Kapitel 22

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Er ging auf Tey zu, wich dessen Schlag mit Leichtigkeit aus und traf ihn mit einem kräftigen Faustschlag am Kinn. Selbst aus dieser Entfernung hatte ich das Geräusch eines gebrochenen Knochens vernommen. Doch für Arsas war das nicht genug. Er ragte über Tey wie der Tod persönlich und schlug immer wieder auf ihn ein. Kein Wolf traute sich, sich einzumischen. Ich machte ihnen das nicht zum Vorwurf; der Blick in Arsas' Augen hatte offenbar auch ihnen eine gehörige Portion Angst eingejagt. Das Grün, welches am meisten im Hintergrund nur leicht schimmerte, kam jetzt mit seiner ganzen Wucht  aus seinem Auge. 

Als Amelia mich am Arm packte und mich anflehte, etwas zu tun, konnte ich meinen Blick nicht vom Geschehen abwenden. Arsas würde Tey umbringen, und das bereitete mir eine unheimliche Freude. Ja, ich wollte förmlich spüren, wie das Leben aus Tey verschwand.

„Bitte, Hope, bitte, ich flehe dich an. Du bist die Einzige, die ihn aufhalten kann. Er darf ihn nicht töten, Hope... bitte." Amelia weinte bitterlich neben mir, und ihr Griff um mein Handgelenk war fast schon schmerzhaft.

„Dieses Arschloch hat es nicht anders verdient, Amelia."

„Nein, du verstehst es nicht. Arsas wird getötet, sollte er Tey umbringen. Sie sind beide Clanbrüder, und das ist strafbar. Bitte, Hope."

Jetzt wandte ich mich ihr zu, und etwas in mir regte sich. Würden sie Arsas tatsächlich töten? Ich glaubte Amelia und riss mich aus ihrem Griff, um direkt auf Arsas zuzulaufen.

„Arsas, hör auf damit!"

Er schien mich gar nicht wahrzunehmen und trat auf Tey ein, als wäre dieser ein Sack Reis.

„Arsas, HÖR AUF!" Doch keine Reaktion. Er setzte sich über Tey und wollte erneut seine Faust erheben. Ohne weiter nachzudenken, packte ich seine Faust, und sein wütender Blick traf auf meinen.

„Bitte, Arsas, hör auf. Du wirst ihn umbringen. Hör einfach auf." Ich sah den Kampf in seinen Augen. Alles an ihm war blutverschmiert, das Blut rann sogar durch seine Faust auf meine Arme, doch ich ignorierte es. Ich wusste nicht dass Arsas nicht aufhören würde. Er schien fest entschlossen zu sein, Tey zu töten. Er knurrte mich an, eine Warnung, dass ich loslassen sollte. Doch ich konnte nicht. Ich tat etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte: Ich legte meine Hand auf seine Wange und strich beruhigend darüber.

„Bitte, Arsas, hör auf. Ich flehe dich an."

Nach einigen Sekunden sah ich, wie sich das intensive Grün in seinen Iris langsam zurückzog. Zurück blieb nur ein sanftes Schimmern. Er riss sich aus meiner Berührung, drehte sich mehrmals um, und die Menge hatte sich längst um uns versammelt.

„Diese Menschen-Frau, GEHÖRT. MIR. Sollte sie erneut von einem Wolf verletzt werden, werde ich keine Gnade walten lassen!" Dann drehte er sich zu mir um, packte mich an der Hand und schleifte mich regelrecht hinter sich her.

Ich wagte es nicht, etwas zu sagen. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich wirklich Angst vor einem Wolf.

**

Den ganzen Weg über hatten wir kein Wort gewechselt. Auch jetzt saß ich einfach auf dem Bett und wartete, bis sich Arsas beruhigt hatte. Seit wir im Zimmer waren, lief er auf und ab.

„Arsas?!" kam es fragend, aber doch leise von mir.

Plötzlich blieb er mitten im Raum stehen und drehte sich zu mir um. Ich sah, wie er sich zusammenreißen musste, verstand jedoch nicht, warum er plötzlich so wütend auf mich war. Klar, ich hatte einen Clanwolf angegriffen, und das bereits zum zweiten Mal. Zudem hatte ich Arsas dazu gebracht, seinen „Bruder" fast zu Tode zu prügeln. Aber ganz ehrlich, Tey hatte das verdient – davon war ich nach wie vor überzeugt.

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt