Kapitel 20

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„Nein!" Schweißgebadet wachte ich mitten in der Nacht auf und benötigte einige Minuten, um mich zu orientieren. Wieder hatte ich von jener Nacht geträumt; tatsächlich hatte ich bis dahin nur selten eine Nacht ohne diese Träume verbracht. Doch dieses Mal war es anders gewesen. Ich wusste, dass ich nach dem Schrei einer Mutter direkt herausgerannt war, doch diesmal hatte ich mich umgedreht und war in Richtung der Kellertür gegangen. Was war nur los?

Ich schmiss die Decke zur Seite, zog das Kleid an und beschloss, zum Strand zu gehen. Im Flur angekommen, hatte ich kurz Schwierigkeiten, den Ausgang zu finden. Als ich schließlich unter dem freien Himmel stand, atmete ich die frische Luft so tief ein, wie ich konnte. Es war etwas kühler geworden.

An dem Tag, als ich in den Wald fliehen musste, war es Herbst gewesen. Ich erinnere mich noch genau, wie die folgenden Wochen für mich gewesen waren. Ich blieb an dem Ort, an dem ich war, Tag für Tag wartete ich auf meine Eltern. Ich wollte nicht fortgehen, aus Angst, sie könnten kommen und mich nicht finden. Zunächst konnte ich in der Nähe der Höhle bleiben und das essen, was die Oras an Tieren zurückgelassen hatten. Doch mit der Zeit wurde es immer schwieriger, und die Gefahr, dass die Monster auf mich aufmerksam wurden, war einfach zu groß. Ich war noch ein Kind und hätte keine Chance gehabt.

Eines Nachts hatte ich so großen Hunger, dass es schmerzte und ich nicht mehr vom Boden aufstehen konnte. Ich lag einfach dort und weinte. Meine Eltern waren nicht gekommen; sie waren tot, und diese Erkenntnis brachte mich noch mehr zum Weinen. An diesem Tag hörte ich auf, ein Kind zu sein. Ich lag einfach da und wartete auf meinen Tod. Dann wurde es so schlimm, dass ich mir wünschte, ich würde einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen. Ich hörte das Gewitter und verschiedene Geräusche, war jedoch zu schwach, um etwas zu tun. Es war mir auch egal, ich wollte und konnte einfach nicht mehr. Auch meine Sicht hatte sich verschlechtert; die Augen offen zu halten, kostete mich einfach zu viel Kraft. Ich wusste, dass jemand neben mir war, ich hörte es, doch ich tat nichts. Ich ließ zu, dass man mich in die Arme nahm und forttrug. Wir waren in Bewegung, und irgendwann hatte ich anscheinend das Bewusstsein verloren. Als ich wieder aufwachte, hörte ich nur Gemurmel; jemand zwang mich, den Mund aufzumachen.

„Du musst etwas essen, Kleines. Na los." Ich hatte Hunger, doch es war einfach zu anstrengend.

Ich blieb etwa vier Jahre lang bei Hernes, einem Menschen und Jäger, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Saws zu jagen. Nach einer Weile erzählte er mir, dass seine Hütte angegriffen worden war, während er in der Stadt gewesen war. Die Monster hatten seine Frau und seine drei Kinder regelrecht zerfetzt. Das Einzige, was diese Monster nicht gegessen hatten, waren die Köpfe seiner Familie. Deshalb jagte er sie und hatte sich geschworen, sie alle auszurotten. Er hatte mir nie etwas Böses getan und war derjenige, der mir das Kämpfen beigebracht hatte. Er wollte nicht, dass mir dasselbe geschah wie seiner Tochter; das war seine einzige Bedingung gewesen. Ich sollte stärker werden, und dafür würde er mir warme Mahlzeiten und ein Dach über dem Kopf geben. Von ihm hatte ich das Messer, das ich immer noch bei mir trug. Hernes hatte mich anfangs mit auf die Jagd nach Oras genommen, da diese zwar in Herden unterwegs waren, jedoch nicht so gefährlich waren wie die Saws. Dort hatte ich gelernt, wie man ein Wesen tötete.

Er hatte mich oft gefragt, woher ich kam. Doch ich konnte es ihm nicht sagen. Ich wollte es nicht, da ich dachte, dass mich der Schmerz zerreißen würde, wenn ich diese Worte aussprach. Eines Tages wollte Hernes allein jagen gehen. Während ich beschäftigt war, Wäsche zu waschen, wartete ich... die Nacht, den folgenden Tag und den Tag darauf. Ich wartete einen Monat lang auf ihn, doch er kam nie wieder zurück. Mir war klar, dass etwas schiefgelaufen sein musste; Hernes würde nicht mehr zurückkommen. Er war tot!

Ich nahm einen Rucksack von ihm, packte alles ein, was ich tragen konnte, und verließ die Hütte. Ich wollte hier nicht bleiben, also ging ich in den Wald.

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt