2. Der Alltag

1.4K 51 0
                                    

Die ganze Nacht blieb sie nah bei mir. Als hätte sie Angst davor, das ich gehen würde, oder vielleicht spürte sie auch, dass ich sie brauchte. Durch unsere Empathielink war es möglich, das sie ein paar meiner Empfindungen mitbekam. Wir waren immerhin verbunden. Sie hatte den Arm um mich geschlungen, hielt mich nah an ihren Körper. Schob ihr Bein zwischen meine und hielt mich fest. Ihre Nähe beruhigte und einen Moment schaffte ich es auch einzuschlafen. Doch meine Gedanken hielten mich Wach und wirklich liegen konnte ich mit dem Rücken auch nicht. So das ich mich in den frühen Morgenstunden schließlich dazu entschloss aufzustehen. Ich brauchte einen Moment für mich. Vorsichtig schälte ich mich aus ihrer Umklammerung, gab ihr zur Beruhigung einen Kuss auf die Wange und stand dann schließlich auf. Im Bad entdeckte ich die Blutspuren noch von der Nacht. Träge schlüpfte ich ihn Jeans, ein T-Shirt und begann dann damit alles sauber zu machen und wieder hinzurichten, was wir gestern in unseren Kampf hinterlassen hatten. Wir hatten ganz schöne Arbeit geleistet, aber nach einer Stunde war ich fertig damit und sogar das Wohnzimmer sah unversehrt aus. In gewissermaßen hatte mir das geholfen. Ich fühlte mich wieder freier.

Danach zog ich mir meine Stiefel und Armeejacke an. Setzte mir meine Baseballkappi auf, von meinen Lieblingsbaseball Team und trat hinaus. Es hatte geschneit, weshalb es mindestens zwanzig Zentimeter Neuschnee gab. Es war kalt, aber die Sonne schien, so das ich kaum die Augen aufmachen konnte. Ich lehnte mich an das Geländer und sah auf den Strand in der Ferne, der ebenfalls zum Teil in Schnee lag. Es war ein seltsamer Anblick. So viel hatte es hier lange nicht mehr geschneit. Mein Atem bildete Wolken in der eisigen Kälte, die langsam durch meine Klamotten drang. Ich drehte an dem schwarzen Ring an meinen Mittelfinger. Es war der Ring von Nathan. Ich vermisste ihn sehr. Es gab nichts Schlimmeres als wie sein eigenes Kind zu verlieren und in meinen Fall waren das gleich drei. Ich hatte sechs Kinder. Zwei mit Snow und vier eigene Kinder. Thea, Tyr, Nathan und Emma. Ich liebte sie alle. Doch Nathan war in einen Kampf gegen Emma gestorben. Es war eine lange, schlimme Geschichte. Meine Tochter hatte aus Notwehr gehandelt, aber dennoch. Es hatte sie so zerstört das sie zusammen mit Thea verschwunden war. Thea, die älteste meiner Kinder. Das letzte Mal als ich sie gesehen hatte, war sie Hirntod gewesen. Ich wusste nicht was aus ihr geworden war. Und auch Emma, war nicht aufzufinden. Es war schrecklich nicht zu wissen, was mit seinen eigenen Kindern war. Emma wollte nicht gefunden werden, war vom Erdboden verschluckt. Einzig allein das Schwert das ich ihr vererbt hatte, hatte sie mir hinterlassen. Mit den Worten, ich solle es gut aufbewahren. Ich fühlte mich wie eine Versagerin. Zumindest als Mutter. Immer wieder suchte ich die Fehler die ich falsch gemacht haben könnte. Ich meine ich war fast siebenhundert Jahre alt. War ich zu verkrüppelt, um eine gute Mutter zu sein? Hatten mich die ganzen Kämpfe und Kriege zerstört? Die Narben an meinen Körper waren unverkennbar.

„Hey, du frierst noch." Snow kam hinter mich getreten.

Ich sah über die Schulter hinweg zu ihr, sie war frisch angezogen und trug wieder eine ordentliche Bluse, dunkle Jeans und hohe Schuhe. Ihre weißen Haare waren ordentlich gekämmt und vielen über ihre Schulter. Sie sah wieder perfekt und ordentlich aus, und zog sich in dem Moment gerade ihren Blazer über. Was sie eigentlich nicht brauchte. Sie war Kälteunempfindlich. Sie fror hier draußen in der Kälte kein bisschen und brauchte auch eigentlich keine Jacke.
„Du gehst arbeiten?" ich zog die Augenbrauen hoch. Ihre Wunden schienen schon längst verheilt zu sein. Sie hatte das Glück schnell zu heilen. Ich heilte zwar auch schneller, aber bei mir dauerte es ein wenig länger, als wie bei einer draco eques.

Sie nickte langsam. „Das Wochenende ist vorbei. Nicht jeder kann seinen eigenen Laden haben."

Ich sah auf das Meer hinaus. Ich hatte erst am Mittag einen Termin für eine fünfstündige Tattoositzung. Ich hatte mein eigenes Tattoostudio eröffnet und meine künstlerische Zukunft aufgebaut.

Silver EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt