Trost

4.7K 111 5
                                    

Rafael schaut mich zuerst mit einem undefinierbaren Blick an, fängt dann aber an zu reden. »Ich und Carlos waren schon seit mehreren Jahren befreundet. Er war fast immer an meiner Seite und wurde schnell wie ein Bruder für mich.«

Er macht eine kurze Pause und merkt zuletzt an: »Ich möchte aber nicht mehr darüber reden.« Ich nicke nur und beschließe ihn zu umarmen. Erst zögere ich, doch mache es dann doch - Rafael umarmt mich glücklicherweise zurück.

Als mir einfällt, dass unsere Körper aneinander förmlich kleben, ziehe ich schnell zurück und versuche das Blut zu stoppen, das mir die Wangen hochschießen will.

Grade als ich aufstehen möchte, greift er meinen Arm und schaut mir intensiv in die Augen. »Bleib.«

Ich gehorche ihm und setze mich erneut neben Rafael. Er deutet mir mich hinzulegen, was ich dann auch tue. Wir kuscheln uns aneinander und ich spüre, wie er ein und ausatmet an meinem Hals. Mein Kopf liegt gemütlich auf seiner Brust und seine Arme sind um mich geschlungen.

Ich lausche den Geräuschen draußen hinterher und schlafe immer mehr ein.

•••

Komischerweise wache ich das erste Mal seit langer Zeit mit viel Energie auf und denke dran, wie ich neben Rafael geschlafen habe. Als ich zu meiner Rechten schaue, sehe ich ihn noch tief und fest schlafen. Er sieht so friedlich aus.

Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, wenn er aufwacht, also denke ich an die einzige Lösung - und zwar mich davonzuschleichen. Vorsichtig versuche ich seine Arme von meinem Körper wegzulegen und grade als der zweite fast schon an ihm liegt, drückt er gegen meine Hand und legt ihn wieder um mich.

»Lieg noch neben mir«, sagt er zu mir mit geschlossenen Augen und ich spüre wie mir erneut heiß wird. Was macht er nur mit mir?

»Ich bin hungrig, Rafael. Außerdem ist es schon Mittag«, erkläre ich ihm und stehe aus dem Bett auf. Er seufzt laut auf und steht dann auch auf.

Grade als ich dabei bin sein Schlafzimmer zu verlassen, zieht er mich aus dem Nichts zu sich nach hinten. Ich habe kaum Zeit zu reagieren, da er direkt seine Lippen auf meine presst. Eigentlich sollte ich mich jetzt weigern ihn zurückzuküssen, doch das Einzige, was ich machen kann, ist ihn auch zu küssen.

Seine Lippen passen perfekt auf meine und verschmelzen mit ihnen. Der Kuss ist sanft und endet recht schnell. Ich schaue ihn nur mit großen Augen an und erwische ihn dabei, wie seine Mundwinkel leicht zufrieden nach oben zucken.

Beschämt, lächle ich ihn an und wende mich dann wirklich zum Gehen. Was war das und warum habe ich es zugelassen? Für ihn bin ich doch bestimmt nur eine seiner Schlampen. Wütend stampfe ich die Treppen runter, nehme mir nur einen Apfel in der Küche und setze mich in den Garten.

»Victoria!«, schreit jemand hinter mir - besser gesagt Giulia. Ich lächle deutlich besser gelaunt und umarme sie kräftig. Wir setzen uns auf die Bank und sprechen über dummes Zeug. Dann fällt mir jedoch der Tag ein, an dem der Mann hinter der Bar getötet wurde.

»Du, Giulia. Ich muss dich da was fragen.« Sie nickt nur und ich frage dann: »Warum gab Rafael seinen Männern den Befehl den Mann zu töten an dem Tag, an dem ich mitgenommen wurde?« Sie schluckt schwer und schaut mich ernst an.

»Ich erzähle dir das Wichtigste, aber plapper es nirgendwo aus, sonst landest du definitiv auf Rafaels schlechter Seite.« Neugierig nicke ich und warte auf ihre Erklärung. Giulia atmet aus und schaut auf ihre Hände.

»Vor 2 Jahren wurden Rafaels Eltern ermordet von irgendeinem Feind seines Vaters und seitdem sucht er den Mörder wie verrückt. Durch einen Streich dachte er, dass der Mann von der Bar, der Schuldige war. Zu spät fand man heraus, dass man ihm eine Falle gestellt hatte.« Sie atmet scharf aus und ich schaue ungläubig.

Ich hätte nicht gedacht, dass das der Grund für diese Grausamkeit war an der Bar. Eigentlich dachte ich, es wäre etwas mit Drogen oder Schulden gewesen. Trotzdem hat er einen unschuldigen Mann ermordet! Wenn ich daran denke, wie viele Menschen seinetwegen bestimmt schon gestorben oder gefoltert worden sind, sammelt sich die Wut in mir.

Er ist ein Monster. Das wollte ich mir vorher herausreden, doch jetzt sehe ich es. Es gibt bestimmt keinen Funken Gutes mehr in ihm.

Shot Into DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt