Victorias Schuld

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»Warum greifst du mich an?«, frage ich voller Angst. Er drückt meinen Körper noch fester gegen die Wand und antwortet: »Kannst du dich vielleicht an einen Abend erinnern, an dem bewaffnete Männer in eine Pizzeria reingestürmt sind?«

Zuerst verstehe ich nicht was er meint, doch dann fällt mir alles wieder ein. Es war der erste Tag in Matera, als ich die Polizei gerufen haben, wegen der Attacke in dem Restaurant.

Immer noch verstehe ich jedoch nicht, wieso ihn das verärgert und woher er weiß, dass ich nach Hilfe gerufen habe. Fragend schaue ich ihn an und er lacht nur. »Du dumme Schlampe verstehst es immer noch nicht, oder? Das waren meine Freunde, die zur Cosa Nostra gehörten. Deinetwegen sitzen sie jetzt im Gefängnis!«

Warte - die Costa Nostra ist soweit ich weiß die italienische Mafia - bin ich ernsthaft im Haus von diesen Verrückten?

»Ich wollte doch nur die anderen Leute retten! Bitte lass mich los«, flehe ich ihn schon langsam an, da ich in einer sehr unangenehmen Position bin. Meine Bitte beruhigt ihn kein bisschen und er drückt seine Hand gegen meinen Hals.

Ich kriege immer weniger Luft, was mich dazu bringt, gegen seine Hände zu schlagen, doch er drückt immer mehr zu.

Kurz bevor ich bewusstlos werde, sehe ich Rafael hinter ihm. »Lass sie sofort los, Tyler. Ich meine es ernst.« Ich bin grade so glücklich, dass er hier ist, um mir zu helfen.

Tyler lässt meinen Hals endlich los und ich falle schwer atmend zu Boden. Rafael kommt zu mir und bringt mich zum Bett. »Diese Hure war diejenige, die Matteo, Luca, Marco und so weiter an die Polizei verpfiffen hat!«

Rafael stoppt plötzlich in seiner Bewegung und schaut mir in die Augen, was mich zum Nachdenken bringt. Werde ich aus diesem Haus lebendig rauskommen?

Rafael geht aus dem Nichts zu Tyler und dieser schaut ihn nur wütend an. »Fass sie noch einmal an und ich schmeiße dich aus meinem Haus.«

Er kommt dem Gesicht seines Bruders immer näher und fragt: »Verstanden?« Tyler gibt auf und nickt, da er sich wahrscheinlich auch von seinem Bruder eingeschüchtert fühlt. Rafael setzt sich neben mich und fragt: »Hat er dich sehr verletzt?« Wäre ich nicht gefangen, würde ich mich über sein Interesse über mein Wohlergehen insgeheim freuen.

Ein komisches Kribbeln in meinem Bauch sammelt sich wegen seiner Besorgnis, doch ignoriere dieses Gefühl gekonnt. »Alles gut. Danke nochmal, Rafael.«

Kurz bevor er jedoch aufstehen kann, um zu gehen, stoppe ich ihn: »Ich musste die Polizei rufen - es sollte jeder heil nach Hause kommen.«

Rafael nickt verständlich als Antwort, was mich leicht beruhigt. Jetzt frage ich mich, was genau mit mir passieren wird. Rafael kann nicht der Mafia Boss sein, richtig?

Ich sollte einfach hoffen, dass ich hier heil rauskomme und mein Leben normal weiterleben kann wie vorher. Hätte ich nur gewusst, dass das hier kein Traumurlaub wird.

Als ich aufstehe, um mir das Zimmer besser anzuschauen, sehe ich, dass die Tür nicht richtig geschlossen wurde - das heißt, dass ich gar nicht eingeschlossen wurde und eine Chance auf eine Flucht wieder möglich ist.

Langsam gehe ich raus aus dem Schlafzimmer. Die Leute, vor allem Rafael, hier sind bestimmt schon genervt von meinen Fluchtversuchen, aber jede Gelegenheit zu nutzen, ist wichtig.

Ich bleibe ja nicht freiwillig in einem Haus mit diesen gewalttätigen Menschen, die mich jede Sekunde umbringen oder vergewaltigen könnten. Komisch ist es auch, dass ich bis jetzt nur eine weibliche Person gesehen habe - die Köchin, Rita.

Leise schleiche ich die Treppe hinunter und bemerke, dass die Gartentür wieder offen ist. Die Leute hier sind anscheinend nicht die Schlausten. Schnell führt das eine zum Anderen und ich stehe schon draußen im Garten. Noch ein bisschen und die Freiheit gehört wieder mir. Kurz bevor ich jedoch den kleinen Metallzaun überquere, ruft jemand hinter mir: »Keine Bewegung, sonst schieße ich.«

Die Stimme ist mir fremd und ungeheuer. Ein dunkelblonder, großer Mann steht hinter mir mit einer Pistole in der Hand.

Der Unbekannte greift mich am Arm und zieht mich zurück ins Wohnzimmer, wo Rafael mich verwundert anstarrt - hinter und neben ihm mehrere Männer. Es sieht so aus, als hätte er jetzt in diesem Moment verstanden, was mein Vorgehen zu bedeuten hatte.

Sein Blick wird düster und der Mann, der mir eben geholfen hat, ist nicht mehr zu erkennen - er ist wie ausgewechselt. »Sie wollte weglaufen.«

Rafael schaut mir weiterhin in die Augen, spricht aber dabei zu der Petze neben mir: »Du kannst gehen, Carlos.« Ja, danke Carlos, dass du mir meine Flucht zerstört hast.

Langsam habe ich das Gefühl, dass Rafael eindeutig das Sagen hier hat - das beruhigt mich kein Stück, da er sehr sauer zu sein scheint.

Er kommt mir immer näher und ich bekomme eine extreme Gänsehaut. »Langsam gehst du mir echt auf die Nerven, Victoria.« Woher kennt er bitte meinen Namen? Noch eine der hundert Fragen, die ich noch habe.

Langsam nähert er sich mir erneut, während die Anderen nur interessiert zuschauen. »Geh zurück in dein Zimmer. Versuch noch einmal zu fliehen und du kannst nicht unverletzt gehen, wie jetzt.« Seine Stimme macht mir Angst, da er sich nicht anhört, wie vorher im Schlafzimmer.

Schnell gehe ich Richtung Schlafzimmer, doch stoppe mitten in meiner Bewegung. Warum lasse ich mir eigentlich alles von ihm sagen? Er blufft doch nur die ganze Zeit - ein richtiger Mafiaboss würde jeden an meiner Stelle verletzen. »Was wenn nicht?«, frage ich ihn provozierend.

»Ich töte dann deine ganze Familie und foltere deine Freunde bis zum Tod vor deinen Augen. Außerdem solltest du aufpassen, wie du mit mir sprichst.« Rafael gibt diese Worte gelassen von sich, als ob er mir nicht grade die schlimmste Drohung überhaupt aufgetischt hat.

Dieser Idiot macht mich unglaublich sauer, wie noch niemand anders!

Er dreht sich Richtung Eingang, als mich plötzlich eine massive Wut überströmt. Ohne über mein Handeln nachzudenken, greife ich nach einem Kissen und werfe ihn so hart wie möglich ab, vor all diesen Männern.

Shot Into DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt