Tiere verurteilen einen nicht

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Meine Mutter sah mich mit einem Blick an, der mir sagte, dass sie mir nicht unbedingt glaubte.
Sie fragte jedoch nicht mehr nach. Ich schielte vorsichtig zu Sebastian, doch dieser ließ sich nichts anmerken, weswegen ich nicht genau sagen konnte, ob er nun verletzt war oder nicht.
Ich wusste nicht, was er geantwortet hätte, wenn ich ihm nicht zuvor gekommen wäre. Und irgendwie hatte ich auch etwas Angst vor seiner Antwort.

Nach zwei Stunden verabschiedeten wir uns von meinen Eltern und traten den Heimweg an. Sobald wir alleine waren, merkte ich, wie er etwas angespannter wurde, wobei ich versuchte, dies zu ignorieren und mich so normal wie sonst auch zu verhalten.
Den Weg über sagte keiner was. Ich grübelte die ganze Zeit darüber, ob er mich noch mal darauf ansprechen würde oder ob ich es eher machen sollte. Allerdings wüsste ich Erstens nicht wie und Zweitens fehlte mir der Mut.

"Ich hätte es auch selber geschafft zu antworten. Aber jetzt weiß ich immerhin, wo ich stehe.", meldete Sebastian sich plötzlich zu Wort und lehnte sich in den Türrahmen meiner Küche.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte ich gedacht, das wir uns auch bei mir an schweigen würden.
"Was?", ich wusste im ersten Moment nicht, worum es ging.
"Ist es das was du willst? Freunde sein?", er warf mir einen verletzten Blick zu, welcher mir die Kehle zu schnürte.
Ich sagte nichts. Ich konnte nichts sagen, nicht mal ein Ja oder Nein. Ich war wie eingefroren.
Abwartend musterte er mich und verschränkte die Arme vor der Brust, in der Hoffnung, noch eine Antwort zu bekommen.
"Okay.", er stieß sich vom Türrahmen ab und verschwand, nur um kurz darauf mit der Bettwäsche, die ich ihm vorhin bezogen hatte, unter dem Arm wieder zurück zu kommen und sie ins Wohnzimmer zu verfrachten.
"Du hättest ruhig sagen können, dass du mich als einen Freund haben willst. Auch wenn ich das Gefühl hatte, das da mehr wäre.", er lächelte enttäuscht und steckte die Hände in die Taschen.
Unfähig irgendwas zu machen oder zu sagen, stand ich immer noch an der selben Stelle und konnte ihn nur ansehen.
"Seb-", fing ich mit tränenerstickter Stimme an, wurde jedoch unterbrochen. Weiterreden hätte ich sowieso nicht gekonnt.
"Ich weiß zwar nicht, was dein Problem ist, weswegen du dich so verschließt, aber okay. Ich werde dich nicht zwingen, mit mir zu reden.", er konnte sein Lächeln nicht mehr halten und verschwand ins Wohnzimmer.
Mir brannten die Tränen in den Augen und kurz darauf liefen sie über meine Wange.
Ich konnte mich aus meiner Starre lösen und flüchtete in mein Zimmer. Dort schmiss ich mich aufs Bett und starrte an die Decke.

Es war draußen mittlerweile dunkel, als mich irgendwann der Durst plagte. Auf leisen Sohlen machte ich mich in die Küche auf und trank schnell ein Glas Wasser.
Vom Wohnzimmer her hörte ich kein Mucks. Ich wusste nicht, ob Seb schlief oder überhaupt noch da war. Aber wo sollte er wenn hin sein, er kannte sich hier überhaupt nicht aus.
Im Flur schlüpfte ich in meine Turnschuhe und schlich durch das Treppenhaus nach unten.
Irgendwie überkam mich das dringende Bedürfnis, bei Major zu sein.

Vorsichtig zog ich die große Stalltür auf und schlüpfte durch den Spalt hinein.
Ich setzte mich in die offene Boxentür des Fuchses und kraulte seinen dichten Schopf.
"Ich habe ordentlich Scheiße gebaut...", Major prustete mir leicht ins Gesicht.
"Warum fällt es mir nur so schwer über Gefühle zu reden? Das ist total unpraktisch, weißt du? Vor allem verletzte ich damit Menschen, die mir sehr am Herzen liegen. Aus der Not heraus habe ich Seb gesagt, dass ich ihn nur als einen Freund sehe...dabei hatte er Recht...zwischen uns ist mehr als nur Freundschaft.", der große Vierbeiner sah mich mit seinen dunklen Augen an, wobei ich das Gefühl hatte, er könnte mir geradewegs in die Seele schauen.
"Ich weiß nicht genau, worauf das hinaus führen wird. Aber vor allem habe ich Angst, es herauszufinden. In ein paar Wochen ist meine Fortbildung zu Ende und ich fliege wieder nach Hause. Wer weiß, ob wir uns überhaupt wieder sehen. Wahrscheinlich versucht mein inneres Ich mich davor zu schützen, vor dem Trennungsschmerz, indem ich einfach dicht machen, wenn es darum geht, Gefühle zu zeigen.", ich sah Major zu, wie er sich wieder seinem Heu widmete.
"Ich habe ihn wirklich sehr gerne und in seiner Gegenwart fühle ich mich seit langem Mal wieder richtig geborgen und glücklich. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Mal unter uns, ich habe so noch nie empfunden.", Sebastian zauberte mir immer ein Lächeln ins Gesicht, egal wie ich gerade drauf war.

"Im Volksmund nennt man sowas glaube ich Liebe.", ich zuckte erschrocken zusammen, als ich plötzlich die Stimme wie aus dem Nichts hörte.
Im Lichtstrahl meiner Handytaschenlampe sah ich Sebastian an der gegenüberliegenden Box stehen.
"Dios mio! Hast du mich erschreckt.", fluchte ich los. "Wie lange stehst du schon da?"
"Lange genug.", er kam näher und setzte sich zu mir. "Lass es uns versuchen, Grace, und die Zeit nutzen, die wir noch haben. Wir haben doch nichts zu verlieren."
Er lächelte sanft, während ich ihn musterte.
Sollte ich es wagen?
Den Gefühlen nachgeben? Nachher bereue ich es vielleicht sogar, wenn ich es nicht getan hätte.
Ich nickte langsam:"Okay, tun wir es."
"Ja?", seine Augen wurden groß und er lächelte ungläubig.
"Ja!", erwiderte ich und hatte das Gefühl, dass mir eine große Last von den Schulter genommen wurde. Es war befreiend, sich nicht mehr verstecken zu müssen.

Als es uns auf dem kalten Steinboden langsam zu kalt wurde, gingen wir zurück in die Wohnung.
"Meinst du nicht, dass das Sofa etwas unbequem ist?", bot ich ihm den freien Platz im Bett an, als ich die Wohnungstür hinter mir schloss.
"Findest du?", er grinste provozierend.
"Meinetwegen kannst du auch da schlafen. Bleibt mehr Platz für mich.", ich zuckte mit den Schultern.
"Den Gefallen tue ich dir nicht."

"Warum hattest du mir das nicht direkt gesagt?", fragte er leise. Ich merkte, wie er etwas den Kopf hob, da ich mit meinem auf seiner Brust lag.
"Was?", murmelte ich halb schlafend.
"Das, was du Major erzählt hast."
"Mir fällt es einfacher mit Tieren zu reden.", mehr brachte ich nicht mehr zu Stande, da mich seine ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge ins Traumland wiegten.

Den Samstag hatten wir für uns, da die Beerdigung erst morgen war und abends würde der Flieger schon wieder zurück nach New York gehen.
"Hast du auf irgendwas bestimmtes Lust?", fragte ich Sebastian beim Frühstück und biss in mein belegtes Brötchen. Nachdem wir ausgeschlafen hatten, hatten wir uns zum Bäcker aufgemacht, da mein Kühlschrank leer war und ich keine Lust auf einkaufen hatte.
"Ich weiß nicht mal, was man hier so machen kann.", er zuckte leicht mit den Schultern und warf mir einen fragenden Blick zu. Ich musste etwas überlegen. Was könnte man denn machen?
"Wir könnten gucken, was so im Kino läuft oder nach Hamburg reinfahren. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste gerade Sommer Dom sein."
"Dom?", Sebastian warf mir einen verwirrten Blick zu.
"Eine Art Volksfest. Da sind Spielbuden wie Dosenwerfen, Entchen angeln, Schieß- und Fressbuden. Und einige Fahrgeschäfte.", klärte ich ihn auf.
"Okay, dann lass uns dahin gehen."
Ich nickte auf seinen Entscheidung hin. Nun müsste ich nur noch eine Bahnverbindung raus suchen.

Ich weiß, ich bin spät dran. Sorry dafür  😅
Wie immer Danke für die ganzen Aufrufe und Stimmen ♥️
Schönes Wochenende

Man sieht sich immer zweimal im Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt