ROSA
„Folgen Sie mir, Seniorita de la Cruz."
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„Wir wissen beide, dass Ihr Interesse an mir keinem staatlichen Interesse gedient hat. Irgendetwas an mir, hat Sie fasziniert und nicht mehr losgelassen. Ich biete mich Ihnen an, Sie sollten also zuschlagen", sage ich so selbstsicher ich nur kann.
Ich lehne mich nach hinten, schaue ihn gleichgültig an, als könnte ich, wenn er ablehnt, einfach so aufstehen und gehen. Doch das kann ich nicht, nicht, wenn er Guzman festhält. Das hat er mir zwar nicht gesagt, aber die Kamera in der linken Ecke blinkt, was bedeutet, dass unser Gespräch aufgezeichnet wird. Und wem sollte er es vorspielen, wenn nicht Guzman?
Sicher, es könnte auch mein Vater sein. Doch Santiago meinte, dass er bei ihnen ist, also kann es nur er sein. Gandia fixiert mich. Dann lehnt er sich nach vorne, stützt seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und starrt mich an. Ich halte seinem Blick stand, werde nicht einknicken. Nicht nach allem, was passiert ist.
Das Pochen meiner Schusswunde erinnert mich jedes Mal daran, was für ein krankes Arschloch Gandia ist und das ich mich in die Hände des Teufels begebe, wenn ich das wirklich durchziehe. Doch Guzman hat nicht verdient, dass er wegen mir leidet. Dass er sich wegen mir in Gefahr begibt, denn eines habe ich nach dem Kuss mit Santiago gelernt, dass ich verantwortlich bin. Dass ich die Schuld an allem trage und deshalb muss auch ich die Konsequenzen tragen. So finster sie auch sein mögen.
„Eines verstehe ich nicht", setzt er an. Ich verschränke die Arme vor der Brust und lasse meinen Blick durch den Verhörraum schweifen. Er ähnelt stark dem Raum, in dem er mich festgehalten und am Ende gepackt und herumgeschleift hat, als wäre ich nur ein dummer Sack mit alten Kartoffeln drin. Er besitzt nichts außer einem Tisch und zwei Stühlen. Die Tür ist in der Mitte und besitzt ein Fenster, das aus Milchglas besteht, durch das nichts erkennen kann.
„Was?", frage ich knapp, als es mir zu blöd wird auf seine Antwort zu warten. Auf Miguels Gesicht breitet sich ein Lächeln aus, dass mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Was weiß er, da sich nicht weiß? Ich schlucke, versuche mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Doch zu spät, er ist wie ein Bluthund, der eine Fährte wittert und ihr nachgeht.
„Du schlägst mir ein Notizbuch von Rodrigo Alvarez Davila an, dem größten Drogenboss in ganz Sinaloa und keine Stunde zuvor hat mir schon jemand eben dieses Buch versprochen", lässt er die Bombe platzen. Nein! Mein Herz pocht so stark gegen meine Rippen, dass ich mir die Seite halte und tief durchatme. Ich muss mich fangen, muss einen klaren Kopf behalten. Sonst klappt das nie.
„Was sagst du dazu? Muss doch schon ein verdammt großer Zufall sein, oder?", lacht er höhnisch und lehnt sich wieder zurück. Dabei ruht sein Blick stets auf mir, was mich noch unsicherer werden lässt. Ich suche krampfhaft nach einer Antwort, die alles erklärt, doch die habe ich nicht. Ich weiß nur, dass es Guzman gewesen sein muss, denn er ist im Besitz dieses Buches. Ich schlucke hart, als mir bewusst wird, dass ich am Arsch bin. Das mein Plan gescheitert ist. Oder? Kann ich es nicht doch noch retten?
„Okay, ich habe es nicht", gebe ich zu und höre ihn lachen. Ich schaue ihn an und sehe den Wahnsinn in seinen düsteren Augen. Erkenne die Dunkelheit, die ihn fest im Griff hat. Er hat nichts mehr Menschliches an sich, keine Gnade, die er in sich spürt oder anderen gewähren würde. Nein, er hat seine Seele dem Teufel verkauft und dafür Unsterblichkeit erhalten. Für ihn gibt es kein Zurück mehr.
„Bevor du dich in noch mehr Lügen verstrickst, oder mir dein Herz ausschütten möchtest, will ich dir sagen, dass meine Männer bereits auf dem Rückweg sind. Mit dem Buch", sagt er, was nicht unbedingt etwas schlechtes bedeuten muss. Aber das Licht der Hoffnung in mir läuft Gefahr, dass ihm der Sauerstoff ausgeht und das es doch noch erlischt. Ein für alle Mal.
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Gangs of Sinaloa - Killing Love
ChickLitCuliacan, Mexico 2018 Die 22 jährige Rosa de la Cruz fährt zurück in ihre Heimat. Der Grund: Die Beerdigung ihres Grossvaters. Der das Oberhaupt einer der Bikergangs in Sinaloa war und dessen Tod ein grosses Loch in viele Herzen gerissen hat. So auc...