Kapitel 16

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„Also, wirst du reden? Oder soll ich dich fühlen lassen?" Auch wenn ich versuchte, drohend zu klingen, gelang es mir nicht. Die Situation von gerade eben hatte mich aus unerklärlichen Gründen aus der Bahn geworfen. Er grinste nur und sah mich herausfordernd an.

„Nur zu, lass mich fühlen, Hope." Das Leuchten in seinen Augen, als er das sagte, löste ein seltsames Ziehen in meinem Magen aus. Was war das für ein Gefühl?

„Ich will wissen, warum es infizierte Wölfe gibt und wie sie entstanden sind! Im Grunde will ich alles wissen, was du weißt!"

Er ging zum Sofa, setzte sich, lehnte sich lässig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Wir lieferten uns ein Blickduell. Der Teufel sollte mich holen, wenn ich als Erste den Blickkontakt abbrechen würde. Natürlich wusste ich, dass es eine Art Machtspiel war, aber irgendwie hatte ich keine Angst mehr vor Arsas. Vielleicht wurde ich leichtsinnig. Ohne den Blick von ihm abzuwenden, ging ich zum Bett, das gegenüber vom Sofa stand, und ließ mich langsam darauf nieder. Ich ahmte seine Haltung nach und verschränkte ebenfalls die Arme, was ihm ein leichtes Grinsen entlockte.

„Du verlangst viel, Menschen-Frau. Das war nicht der Grund, warum ich dich hergerufen habe. Das ist dir bewusst, oder? Du kannst nicht einfach hier auftauchen, weil dein Narmene tot ist, und erwarten..."

„Setran! Sein Name ist...war, Setran!"

„Nun gut, dann Setran. Du kannst nicht herkommen und Forderungen stellen. Du solltest nicht vergessen, wer ich bin."

„Warum wolltest du dann, dass ich herkomme? Damit ich sehe, wie Wölfe in Menschengestalt umherwandeln, Kinder lachen, die Sonne scheint, Blumen blühen und der Regenbogen aus jedem Wolfsarsch strahlt? Nichts, was ich hier gesehen habe, hat meine Meinung geändert, Clanwolf! Ich bin hier, weil ich Antworten will! Ich will wissen, warum mein Freund gestorben ist!"

„Wärst du auch hier, wenn er noch am Leben wäre?" Nein, natürlich nicht. Ich hätte diese Informationen nicht von ihm benötigt, wäre Setran noch am Leben. Dann hätten Setran und ich uns der Erde angeschlossen und mit aller Macht versucht, unser Ziel zu erreichen: die Befreiung der Menschen von den Wölfen.

„Verstehe," sagte er, als ich ihm keine Antwort gab, und fuhr fort. „Du kennst hier noch gar nichts, Hope. Du weißt nicht, wie wir leben."

„Hör auf! Ich möchte nichts sehen, denn egal, was ich sehen würde, es würde meine Meinung nicht ändern. Nicht, weil ich stur bin, sondern weil es mir mittlerweile egal ist."

„Interessant. Vor einer Woche wolltest du uns alle noch unter der Erde sehen, und jetzt? Du verhältst dich echt merkwürdig, Hope. Deine Haltung, etwas an dir hat sich verändert, und ich kann nicht sagen, was. Gibt es vielleicht etwas, das du mir sagen möchtest?"

Er hatte recht, mein Grundsatz hatte sich geändert, und das war gut, oder? Ich wollte nicht mehr alle Wölfe tot sehen; ich wollte einfach nur Freiheit für meine gesamte Spezies. Das würde ich mit Hilfe der Erde schaffen, das musste ich einfach. Was würde Arsas tun, wenn ich ihm sagte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Wölfe verschwören? Wenn er wüsste, dass ich eigentlich ein Teil der Erde bin. Würde er mich als Verräterin umbringen lassen? Oder mich foltern, bis ich ihm den Standort der Erde verrate? Nun, da ich ihm diese Information niemals geben würde, spielten diese Gedanken keine Rolle.

„Nein, es gibt nichts, was ich dir sagen könnte. Also, gibst du mir die Informationen, die ich will? Oder sperrst du mich ein?" Als er lachte, sah ich ihn verwirrt an. Was war daran so witzig?

„Dass du immer wieder damit kommst. Warum sollte ich dich einsperren?"

„Ich stelle eine Gefahr dar?!"

„Ach, tust du das? Dabei dachte ich, wir hätten das hinter uns und ich könnte dir vertrauen." In seiner Stimme lag ein Hauch von Ehrlichkeit, der mich überraschte.

„Ich habe nie gesagt, dass du das tun sollst, Wolf." zuckte ich die Schulter, es war doch auch so gewesen. 

Er stand so plötzlich auf, dass ich es ihm gleich tat und meinen ganzen Körper anspannte. Was war denn jetzt los? Wie ein Raubtier, das er ja auch war, kam er mit langsamen Schritten auf mich zu. Da ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte, blieb ich vor dem Bett stehen und sah reflexartig zur Tür. Als ich wieder nach vorne sah, stand Arsas dicht vor mir. Ich wollte zurückweichen, doch da ich direkt vorm Bett stand, knickten meine Beine ein, und ich wäre fast rücklings auf das Bett gefallen. Fast... Arsas hatte seinen Arm um meine Hüfte geschlungen und mich zu sich zurückgezogen, sodass ich nun gegen seine Brust prallte. Erschrocken klammerte ich mich an seinem Hemd fest und sah panisch zu ihm auf. Das alles geschah so schnell, dass mein Gehirn kaum realisierte, was passierte.

„Ich will dir vertrauen, Hope." Seine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, während er mich noch fester an sich zog und auf mich herabblickte. Arsas war mindestens zwei Köpfe größer als ich, und ich war nicht gerade klein. Ich krallte mich unbewusst noch fester an ihm fest.

Warum schlug mein Herz plötzlich so schnell? Was waren das für seltsame Gefühle in meinem Magen, während mich dieser Wolf so intensiv betrachtete? Immer wieder sagte ich mir, dass ich mich beruhigen sollte. Wenn wir uns jetzt losließen, würde ich aufs Bett fallen und er über mir stehen. Diese Situation wollte ich definitiv nicht, also hielt ich an ihm fest.

„Ein großer Fehler... Clanwolf..." flüsterte ich mit heiserer und zittriger Stimme. Warum klang meine Stimme so? Verdammt, wahrscheinlich strömte ich Schwäche aus, doch ich konnte meinen Körper und meine Stimme nicht mehr kontrollieren.

„Ich erkläre dir jetzt, wie das alles ablaufen wird." Seine tiefe Stimme löste ein kleines Erdbeben in mir aus, und mein Herz setzte kurz aus. Innerlich verfluchte ich mich und hoffte, dass er meine Unsicherheit nicht bemerkte. Spürte er vielleicht meinen Herzschlag? Nachdem ein kurzes Lächeln über seine vollen Lippen huschte, sprach er im gleichen Ton weiter. „Noch kannst du aus dieser Sache herauskommen, Hope. Ich werde dafür sorgen, dass der Alpha dich gehen lässt, und ihm versichern, dass von dir keine Gefahr ausgeht und du nichts weißt. Diese Option würde ich dir empfehlen, wenn du gesunden Menschenverstand besitzt, da es dir ja ohnehin egal zu sein scheint, wer wir wirklich sind. Die zweite Option besteht darin, dass ich dir das erzähle, was ich weiß. Doch dann wirst du nie wieder diese Mauern verlassen. Du wirst immer an meiner Seite sein müssen, und wenn du uns verrätst, dann sterben nicht nur du, sondern auch ich, weil ich meinen Befehl von Anfang an nicht befolgt habe."

Ich verstand, was er meinte. Sollte ich versuchen, mit den Informationen zu fliehen, die er mir gab, würden sie mich töten und dazu noch Arsas. Ach du Scheiße, wenn sie herausfänden, dass ich zur Erde gehörte... Egal, ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich hatte mich längst entschieden. Ich würde alle Infos sammeln, die ich konnte, und dann versuchen zu fliehen, um alles der Erde weiterzugeben.

„Ich wähle die zweite Option."

Er nickte grinsend und lachte kurz auf. „Natürlich tust du das, Menschen-Frau."

„Enttäuscht, weil ich nicht die erste Option gewählt habe? Die hast du mir ja empfohlen."

Plötzlich legte er seine zweite Hand um meinen Hals, drückte nur ein kleines bisschen zu, so dass ich noch genügend Luft bekam und beugte sich zu mir hinunter. Als ich seinen Atem an meinem Hals und Ohr spürte, bekam ich am ganzen Körper Gänsehaut, die sich durch seine Stimme zusätzlich verstärkte. 

„Ganz und gar nicht. Ich sagte gesunder Menschenverstand, aber keiner von uns beiden scheint ihn zu haben, was mich nicht überrascht. Bist du also bereit, bis zu deinem Tod an meiner Seite zu bleiben?" Dass ihm dieser Gedanke wiederum zu gefallen schien, gefiel mir ganz und gar nicht.

Ich nickte nur, unfähig, ein Wort herauszubringen. Mein ganzer Körper fühlte sich wie Lava an. Hatte ich so viel Angst davor, hier gefangen zu sein, falls ich es nicht schaffte? War das der Grund für diese inneren Turbulenzen? Nein, ich wusste, dass ich hier rauskommen würde. Aber warum dann? Warum fühlte ich mich in seiner Nähe so...komisch. 

Er ließ mich so plötzlich los, dass ich mit meinem Arsch auf dem Bett landete. Wütend sah ich zu ihm auf, doch ihm schien diese Position zu gefallen, was mir ein wütendes schnauben entlockte. 

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt