I Kapitel 4 I

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"Saphira, was geht", begrüßte mich der dunkelhäutige Junge neben mir, während ich am Holzzaun lehnte. Wir standen ziemlich weit oben und eine Treppe führte nach unten zur Rennstrecke. Von hier oben hatte man einen guten Blick auf die gesamte Strecke und konnte somit die Rennen gut beobachten. Wenn man selbst fahren wollte, musste man links hinunter, dort war eine Art Weg, der Schlangenförmig nach unten führte, damit es nicht zu steil wurde. Kurz genoss ich noch die Aussicht auf die zwei, die gerade ein Rennen fuhren bevor ich auf seine Frage antwortete.

"Nicht viel Simian, bei dir?", grinste ich und boxte spielerisch gegen seinen Oberarm. Simian und ich gingen nun schon seit 5 Jahren in die gleiche Klasse und kannten uns daher schon etwas länger. Im gesamten war er ziemlich lustig und somit irgendwie der Klassenclown, was unsere Lehrer des öfteren in den Wahnsinn trieb, wie bei Mr. Sutton heute morgen.

"Ich bin froh wieder hier zu sein nach meiner langen Zeit ohne Motocross", antwortete er und fuhr durch seine kurzen aber dichten Haare, die er bis auf ein paar Millimeter abrasiert hatte, da sie sonst nicht mehr zu bändigen wären. Er würde mit seinen Afro Locken bestimmt cool aussehen.

"Ja das stimmt. Aber cool, dass du wieder dabei bist", meinte ich ehrlich und erinnerte mich zurück, wie er vor ein paar Monaten einen Unfall auf der Rennstrecke hatte und ein paar Wochen auf Krücken laufen musste da sein Bein gebrochen war. Somit fiel Motocross nun einige Zeit für ihn aus. 

"Lass uns eine Runde drehen. Mir zur ehre", sprach er mich nun erneut an und ich nickte begeistert. Wir zogen unsere Helme auf und fuhren dann runter auf die Strecke. Vor uns zählte ein anderer Junge aus dem Club von 3 rückwärts hinunter und sofort gaben wir beide Gas. 

Simian hatte sofort einen großen Vorsprung aber ich war mir sicher, dass ich diesen aufholen würde. Gleich kamen wir an dem Hügel an, den ich ohne Probleme schaffte, wo Simian nur immer wieder seine Probleme hatte, was ich natürlich wusste, immerhin war es nicht mein erstes Rennen gegen ihn. Sofort holte ich ihn wieder auf und drängte mich innen an den Rand, sodass ich die Kurven kürzer nehmen konnte. Auf der Zielgeraden kam er mir immer näher aber schaffte es nicht mehr aufzuholen, da er die Zeit am Berg verschwendet hatte.

"Du bist immer noch so gut wie vor ein paar Wochen", meinte er bemerkenswert über den Jubel der Menschen hinweg und grinsend nahm ich den Helm ab.

"Du musste bei dem Berg schneller rüber kommen, dann schaffst du es irgendwann auch mich zu besiegen. Bist aber nicht schlecht gefahren für dein erstes mal nach Wochen", lächelte ich und wir schoben unsere Maschinen etwas beiseite um für andere Platz zu machen.

"Ich wusste, dass du ihn abziehst", kicherte Romina und schlug mit mir ein. Als nächstes erkannte ich, dass mein Bruder an der Startlinie stand und gegen Kaden fuhr. Er war einer der drei Jungs, die hier eher ungerne erwünscht waren. Sie provozierten gerne und gaben dumme Sprüche von sich. Wobei Kaden noch der harmloseste war. Am schlimmsten ist Xavier. Er hatte praktisch das sagen in dieser dreier Gruppe und war sogar noch größerer Gesprächsstoff als Enzo es war.

Mein Bruder und Kaden starteten die Motoren und fuhren dann zeitgleich los. Kopfschüttelnd sah ich auf die Rennstrecke. Wieso muss er sich denn immer gegenüber den dreien beweisen. Seufzend lehnte ich mich an den Holzzaun und beobachtete genau das Rennen, als sich ein Körper neben mir ebenfalls an den Zaun lehnte.

"Glückwunsch zum Sieg", sprach er und mich überkam ein Schauer. 

"Im Gegensatz zu euren beschissenen Rennen ging es bei mir nur um den Spaß", gab ich pampig von mir und Xavier schnauft auf.

"Spaß gibt es bei rennen nicht. Entweder man verliert oder man Gewinnt. Dein Bruder scheint wohl zu verlieren", teilte er mir abwertend mit und ich verschränkte sauer die Arme vor der Brust.

"Wie wäre es, wenn du dich einfach verpisst", sprach ich mutig und sah ihn an, wie er lässig an dem Zaun lehnte und meinem Bruder beim verlieren zu sah.

"Du hast ein ganz schön großes Mundwerk", sagte der schwarzhaarige ernst und richtete sich nun ebenfalls auf. Mir stieg der Geruch von Zigaretten in die Nase und angeekelt verzog ich das Gesicht. 

"Und du hast ein ganz schön großes Ego", konterte ich und wollte an ihm vorbei laufen doch er hielt mich am Handgelenk fest. Während er neben mir stand schaute ich stur gerade aus und er musterte mein Seitenprofil.

"Lass mich los", knurrte ich wütend und er lachte heiser auf.

"Pass auf wie du mit mir redest kleines", schnaufte er.

"Wusste nicht, dass man dich netter behandeln sollte nur weil du ein großes Arschloch bist". Sein Griff um mein Handgelenk wurde fester und nun riss ich mich los um mich wieder vor ihn zu stellen. Es war ungemein leise geworden, während mein Bruder unten an der Strecke mit Kaden diskutierte lagen aber nun alle Augenpaare auf mich und Xavier.

"Wie nennst du mich?", hakte er bedrohlich nach und seine Augen verengten sich zu schlitzen.

"Pass mal auf. Ich denke ich spreche für den ganzen Club wenn ich dir jetzt sage, dass du dich mit deinen Handlangern von diesem Ort verpissen solltest. Ihr kippt die Stimmung und niemand hat darauf Bock. Alles klar?", wies ich ihn mutig hin und lief dann an ihm vorbei. 

"Schlampe", spuckte er raus und wie in Zeitlupe drehte ich mich zu ihm. 

"Das reicht! Nenn sie noch einmal Schlampe und wir bekommen ein großes Problem miteinander", ertönte sie Stimme von Enzo und er stellte sich zwischen uns. Nun kam auch mein Bruder hoch und sah zwischen uns hin und her. Die Verwirrung war förmlich in sein Gesicht geschrieben weil er ja gerade mehr damit beschäftigt war mit Kaden zu diskutieren. 

"Oh wow. Die kleine hat schon einen Beschützer und natürlich ist es niemand geringeres als Enzo Torres höchst persönlich", lachte Xavier auf und beobachtete den braunhaarigen vor mir. Seine Schultern beben und langsam legte ich eine Hand auf seinen Rücken, was dafür sorgte, dass seine Atmung wieder regelmäßiger ging.

"Verpiss dich einfach. Niemand will euch hier haben, klar!", sprach er nun ebenfalls wie ich vorhin aus und tatsächlich macht Xavier mit Kaden und Jason einen Abgang. Enzo entzog sich sofort meiner Berührung und alle konnten wieder aufatmen. 

"Wer fährt als nächstes gegen mich?", rief Romina und einer meldete sich. Die Gespräche fingen wieder an und die Stimmung hob sich wieder, was ein ziemlich gutes Zeichen war, denn ich hatte keine Lust jetzt schon nach Hause zu fahren nur weil die drei Idioten sich hier wieder so blöd aufgeführt hatte.

"Mutig Mutig unsere Saphira", ertönte die Stimme von Simian neben mir und ich fing an zu lachen. 

"Ich freue mich immer die ganze blöde Woche auf diesen Abend und dann lass ich mir das bestimmt nicht vermiesen", stellte ich klar und er nickte sofort.

"Da können alle wirklich froh sein, dass wir dich haben. Sonst hätte sich das wahrscheinlich niemand getraut auszusprechen", lachte er leise und belustigt sah ich ihn an.

"Jetzt muss ich schon die Männerrolle einnehmen. So weit ist es schon"

"Ja du hast mich gerade auch Erbahmungslos abgezogen das wirft kein positives Licht auf mich", stellte er deutlich klar und entschuldigend blickte ich ihn an.

"Es tut mir leid, dass du so schlecht warst und das ich gewonnen habe"

"Hey, hab erbahmen! Ich war lange nicht mehr auf der Strecke", schmollte er los und sofort hatte ich etwas mitleid.

"Hast ja Recht, tut mir leid", lächelte ich und zusammen feuerten wir dann Romina an, die gerade gegen einen etwas älteren Jungen fuhr.

"Und wir haben heute noch unsere Maschinen geputzt", lachte ich auf als ich sah, wie meine Freundin durch den Schlamm fuhr und ihr Motorrad fast darin badete. 

"Ob das eine gute Idee war bezweifel ich", schmunzelte Simian und seine braunen Augen hatten das Rennen fixiert. 

Mit lautem jubeln gratulierte ich Romina zu ihrem Sieg und sie tanzte unten auf der Strecke vor sich hin und der Junge gegen dem sie gefahren ist schüttelte nur belustigt den Kopf

𝐕𝐞𝐫𝐛𝐨𝐭𝐞𝐧𝐞 𝐋𝐢𝐞𝐛𝐞 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt