siedem

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Man könnte meinen, dass wäre der absolute Tiefpunkt in letzter Zeit gewesen, an dem ich angekommen war. Vor Erschöpfung zusammengebrochen, weil ich zu ignorant mit meinem Körper und mir selbst umgegangen war. Ich war zu fahrlässig und deswegen hatte ich nichts anderes verdient, als dass mir dies passierte. Es grenzte an Körperverletzung, was ich mir selbst antat. Und doch war es vorhersehbar gewesen, dass so etwas früher oder später passieren würde.

Ich tat das mit Absicht, weil ich Aufmerksamkeit brauchte.
Wie konnte ich das zu lassen.
Ich war nur auf mich selbst fokussiert.
Meine Mutter passte nicht gut genug auf mich auf.

Das waren die Aussagen, die ich vereinzelt um mich herum wahrgenommen hatte. Kurz nach meinem Sturz. Während ich abtransportiert wurde, als ich ins Krankenhaus kam. Es waren nur Sekundenbruchteile, die ich wahrgenommen hatte, an denen ich geistig anwesend war. An denen ich genau hörte, was meine Mitmenschen sagten, obwohl sie nichts über mich wussten. Sie verurteilten mich, obwohl sie mich nicht kannten. Doch all das interessierte mich so gar nicht. In dem Moment, war ich einfach froh, dass ich von diesem Ort verschwand. Er schnürte mir die Kehle zu. Bereitete mir Kopfschmerzen. Manchmal wusste ich nicht, wo mir der Kopf stand. Dass ich ausgerechnet heute zusammenbrach, war ein Segen für mich, sowie ein Fluch.

Mit einem scharfen Atemzug öffnete ich vorsichtig meine Augen und wurde von grellem Licht begrüßt, welches mir Kopfschmerzen bereitete. Mein Mund war staubtrocken und ich hatte das dringende Bedürfnis etwas trinken zu müssen. Es lag teilweise an dem geringen Wasser, welches ich heute zu mir genommen hatte, aber bestimmt waren auch die Medikamente schuld, dass ich mir vorkam, wie ein Fisch, den man aus dem Wasser geholt hatte. Ich verstand allerdings nicht, wieso ich mit irgendwelchen Mitteln vollgepumpt wurde. Mir fehlte es ja quasi an nichts.

Erneut öffnete ich meine Augen und konnte sie offen behalten. Verschwommen nahm ich die Silhouette meiner Mutter wahr, die links von mir saß. Rechts von mir, konnte ich die blonden Haare von Felix erkennen. Als nächstes spürte ich den starken Druck, den meine Hand umrundete.

"Mach sowas nie wieder, Hyunjin!", mahnte mich meine Mutter mit gebrochener Stimme. Sie klang so, als würde sie jeden Moment beginnen wollen zu weinen, was ich nicht nachvollziehen konnte. Schließlich war ich am Leben und ich hatte nur einen Schwächeanfall. Nichts besonderes. Das konnte jeder einmal haben. Mein Blick flog über den Raum und blieb an der Wand gegenüber von mir hängen, an welcher eine riesige Uhr hing, die deutlich anzeigte, dass es nach siebzehn Uhr war. Hatte ich wirklich für fünf Stunden mein Bewusstsein verloren? So kam es mir wirklich nicht vor. Vielleicht eine halbe Stunde, aber nicht mehrere Stunden.

"Wieso lügst du mich an?", hörte ich als nächstes von ihr und ich wusste direkt, was sie meinte. Mein Image von dem guten Sohn, war direkt zerbrochen. Jetzt musste ich wohl oder übel mit der Sprache herausrücken. Auch wenn mir nicht danach war. Flehend sah ich zu Felix, dem ich deutete, dass ich etwas zu trinken brauchte. Direkt verstand er, was ich wollte und verließ wenig später den Raum.

"Musst du wieder zum Psychologen? Fehlt dir was?", weitere Fragen prasselten auf mich ein, sodass ich nicht mal die Chance hatte mich zu erklären. Ich wollte mich zwar zunächst einmal herausreden, aber ich wusste, ich musste ihr die Wahrheit früher oder später sagen.
"Ich dachte die ganze Zeit, dir geht es gut, Hyunjin?" Dann begann sie mit weinen, aber sie fasste sich direkt wieder. Es zerbrach mir das Herz sie so leiden zu sehen. Aber es war wirklich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis meine Lügen aufflogen. Das hatte ich jetzt davon.

Der Australier kam herein und reichte mir eine Flasche mit Wasser, die ich dankend, aber auch geschwächt annahm. Ich kippte den Inhalt in mich und spürte, wie ich langsam wieder fähig war mit reden.

"Ich wollte dich schützen.", sagte ich heiser, als ich die Flasche zu schraubte und sah, wie ihr Blick sich mit purer Enttäuschung füllte. Das wollte sie so gar nicht hören. Felix war mittlerweile wieder raus gegangen, weil er merkte, dass er hier nicht so ganz erwünscht war.

"Weißt du, wie sich eine Mutter fühlt, wenn sie erfährt, dass es ihrem Kind absolut nicht gut geht? Dass du deine Tabletten nicht nimmst? Dass du versuchst mit deinen Problemen allein klar zu kommen? Hyunjin, du hast mit der ganzen Sache genau das Gegenteil bewirkt! Ich mach mir viel mehr Sorgen um dich, als dir das eigentlich lieb ist. Yongbok geht es genauso! Deine anderen Freunde saßen auch draußen und warten bis du aufwachst! Die sind alle für dich da und ich bekomme zu hören, dass du deine Probleme klein redest und du deine Freunde trotz allem abwimmeln willst! Mit Schlafproblemen sollte man nicht spaßen! Sei ehrlich zu mir, hast du die Tabletten jemals genommen?"

Eingeschüchtert schüttelte ich den Kopf und traute mich nicht ihr in die Augen zusammen. Ich hörte nur, wie sie die Luft einzog und ich wusste, dass ich meine Mutter in meinem Leben so richtig enttäuscht hatte und das konnte ich nicht mehr gerade biegen.

𝗜𝗻𝘀𝗼𝗺𝗻𝗶𝗮 ✧ SEUNGJIN Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt