Das Telefonat

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Ich war heute nur zweimal außerhalb meines Zimmers, weshalb ich mich unfassbar langweile. Spontan entscheide ich mich dazu nach unten ins Wohnzimmer zu gehen, da mir erlaubt wurde mich im Haus frei zu bewegen. Warum sehe ich eigentlich so selten die anderen Männer im Haus? Vielleicht wohnen sie woanders und hier nur Rafael - das würde mir sogar gefallen, da sie mich ein wenig einschüchtern.

Unten angekommen bemerke ich, dass Rafael auf dem Sofa liegt, bekleidet in einer grauen Jogginghose und einem weißen T-Shirt. So sieht er ja noch viel besser aus als sonst. Überfordert an den Gedanken von seinen Berührungen, drehe ich mich um und versuche leise zurück in mein Zimmer zu gehen. »Komm her«, fordert er auf. Verdammt.

Schüchtern gehe ich zu ihm, um mich neben ihn zu setzen. Er setzt sich aufrecht hin und schaut mich mit einem undefinierbaren Blick an. Beschämt, schaue ich auf meine Hände, weshalb er fragt: »Was ist?«

Scheiße, er hat es bemerkt - schnell suche ich nach einer Ausrede. »Ich wollte fragen, ob ich mit meinen Eltern reden darf.« Rafael atmet erstmal aus, doch antwortet dann: »Ich erlaube es dir, aber nur wenn du neben mir telefonierst und nichts Falsches sagst. Sonst endet es für keinen von ihnen gut, Victoria.«

Als er meinen Namen ausspricht, kribbelt es wieder in meinem Unterleib. Seit gestern denke ich die ganze Zeit nur noch an ihn - ich weiß, dass es total falsch ist, aber irgendetwas zieht mich an ihm an.

Dankbar lächle ich ihn leicht an und er überreicht mir sein Handy. Ich tippe die Nummer meiner Mutter ein und sie geht schon nach kurzer Zeit ran. Eigentlich dachte ich, Rafael würde mir nicht erlauben, sie zu kontaktieren, doch anscheinend ist er nicht so schlimm, wie ich dachte. »Hallo?« Als ich ihre Stimme höre, spüre ich wieder, wie sehr ich sie vermisst habe.

»Mom. Ich bin es«, antworte ich nervös. Sie atmet laut ein und ruft meinen Vater. »Schatz, wo bist du? Wir rufen die Polizei. Bleib dran!« Rafael schaut mich warnend an und ich sage schnell: »Nein, warte! Mir geht es gut, versprochen. Ich habe nur angerufen, um euch mitzuteilen, dass es mir gut geht. Wann ich euch wiedersehe, weiß ich nicht.«

Mein Vater mischt sich plötzlich ein und merkt wütend an: »Ich finde den, der dich mitgenommen hat und dann endet es nicht gut! Wir rufen jetzt-«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Nein! Bitte nicht.

Rafael schaut leicht überfordert und nimmt sein Handy wieder zurück. »Ich möchte echt nicht wissen, wie meine Eltern sich jetzt fühlen. Hätte ich nur nicht hinter die Bar geschaut-«

Ich werde unterbrochen durch Rafael, der mich an sich zieht. Angenehm gebe ich mich ihm hin und empfange seine Wärme. Meine Tränen fangen an automatisch zu laufen und ich fühle mich verloren.

»Hey, hey, nicht weinen. Es ist nicht deine Schuld, du hattest einfach nur Pech«, versucht er mich zu beruhigen. Das meint er jetzt nicht ernst, oder? Seinetwegen bin ich doch hier gefangen. Okay, es wäre unlogisch würde er jemanden herauslassen, der jede Sekunde zur Polizei rennen könnte, um ihn zu verpfeifen.

Er legt seine Hände an meine Wangen und zieht mich wieder nach oben, um mich anzuschauen. Nachdenklich schaut er mich an und streicht mir die Haare aus dem Gesicht. »Ich weiß noch nicht, ob ich dir vertrauen kann, um dich loszulassen.«

Ich nicke nur leicht und er atmet aus. Es ist mir peinlich, dass er mich weinen sieht.

Rafael kommt meinem Gesicht immer näher, bis sich unsere Lippen fast berühren. Er versucht mich zu küssen. Nein, Victoria - dieser Mann ist ein Mörder, ein Krimineller und gefährlich. Was er wohl schon alles für grauenhafte Sachen getan hat.

Schnell ziehe ich weg und er wechselt wieder zu seinem emotionslosen Blick. »Ich verstehe.« Damit steht er auf und lässt mich verwirrt auf dem Sofa sitzen.

Shot Into DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt