63 Scherbengericht - Teil 3

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Einer weiteren Nacht ohne Schlaf für Stiles folgte heute der vermutlich letzte Verhandlungstag an welchem die letzten vier Zeugen ihre Aussagen machen würden und danach würden sich dann die Geschworenen zusammensetzen, um über Schuld und Unschuld Kate Argents zu befinden. Wenn sie schnell zu einem Votum kämen, dann könnte mit ein wenig Glück bereits heute Abend alles vorüber sein.

Stiles war der Erste, der heute in den Zeugenstand gerufen wurde. Es war eine Art Selbstschutzmaßnahme, dass er Kate hierbei aus seiner Wahrnehmung vollständig ausblendete. Er achtete peinlich genau darauf, zu keinem Zeitpunkt zu ihr hinüberzuschauen, als sei sie Medusa mit einem Haupt voll von zischenden und sich windenden Schlangen und als könne sie ihn mit ihrem Blick in Stein verwandeln.

Stattdessen schaute Stiles die Geschworenen an, den Strafverteidiger, den Staatsanwalt, den Richter und wann immer er konnte auch Derek, denn ganz gleich, wie diese Verhandlung ausgehen mochte, dort lag seine Zukunft und an diesem Gedanken hielt er sich fest.

Stiles beantwortete die Fragen, welche ihm gestellt wurden präzise und sachlich, achtete sehr genau darauf, sich von Kates Verteidiger nicht provozieren, oder auf's Glatteis führen zu lassen und obwohl er die Skepsis seiner Person gegenüber, dem Stricher, dem Toyboy des gelangweilten Milliardärs in den Augen einiger Jurymitglieder deutlich erkennen konnte, ließ er sich davon nicht entmutigen, oder verunsichern. Ja, er mochte schwul sein und seinen Körper verkauft haben und das mochte für manche von ihnen weitab der eigenen Lebensrealität, moralisch verwerflich, oder sogar abstoßend sein, doch Stiles würde sie dennoch zwingen, ihn als menschliches Wesen wahrzunehmen, als eine Person, die eine lange Zeit um ihr Leben hatte fürchten müssen, die zum Opfer eines sehr bösen Menschen geworden war, aber auch als eine Person, welche sich lediglich das wünschte, wonach die meisten Menschen sich sehnten; eine Zukunft und ein gutes Leben mit jenem Menschen, den er über alles liebte. Stiles würde vielleicht nicht den moralischen Standpunkt dieser Menschen ändern, doch er würde es ihnen auch nicht allzu zu leicht machen, ihn ohne großes Nachdenken einfach in eine Schublade zu stecken.

Als er den Zeugenstand wieder verließ, hatte er zwar das Gefühl Schwerstarbeit geleistet zu haben, doch es fiel auch eine große Last von ihm ab. Er wusste, er hatte sein Bestes getan; der Rest lag nun nicht mehr in seiner Hand.

Kaum hatte er seinen Platz an Dereks Seite hinter dem Staatsanwalt wieder eingenommen, wurde sein Geliebter nun ebenfalls in den Zeugenstand gerufen.

Derek stockte kurz der Atem, obwohl ihm natürlich bewusst gewesen war, dass nun er an der Reihe war auszusagen. Doch dann stählte er sich innerlich und drückte noch einmal flüchtig die Hand von Stiles, ehe er langsam und bedächtig nach vorn schritt.

Er nahm seinen Platz ein und wurde vereidigt. Er wusste, er würde nun sehr viele private Informationen vor einem Haufen fremder Menschen ausbreiten müssen; eine Sache, welche ihm absolut zuwider war.

Er nahm die Geschworenen in den Blick und ihm gefiel überhaupt nicht, was er in ihren Gesichtern lesen konnte. Sie mochten Derek nicht, vermutlich aufgrund seines guten Aussehens und weil er viel Geld besaß, denn so waren Menschen nun einmal; sie missgönnten einem anderen, was sie selbst nicht hatten und sie schätzten es nicht, wenn ein anderer es in ihren Augen im Leben zu leicht hatte. Hinzu kam noch, dass es Dereks unterkühlte Fassade, welche ihm über die Jahre beinahe zur zweiten Natur geworden war, diesen Leuten leicht machte, ihn nicht sympathisch zu finden. Sie wussten ja nicht, welchen Weg Derek hinter sich hatte, was ihn so hatte werden lassen und was er bereits alles verloren hatte.

Auch wenn es Derek absolut nicht gefiel, es half wohl nichts; er würde sich hier und heute öffnen müssen und sich zeigen wie er wirklich war, wenn er wollte, dass diese zwölf Personen diese Situation über die sie zu urteilen hatten richtig einschätzen konnten und zu einem Schuldspruch kämen.

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