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Alec


„Also hier sind, wie du dir schon denken kannst, die meisten Studenten untergebracht.", zeigt Magnus auf das Gebäude, das wir gerade verlassen haben. „Das ist natürlich nicht das einzige Gebäude.", hängt er an und geht mit mir weiter. Ich habe den Plan der Universität natürlich schon studiert und kenne mich hier vermutlich besser aus, als Magnus. Aber es ist schön, ihm zuzuhören. Er hat eine angenehme Stimme. „Wie alt bist du eigentlich, wenn ich fragen darf?", frage ich, um ihn nicht direkt nach seinem Vater zu fragen und mich langsam an ihn heranzutaste.

„Fünfundzwanzig. Du kannst mich alles Fragen.", lächelt er mich von der Seite an. „Erzähl mir mehr über dich. Interessen, Erlebnisse ... Familie?", frage ich ihn vorsichtig. Schließlich will ich keinen Verdacht wecken. Auch wenn er nicht so schnell darauf kommen wird, dass ich vom FBI bin. „Ich interessiere mich für Architektur, Design, wie mein Studienfach schon verrät. Außerdem bin ich Einzelkind, also so viel gibt es da nicht.", erzählt er. Natürlich sind das oberflächliche Sachen, die ich alle schon aus seiner Akte kenne, doch ich brauche die Informationen, die nur er weiß. Das braucht vermutlich noch Zeit. Schließlich bin ich fremd für ihn, doch das will ich ändern.

„Was für ein Zufall. Ich bin auch Einzelkind.", lächle ich, auch wenn es ein wenig ungewohnt ist, das zu sagen, denn es stimmt keinesfalls. „Schon etwas, das wir gemeinsam haben. Was gibt es noch über dich zu wissen?", erkundigt er sich, während wir über den Campus spazieren. „Ich heiße Andrew Underhill, bin einundzwanzig Jahre alt und eigentlich immer gut gelaunt.", erwidere ich gut gelaunt. „Freut mich dich kennenzulernen, Andrew. Hier sind wir jetzt übrigens bei den Grünanlagen. Hier kann man ziemlich gut lernen oder einfach mit Freunden sitzen und Plaudern.", zeigt er zu meiner Rechten.

„Apropos lernen. Ich habe dasselbe Studienfach und wollte bei der Gelegenheit mal fragen, ob du es mir vielleicht ein wenig erklären könntest. Du kennst dich bestimmt besser aus, als ich.", frage ich ihn freundlich. So gut gelaunt und strahlend zu sein ist gar nicht so schwer, wie ich dachte. In Magnus' Nähe bin ich aus irgendeinem Grund automatisch glücklich. Er hat sowas positives an sich, das ansteckend ist. „Ja, natürlich kann ich dir helfen. Morgen gleich?", sieht er mich fragend an. Er hat einfach die ganze Zeit ein Lächeln auf dem Gesicht. Ich frage mich, ob es unecht ist. „Mit Vergnügen.", erwidere ich ebenfalls lächelnd.

„Hier wäre dann auch schon die Bibliothek.", verkündet er, als wir vor einer schweren Holztür ankommen. Während wir hierher spaziert sind, haben wir noch ein wenig über die Uni und unsere Studienfächer gesprochen. Gottseidank nicht, was mich hierher geführt hat. „Du kannst mitkommen oder hier kurz warten, bin gleichwieder zurück.", verschwindet er in den großen Raum und ich beschließe, ihm zu folgen. Der große Raum, ist tatsächlich riesig. Bis zur hohen Decke reichende hölzerne Regale, welche bis zur Gänze mit dicken Büchern gefüllt sind. Keine einzige Lücke kann ich auffindbar machen.

„Da staunst du nicht schlecht, was?", stellt sich Magnus neben mich, nachdem er die schweren Bücher zurückgebracht hat. Tatsächlich bin ich sehr begeistert über die unzähligen Bücher. Irgendwas in mir wollte immer schon einmal studieren, aber ich weiß, dass das nicht geht und das finde ich auch nicht schlimm. Trotzdem werde ich die Zeit hier genießen. „Und aus solchen dicken Bücher musst du lernen?", frage ich ihn leicht schockiert. „Nicht nur ich. Auch du.", lacht er und verlässt den Raum wieder.

„Hast du einen Zweitnamen?", fragt er, als wir auf dem Weg zur Mensa sind. „Gideon.", antworte ich sofort und unüberlegt. „Würde ich gerne heißen.", hänge ich schnell an. „Aber nein, ich habe keinen." „Komisch. Andrew passt irgendwie nicht zu dir.", überlegt er, wobei ich ihm nicht widersprechen kann. Andrew ist ein schrecklicher Name für mich. Alec passt ganz gut. Und auch Gideon, mein Zweitname. Aber das kann ich Magnus natürlich nicht sagen. „A-also ich will dich nicht persönlich angreifen ... es ... ich dachte nur, weil ..." „Nein, alles gut.", unterbreche ich ihn lachend. „Ich finde ihn auch ein wenig komisch, aber da müsstest du dich bei meinen Eltern beschweren." ... oder auch bei meinem Boss.

„Wie sind deine Eltern so?", fragt er nach kurzer Stille gedankenverloren. „Geschieden.", erwidere ich gleichgültig. „Tut mir leid, ich rede nicht gerne darüber." Ich fühle mich – nicht wie bei den anderen Aufträgen, bei denen ich lügen musste - schlecht, ihn anzulügen. Aber ich darf ihm nicht die Wahrheit sagen. „Ich spreche auch nicht gerne über meine Eltern.", teilt er mir mit. Dann kann ich mich ja ganz schön bei ihm einschleimen, um an die Informationen zu kommen. Vielleicht sollte ich die Beziehungsnummer doch in Erwägung ziehen, schließlich würde es so vermutlich viel schneller gehen.

„Tut mir leid, wenn ich dich jetzt damit überrumpele oder das nicht passend ist, aber ... würdest du vielleicht mal mit mir ausgehen?", bleibe ich stehen und gestikuliere mit meiner Hand in seine Richtung. Kurz sieht er mich verblüfft an, bevor er sich wieder fängt. „Das ist sogar sehr passend. Mit Vergnügen, Andrew.", lächelt er. Es klingt komisch, nicht meinen Namen zu hören, aber er soll ja auch nicht mit mir ausgehen, sondern mit Andrew. Wenn, dann hätte Magnus sowieso nur Interesse an dem gut gelaunten, lustigen Typen und nicht an dem griesgrämigen Alec. „Dürfte ich deine Nummer haben? Dann kann ich dir noch wegen der Zeit und dem Ort Bescheid geben.", erkläre ich mich und verschränke meine Hände hinter dem Rücken – eine Geste, die ich häufig mache.

„Ja klar.", erwidert er und nimmt mein – oder eher Andrew's – Telefon, um seine Nummer einzutippen. Als er es mir wieder zurückgibt, berühren sich unsere Finger leicht, was diese leicht kribbeln lässt. „Dort vorne ist die Mensa.", zeigt er mit seiner Hand. „Ich muss jetzt leider wieder weg, aber wir sehen uns.", verabschiedet er sich lächelnd. Als er geht, sehe ich ihm ein paar Sekunden nach, bevor ich beschließe, tatsächlich etwas zu essen.

Ich weiß nicht, ob ich diese Beziehungsnummer wirklich durchziehen soll. Schließlich sollte meine erste Beziehung nicht unecht sein, aber ich bekomme dadurch bestimmt schneller an die gewünschten Informationen. Sagt man nicht seinem Partner mehr, als seinem besten Freund? Aber wie weit würde ich gehen?




Undercover (german Malec ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt