Kapitel 1

636 29 4
                                    

Ein Geräusch von draußen weckte mich abrupt, und ich setzte mich auf. Etwas war draußen, also griff ich nach meinem Messer und kroch leise und behutsam aus meiner Höhle. Diese hatte ich sorgfältig gewählt, denn ihr enger Eingang ließ nur einen Menschen meiner Größe hindurch. Es war eine strategische Entscheidung: Nichts Größeres als ich konnte hier eindringen, um mich zu fressen.

Am Ausgang angekommen, hielt ich kurz inne und lauschte in die Stille des Waldes. Nichts war zu hören. Vorsichtig kroch ich weiter hinaus, stützte mich mit meinen Armen ab. Die unnatürliche Ruhe verstärkte mein Unbehagen, denn mittlerweile vertraute ich auf meinen sechsten Sinn. Dennoch wagte ich es, weiterzukriechen, sodass nur noch meine Beine im Höhleneingang verblieben. Eine Schwachstelle dieser Position war, dass ich mein Messer nicht zur Verteidigung einsetzen konnte, sollte etwas von vorne angreifen.

Plötzlich tropfte etwas auf mein Gesicht. Ich wischte den klebrigen Schleim angewidert weg und erstarrte. Obwohl ich nichts sehen konnte, spürte ich, dass etwas über mir lauerte – ein Oras! Diese Kreatur, kleiner als ein Wolf, aber weitaus schneller, war durch ihre glatte, glänzende Haut gekennzeichnet, die unheimlich und fast reptilienhaft wirkte. Normalerweise bewegten sich Oras in Rudeln, was meine Lage zusätzlich verschärfte. Was mich jedoch am meisten schaudern ließ, waren ihre blutroten Augen, die wie glühende Lava leuchteten. Genau diese Augen starrten mich an, als ich mich plötzlich auf den Rücken drehte. Ich wollte zustechen, doch das Wesen schlug so hart gegen meine Hand, dass ich einen Moment lang dachte, sie sei gebrochen. Der Rückzug in die Höhle war nun keine Option mehr; ich wäre eingesperrt und leichte Beute für die starrsinnigen Oras, die selten von ihrer Beute abließen.

Als es mich beißen wollte, packte ich es am Hals und versuchte, mich aus der Höhle zu befreien. Immer mehr Schleim tropfte auf mein Gesicht und verschleierte meine Sicht.

Ich suchte verzweifelt nach meinem Messer, doch es war nirgends zu finden. Wenn das Geschrei des Oras anhielt, würden bald weitere dieser Kreaturen herbeieilen, und dann wäre ich verloren. Ich krallte meine Nägel so tief wie möglich in seinen Hals, was es kurz ablenkte und mir ermöglichte, es von mir wegzustoßen.

Schnell stand ich auf und rannte los, doch nach kaum zehn Metern packte es mich an der Schulter und schleuderte mich gegen einen Baum. Der Aufprall war so heftig, dass mir kurz schwarz vor Augen wurde. Ich musste es nicht sehen, um zu wissen, dass meine Schulter aufgerissen war. Trotz des Schmerzes zwang ich mich, mich auf das herannahende Monster zu konzentrieren, das mir seine langen, spitzen Zähne zeigte. Der Oras näherte sich langsam, als hätte er alle Zeit der Welt – sicher, dass ich leichte Beute war.

In diesem Moment erblickte ich das Messer, das im Sonnenlicht aufblitzte. Ich sah dem Monster tief in die Augen; es wusste, was ich vorhatte, und stürmte mit einem durchdringenden Schrei auf mich zu. Auch wenn Oras nicht dafür bekannt waren, mit ihrer Beute zu spielen, hatte es den Fehler gemacht, mich zu unterschätzen. Saws waren die Kreaturen, vor denen man sich fürchten musste – sie fraßen einen bei lebendigem Leib!

Ich griff das Messer fester, sprang mit einem Ruck auf und stach dem Oras mit einem Schrei in die Kehle, immer wieder. Der einzige Weg, einen Oras zu töten, war, ihn zu enthaupten—doch das war weitaus schwieriger, als es sich anhörte. Ich setzte die Klinge erneut an, bis der Oras den Fehler machte, den Kopf zurückzulehnen. Mit all meiner verbliebenen Kraft drückte ich sein Kinn zurück und vollendete den Akt. Als ich ihn losließ, sackte sein Körper in sich zusammen, und der Kopf rollte ein paar Zentimeter weiter. Erschöpft lehnte ich mich gegen einen Baum und ließ mich zu Boden sinken, vor Schmerzen zusammenzuckend. Wenn ich meine Wunden nicht bald versorgen würde, könnte ich verbluten. Doch im Moment schien mir ein solcher Tod fast erträglicher, als von diesen Kreaturen gefressen zu werden. Erst jetzt bemerkte ich, dass seine Krallen mich an mehreren Stellen erwischt hatten.

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt