt dich dazu, nur noch mehr zu lächeln, und du spürst, wie dein Herz schneller schlägt - obwohl es ziemlich kalt ist, wird dir plötzlich warm.

"Das erste Mal, als wir hier waren", beginnt Levi, "war es meine Aufgabe, dich zu beschützen. Im Großen und Ganzen ist es jetzt nicht sonderlich anders." "An diesem Tag habe ich verstanden, dass du kein Vollidiot bist", kommentierst du. Levi zischt. "Tch. Was für ein Kompliment." "War doch nur Spaß", antwortest du lachend. "Das ist auch gut so", grummelt Levi. "Sonst würde ich dich jetzt vom Steg schubsen." "Dann zieh ich dich mit." Du drehst dich zu ihm um und schenkst ihm einen gespielt bösen Blick.

Plötzlich sieht er dich besorgt an. "Y/N... kann es sein, dass du blasser geworden bist?" Du zuckst mit den Schultern. "Kann sein. Vielleicht wegen der Kälte, keine Ahnung." "Lass uns zurückgehen. Es wird wirklich kalt. Außerdem auch noch echt dunkel." Du nickst vergnügt und machst eine elegante Umdrehung. "Okay, dann- GAH!" Mit dem Schuh rutschst du aus und fällst nach hinten, doch Levi ist schnell genug und fängt dich. "Gott, Y/N, vorsichtig! Wenn du in so kaltes Wasser fällst, wirst du noch krank." "Da war ich wohl etwas zu hastig."

'Solange du weiterhin lächelst...'

Als ihr im Hotel ankommt, geht Levi schnell duschen. Da du bereits vor dem Abendessen gewesen bist, gehst du in dein Zimmer, um dich umzuziehen. Gut gelaunt schaltest du die Nachttischlampe ein, wirfst Bademantel und Nachthemd auf's Bett und versuchst, den Reißverschluss deines Kleides zu öffnen. Das ganze Outfit auszuziehen ist eine Qual, aber nach zehn Minuten ist es geschafft. Schließlich öffnest du endlich deinen BH, um daraufhin dein Nachthemd anzuziehen. Du willst es gerade nehmen, da hörst du eine Stimme.

"Y/N, ich bin fertig-"

"AAAH!"

Du drehst dich mit dem Gesicht erschrocken um. Levi wird knallrot und kracht die Tür zu. Du hättest fast mit dem BH nach ihm geworfen, aber soweit konntest du dich noch zusammenreißen. 

Im Nachthemd und Bademantel kommst du zu Levi ins Zimmer. Er sitzt auf dem Bett und sieht nach draußen. "Es schneit", murmelt er. "Dann haben wir es noch rechtzeitig hierher geschafft", antwortest du. Er nickt. "Das stimmt. Sorry wegen eben, übrigens. Ich dachte, nach so langer Zeit bist du mit Umziehen fertig." "So ein Kleid auszuziehen ist halt kompliziert." Du lachst kurz auf und gehst zum Fenster. Levi beobachtet dich wieder und beginnt erneut zu sprechen.

"Sag mal... bist du nicht traurig wegen dem, was das Mädchen heute gesagt hat? Wenn du von diesem Fluch betroffen bist, kannst du frühzeitig sterben. Macht dir das keine Sorgen?"

Du seufzt leise "Ehrlich gesagt bin ich die meiste Zeit schon so angespannt, dass mich das nicht so sehr trifft. Aber viel wichtiger..."

Erneut musst du lächeln. Du weißt nicht einmal warum.

"Mein ganzes Leben ist eine einzige Verarsche. Ich habe mich immer beklagt, warum mir all diese Dinge passieren - Dinge wie Judy's Wahn oder auch das, was Adrianna heute erzählt hat - wäre das früher passiert, hätte ich mich unheimlich aufgeregt. Aber jetzt..."

Du siehst den Schnee draußen. Die Laternen gehen aus, der Himmel ist dunkel, aber die Schneeflocken landen am Fenster. "Es gibt wirklich schlimme Dinge, die man ändern könnte. Jeder leidet auf irgendeine Weise. Es gibt immer wieder Krisen, die überwunden werden müssen und den Einen oder Anderen in Verzweiflung stürzen. Aber wenn ich nach draußen sehe, sehe ich die Natur. Sieh dir die Schneeflocken an - sie haben eine perfekte Symmetrie. Unsere Welt ist schrecklich und schön zugleich, sagen manche. Aber ich glaube, die Grundstrukturen unserer Welt sind perfekt. Man muss nur genauer hinsehen, um die Schönheit zu sehen. Irgendwann gibt es keine Titanen, keine Mauern mehr, aber die Grundstrukturen werden immer bleiben. Und wenn ich in den Himmel sehe, weiß ich, dass Harry dort oben ist und auf mich und meine Schwester herabblickt und auf uns aufpasst. Und wenn wir beide hier sitzen und es draußen schneit und es so ruhig ist..." Du drehst dich zu ihm. "Dann macht es mir nichts aus, ob ich in dreißig Jahren oder morgen sterbe. Denn jetzt gerade bin ich wunschlos glücklich."

Der Schnee draußen wird immer stärker. "Ich weiß, dass wir beide jederzeit sterben können, deshalb ist jeder Moment so viel wert... Und ich weiß, dass wir kein normales Leben führen können, nicht heiraten können und irgendwann voneinander getrennt werden, aber solange wir zusammen sind, will ich jeden Moment genießen. Weil ich dich liebe, Levi. Von ganzem Herzen."

Nun fällt dir auf, dass Levi's Augen voller Tränen sind. Plötzlich kommt er auf dich zu und nimmt dich fest in den Arm, schluchzend. "L-Levi, du erdrückst mich-", beginnst du, und er reagiert schnell, doch du spürst, wie er immer noch zittert und deine Schulter langsam nass wird. Mit einem traurigen Lächeln erwiderst du seine Umarmung und ihr verharrt für Minuten in der Position.

Er weiß genauso, dass ihr keine Zukunft habt. Doch obwohl - oder vielleicht gerade weil - er nicht die Art von Person ist, die dir ständig Komplimente macht oder besonders schmeichelhaft ist, fühlst du dich wirklich geliebt. Er löst sich kurz von dir. "Du bist immer noch so blass."

Er hat recht. Du veränderst dich zu etwas, das dir selbst nicht bekannt ist. "Ich weiß." Du legst eine Hand auf seine Wange und wischst vorsichtig seine Tränen weg. Er sieht schließlich aus dem Fenster und legt seinen Arm um deine Schulter.

"Ich wünschte, es könnte für immer so bleiben."

Der Balkon ist vollständig weiß und das Fenster ähnlich zugeschneit.

In diesem Moment ist alles in Ordnung.


to be continued...

Hey Leute! Hoffe, das Kapitel hat euch gefallen. Ich denke, es fällt sehr auf, dass es wenig von dem typischen Romance-Zeugs gibt, aber ich habe das Gefühl, dass Levi und Y/N nicht die Art von Paar sind, die die ganze Zeit rumknutschen und süße Dinge sagen. Still tho, dass Levi sich solche Sorgen macht, bricht mir das Herz. Und vielleicht tut er das nicht ganz zu unrecht?? aber idkkk asdfghjkl

Gute Nacht an alle, die noch wach sind lol. Es ist halb zwei. Im dead

Sonntag, 28.06.2020

Attack on Titan: How 2 Get A Heichou BACK [Levi x Reader]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt