On the Road

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ROSA

„Haben Sie etwas für mich? Sie müssen wissen, dass ich sie beschatten lasse und es sowieso rauskriege, wo sie um halb fünf Uhr morgens hinwollen."

***

Müde reibe ich mir über die Augen, unterdrückte ein Gähnen. Ich habe die ganze Nacht über den Büchern der Bar meines Vaters gesessen – natürlich heimlich – aber ich konnte keine Unregelmäßigkeiten entdecken. 

Es sind also die Gäste, die Mangelware sind, was mich beruhigt. Ich dachte wirklich, dass Papa in irgendwelche Machenschaften verstrickt ist, die ihn dazu gebracht haben, das Geld der Bar zu nehmen, um sich rauszukaufen, oder sonst was damit zu tun. Doch die Bücher sind sauber, wenigstens soweit ich das sehe. Vielleicht ziehe ich einen Kollegen vom College hinzu, doch zuerst muss ich mich vom Stuhl lösen, auf dem stundenlang gesessen bin. 

Mein Rücken knackst, als ich mich strecke und zeugt davon, wie wenig ich in Form bin. Ich muss dringend wieder mit dem Laufen anfangen, denke ich und schlage die Bücher zu, schiebe sie unter mein Bett und gehe ins Bad. Das Wasser ist wie immer arschkalt, doch es weckt meine Lebensgeister. 

Es ist noch nicht einmal vier Uhr und ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich Guzman zugesagt habe, dass wir seine Lieferung eskortieren. Als wären wir ein beschissenes Unternehmen, dass sich darauf spezialisiert hat. Doch wie ich seinen Vater einschätze, wird er die Polizei geschmiert haben, dass sie uns nicht aufhalten. 

Denn mal ehrlich, ein Lastwagen, der von einigen Bikern begleitet wird, fällt doch hundertmal mehr auf als einer ohne. Ich habe also keine Ahnung, was Guzman damit bezweckt, doch es bringt Geld in die Kasse und das ist das einzige, was zählt. Das Wasser weckt meine Lebensgeister soweit, dass ich mich zwei Tassen schwarzen Kaffee widmen kann. 

Ohne dieses Wunderelixier geht nichts – heute zumindest und wenn ich ehrlich bin, seit meiner Jugend. Alles mache ich so leise wie möglich, denn ich habe meinem Vater nichts erzählt. Er muss es nicht wissen und eingeweiht habe ich nur Santiago und seine Anhänger. Es ist wirklich krass, wie sie ihn anhimmeln, als wäre er ihr Vorbild. 

Nichts gegen Tiago, aber ich könnte mir bessere Idole vorstellen. Aber vielleicht muss ich ihre Beweggründe nicht verstehen. Ich schaue auf mein Handy und stöhne innerlich auf, denn ich muss los. Noch ein letzter Schluck und ich stelle die Tasse in die Spüle, schnappe mir meine Jacke und gehe raus. 

Vorsichtig schließe ich die Tür, während der Himmel über mir noch sein nächtliches Gewand trägt. Ich ziehe die Haare aus dem Kragen der Lederjacke und zucke zusammen, als plötzlich mein Handy klingelt. 

Dieser scheiss Klingelton! 

So schnell ich kann krame ich es aus der Tasche und nehme den Anruf an.

„Was?", zische ich und verdrehe die Augen. 

„Nehmen Sie so jeden Anruf an, Rosa?" Mein Herz bleibt einen Schlag lang aus und schlägt danach nur noch unregelmäßig weiter. Ich schlucke und versuche mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Was wollen Sie, Gandia?", frage ich knapp und gehe von der Veranda runter. Der Kies unter mir knirscht, als ich zu meinem Bike gehe. In der Luft liegt der Geruch nach Sommer und Salz, das von den Klippen unter uns hinaufgeweht wird. Das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, stehe ich da und warte auf seine Antwort. 

„Haben Sie etwas für mich? Sie müssen wissen, dass ich sie beschatten lasse und es sowieso rauskriege, wo sie um halb fünf Uhr morgens hinwollen", meint er mit einem Unterton, der mir eine Gänsehaut beschert. Wieder schlucke ich, zwinge mich zur Ruhe und suche nach einer plausiblen Antwort. Doch die will mir nicht einfallen. 

Gangs of Sinaloa - Killing LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt