Zuflucht

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GUZMAN

„Rosa? Sie ist tougher als du denkst. Sie hat die Bullen ausgeschalten."

***

„Alles okay?", frage ich sie. Keine Ahnung, was in ihr abgeht, aber es ist garantiert nicht schön. Sie wirkt so zerbrechlich, was ich gar nicht an ihr kenne. Eigentlich kenne ich sie überhaupt nicht, nur die Seiten, die sie mir in den letzten Tagen gezeigt hat. 

Und die sind sich ziemlich ähnlich, denn da wäre zum Einen die willige und laszive Rosa und dann wäre die kratzbürstige Rosa, die mich spüren lässt, dass sie mich in Wahrheit gar nicht abkann. Aber so, weinend und schluchzend, wirkt sie wie eine andere Person. Als ob sie sich in den letzten turbulenten Minuten in ein Häufchen Elend verwandelt hätte. 

Mein Gesicht ist ihrem noch immer nahe, sodass ich ihren heißen Atem auf meinen Lippen spüren kann. Rosa nickt und schließt die Augen. Ich setze mich wieder hin und komme nicht zur Ruhe, denn das Adrenalin flacht nur langsam an und ich habe das Gefühl, als könnte ich noch immer Bäume ausreißen. 

Aber der Schein trügt, das kenne ich nur zu gut. Zu oft habe ich mich geprügelt, habe an einem illegalen Straßenrennen teilgenommen oder musste vor den Bullen fliehen. Der Körper ist voll mit Adrenalin, du hast so viel Energie, die du brauchts. Doch am Ende flacht es ab und du bist einfach nur down und es kommt so plötzlich, dass du es nicht kommen siehst, wenn du es weiter ausreizt. 

„Das war ein verdammter Fehler!", zischt sie auf einmal. Ich schaue sie überrascht an und sehe ihr an, dass sie vor Wut platzt. Ihr Gesicht ist rot angelaufen, als hätte sie die Luft angehalten, bis es nicht mehr geht. Ihre Hände ballen sich zu Fäusten und ihre Muskeln spannen sich an. 

„Hey, dafür kannst du nichts. Die scheiss Bullen waren das!", knurre ich und spüre, wie die Wut auch mich beherrscht. Aber durch das Adrenalin wird es gedrosselt, sodass ich mich schneller unter Kontrolle habe. Im Gegensatz zu Rosa. 

Denn sie schüttelt den Kopf und sieht mich an. In ihren bernsteinfarbenen Tiefen kann ich so vieles erkennen, doch sie verschließt sich so schnell vor mir, dass es unmöglich ist, es zu deuten. Wortlos dreht sie sich von mir ab und starrt aus dem Fenster. Mein Blick folgt ihrem, doch der kleine Parkplatz ist menschenleer, abgesehen von ein paar Autos. Im Moment ist die Luft noch rein, doch das kann sich sehr schnell ändern. 

„Wir müssen hier weg", sage ich deshalb und lehne mich zu ihr rüber. Aber nicht, weil ich es erneut versuchen möchte – so sehr mich die Sache auch angeturnt hat, aber ich bin kein Tier, dass seinen Trieben nicht widerstehen kann -, sondern, weil ich ans Handschuhfach will. Sie hält den Atem an, als ich mit dem Kopf auf Höhe ihrer Brust verharre, bis ich gefunden habe, was ich suche. In ihren Augen kann ich zwar ein Funkeln erkennen, doch dafür haben wir keine Zeit.

 Wow, dass ich sowas überhaupt einmal denken würde, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Doch wie sagt man so schön? Für alles gibt es ein erstes Mal. So auch für diese Situation. Denn ich habe zwar schon vieles erlebt, aber vor der DEA musste ich noch nie fliehen. Das einzige was jetzt wichtig ist, ist das wir von hier verschwinden. 

Ich zwinkere ihr zu, will sie damit aufheitern, was nicht ganz so gut funktioniert und klappe den Deckel des Fachs zu. Ich setze mich wieder grade hin und atme durch. Das Wegwerfhandy habe ich für Notfälle dabei und das hier, ist einer. Ich drücke die eins und höre es klingeln.

„Geh ran, verdammte Scheisse!", murmle ich und setze mich bequemer hin. Ich habe den Parkplatz immer im Auge, damit ich sofort reagieren kann, wenn sich jemand nähert. Doch bis jetzt sieht alles gut aus. 

„Na endlich", brumme ich, als sich Jesus meldet. Ich höre ihn husten, gefolgt von einem Hochziehen. Wie kann er um diese Uhrzeit schon koksen? Unter anderen Umständen könnte ich es auch, aber jetzt kommt es mir sinnlos vor. 

Gangs of Sinaloa - Killing LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt