Prolog

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Ich trat zusammen mit meiner besten Freundin Svea herunter in die leere Kampfarena. An den Seiten lagen Teile des Holzparkours und Waffen für das Kampftraining. Dort ließen wir uns auf Holzkisten fallen.
„Was ist los, Herfjǫtur?" fragte sie irritiert und strich sich eine blonde Strähne zurück, während ihre blauen Augen mich aufmerksam und vertraut musterten. In den über 600 Jahren die ich jetzt schon lebte, war ich froh meine gute alte Freundin noch immer an meiner Seite zu haben.

„Ich werde dir jetzt mal eine Geschichte erzählen." sagte ich und schlug die Beine übereinander, während sie sich setze. „Als ich Snow zum ersten Mal traf, da war ich achtzehn. Meine Familie hatte mich wegen meiner Sexualität verbannt. Und ich war gerade auf der Suche mich selbst zu finden, doch dann traf ich auf sie und gab dies auf..."

„Wie habt ihr euch noch Mal angetroffen?"

„An dem Tag an dem wir uns begegneten, bin ich durch ein Wäldchen gewandert. Ganz in der Nähe ihres Hauses. Ich wusste damals nur nicht, dass es dort eine Höhle gab, in der Chimäre lebten. Unterweltwesen. Sie griffen mich damals ohne Vorwand an und ich war jung, geschwächt und hatte lange nichts mehr gegessen. Snow wurde damals durch die Kampfgeräusche und meine Schreie aufmerksam. Sie rettete mich, als ich am Boden lag und dem Tod nahe war. Sie nahm mich in ihre Hütte und pflegte mich gesund. So haben wir uns das aller erste Mal getroffen." ich sah Svea kurz an und fuhr fort. „Wir wurden zu Freunden. Jahr über Jahr war ich an ihrer Seite. Ich habe mit ihr und für sie Kämpfe ausgeführt. Wir waren beste Freunde. Ich konnte mir nie jemanden anderes an meiner Seite vorstellen. Sie war für mich alles und mir wurde klar, das ich wirklich alles für sie tun würde. Sogar ein ganzes Dorf abschlachten..." ich sah Svea ernst an. „...irgendwann zweifelte ich daran, dass das einfach nur Freundschaft sein konnte. Ich meine, ich war vorher mit dir gut befreundet und für dich hätte ich nicht gleich ein ganzes Dorf umgebracht. Doch bei ihr...ich hätte nicht mal gezögert und das warf wieder die Frage auf, wer ich eigentlich war? Und was wollte ich?"

„Was ist dann geschehen?" sie sah mich aufmerksam an.

Ich blickte in den Himmel. „Ich habe mich langsam gefragt, ob da nicht etwas mehr sein konnte. Doch ich habe den Gedanken Jahre, wenn nicht Jahrhunderte, nie weiter verfolgt. Du weißt, dass es noch nicht so lange akzeptiert wird auf das selbe Geschlecht zu stehen. Selbst in der jetzigen Zeit stößt man immer wieder auf Hass und Snow war noch längst nicht bereit dazu. Sie war traditionell, sie hätte niemals eine Beziehung zu mir akzeptiert. Ich kannte sie gut genug und damals wanderten wir beide auf dem dunklen Pfad. Also habe ich versucht es bei Freundschaft zu lassen. Ich habe meine Gefühle unterdrückt, die mit jedem Jahr stärker wurden und heranwuchsen, während ich mich immer weiter von ihr entfernte..."

„...warum? Was ist geschehen?"

„...Ich traf meinen ersten Ehemann...Enzo und wir, beziehungsweise ich und Snow, schlossen uns gemeinsam mit ihm und seiner Schwester den Chaos der Dunkelheit an. Wir verbreiteten Chaos und erzürnten die Götter und alles lief perfekt. Doch immer wieder standen mir diese Gefühle im Weg und Snow schien sie nicht zu erwidern, zumindest glaubte ich das. Also warf ich mich aus Schmerz an Enzos Seite. Ich verbrachte viel Zeit mit ihm. Er brachte mich zum lachen und konnte mir alles geben, was Snow nicht bereit war zu geben. Doch damit fingen die Probleme erst an. Sie verhielt sich immer kühler und grober. Sie ließ mich kaum noch an sich heran und trug ständig diese Wut auf Enzo herum." ich sah Svea wieder an. „Ich war zu Feige um für sie zu kämpfen und blieb bei Enzo, ohne auch nur mitzubekommen das ich sie am verlieren war. Als ich Enzo dann heiratete, eskalierte alles. Wirklich eskaliert...ich und Snow lagen nachher blutend am Boden, weil wir uns so gezofft hatten. Die anderen mussten uns auseinanderreißen. Sie hatte mich nicht nur körperlich verletzt, sondern auch mit ihren Worten und zwar so stark, das ich damals nicht mehr in der Lage war, sie aufzuhalten als sie weg rannte. Weg in ihr Unglück, das sie nachher noch stärker veränderte..." ich hielt einen Moment inne, da es nicht so einfach war alles zu erzählen. „Ich frage mich oft, was passiert wäre, wenn ich sie aufgehalten hätte."

„Wie ging es weiter?"

„Ich habe Jahre nach ihr gesucht. Jahre in denen ich mich letztendliches von Enzo trennte und scheiden ließ, um mich auf ihre Suche zu konzentrieren und sie auch irgendwann fand. Sie hatte sich ihrem draco eques Stamm angeschlossen. Ein Stamm der sich versteckte und abseits lebte. Weit weg von der Zivilisation. Sie war mittlerweile zum Oberhaupt dieses Stammes ernannt worden. Als ich dort eintraf, erfuhr ich das sie bereits mit einem Mann verheiratet war. Trotzdem versuchte ich wieder Kontakt mit ihr aufzunehmen, doch sie war so kalt und grausam geworden. Sie war wie ein Roboter oder eher eine Tötungsmaschine. Sie tat mir nie wirklich was an, aber dennoch...sie war so vollkommen verändert. Es schmerzte mich sie so zu sehen. Sie so verändert zu sehen. Hinter einer eisigen Mauer eingekerkert in ihrem inneren. Und ihr Ehemann...erst viel Später erfuhr ich, was er ihr alles angetan hat. Schlimme Sachen, sehr Schlimme. Sachen die die Erklärung dafür waren, warum sie keine Gefühle mehr zuließ. Warum sie vor Berührungen zurück schreckte. Ich hatte sie verloren." ich sah Svea an, um zu sehen wie sie darauf reagierte, ehe ich weiter sprach. „Zu diesem Zeitpunkt hatte sie eine junge Tochter. Aurora, ich habe das kleine Mädchen oft alleine spielen sehen. Und Snow zeigte nichts außer strenge. Ich versuchte damals, sie zu überreden netter zu ihrer Tochter zu sein, doch wieder stieß sie mich weg. Wieder stritten wir uns, und zwar so stark, das ich diesmal flüchtete. Wieder verlor ich sie Jahre aus den Augen und stieg in der Zeit zum Oberhaupt der Chaos der Dunkelheit auf. Enzo und seine Schwester hatten uns längst verlassen, um auf der Seite der guten zu kämpfen. Ich verdrängte wieder meine Gefühle für Snow, zog meinen Sohn Tyr groß und versuchte alles um sie zu vergessen. Ich kann mich noch daran erinnern, das sie einmal zu mir kam. Sie fand mich auf, um mir zu sagen, dass sie Frieden zwischen uns wollen würde. Wir unterhielten uns länger und schlussendlich vertrugen wir uns, doch nach diesem Gespräch verschwand sie wieder."

„Was willst du mir damit sagen?"

Ich seufzte. „Svea es hört nie auf. Es ist ein Kreislauf."

„Wie meinst du das?" sie runzelte die Stirn.

Ich fuhr mir durchs Haar. „Als mein Sohn um die dreißig war, stieß ich wieder auf Enzo und die anderen. Enzo war vollkommen verändert, er war nun absolut von der guten Seite und hatte ein neues Leben mit einer anderen Frau. Einer Frau, die wie sich nachher herausstellte, Snows älteste Tochter Malia war. Ich erfuhr auch das sie Snow in die Tiefen des Tartarus gestoßen hatte und sie entthront worden war. Aurora hatte Snows Aufgaben als Oberhaupt übernommen. Es schockierte mich nicht sonderlich das es so gekommen war. In der tat, war ich sogar froh das Snow dort unten landete. Ich wollte sie nicht mehr sehen."

„Wieso?"

„Zu diesem Zeitpunkt war ich mir meinen Gefühlen so ziemlich bewusst. Beziehungsweise ich war dabei sie langsam anzuerkennen...mithilfe von Enzo und auch Aurora, zu der ich wieder Kontakt hatte. Sie unterstützten mich. Ich versuchte meine Gefühle zu akzeptieren und ich versuchte auch zu akzeptieren, dass sie niemals wirklich erwidert werden würden. Selbst wenn Snow das selbe empfand, wie sie mir immer wieder deutlich und unabsichtlich gezeigt hatte, sie würde das zwischen uns beide nicht akzeptieren. Dennoch stärkten mich die Worte von Enzo und Aurora und als wir dann Snow aus dem Tartarus zurückholen mussten..." ich winkte ab. „...das ist eine andere Geschichte. Es ging um eine Prophezeiung ..." ich schüttelte nachdenklich den Kopf. „...Jedenfalls, als wir sie zurückholen mussten und sie sich so kalt wie vorher verhielt, wurde mir klar dass sie mich brauchte. Es hört sich absurd an, aber ich war die einzige Person, die Snow jemals, wenn überhaupt, näher an sich heran gelassen hatte. Ich kannte sie besser als sie sich selbst. Ich wusste, das sie mich brauchte, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren und wieder in die Dunkelheit abzurutschen. Ich machte es mir zu Aufgabe, um sie zu kämpfen. Ich wollte sie nicht mehr gehen lassen. Und letztendlich habe ich es geschafft. Ich habe um sie gekämpft, obwohl ich nicht viel Hoffnung hatte." ich lächelte schief. „...und sieh mich jetzt an. Ich bin mit ihr zusammen und glücklich. Ich habe so viele Jahrhunderte verschwendet. Doch ich habe für uns gekämpft. Jede einzelne Sekunde. Und nach mehr als 600 Jahren kann ich sagen, das es das kämpfen wert gewesen war."

Svea sah mich gerührt an. „Das ist..." sie schniefte.

Ich lächelte. „Hey, kein Grund in Tränen auszubrechen."

Sie schluckte schwer. „Äh ja...und was soll mir diese wunderschöne Geschichte sagen?"

Ich lächelte sie an. „Ich will damit sagen, das es sich lohnt um das zu Kämpfen was man will. Man sollte nicht einfach so aufgeben, auch wenn es nicht immer leicht erscheint..."

Silver EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt