Gemeinsamkeiten dank Google?

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ROSA

„Sag mal, kann das sein, dass jemand bei dir war?"

***

Nachdem dieser Agent Gandia endlich das Haus meines Vaters verlassen hat, tigere ich auf und ab. Meine Gedanken springen von einem zu anderen, wie ein Stein, der über die Wasseroberfläche hüpft.

Er berührt es nur kurz und doch hinterlässt er Spuren. Kleine und große Kreise, die sich immer mehr ausbreiten und irgendwann ganz verschwunden sind. Doch das, was ich für diesen Kerl tun muss, verschwindet nicht einfach so. Es bleibt und ragt wie ein Berg vor mir auf, wirkt unüberwindbar und jagt mir eine Angst ein, die anders ist als all die Ängste zuvor.

Ich reibe mir frustriert über das Gesicht und schiebe mein widerspenstiges Haar hinters Ohr. Wie komme ich bloß da raus? Diese Frage kreist wie ein Geier über mir, zieht seine Bahnen und wartet nur darauf auf mich niederzusausen. Wie soll ich das anstellen? Wie soll ich an Rodrigo Alvarez Davila herankommen, um genügend Beweise für seine Straftaten zu gelangen? 

Ich kenne die Antwort, doch ich will sie nicht wahrhaben. Es würde bedeuten, dass ich zu einem Maulwurf werden würde. Einer Ratte, die Informationen an die DEA weitergibt, um ihre eigene Haut zu retten. Doch, was passiert, wenn ich mich weigere? 

Die Antwort kenne ich ebenfalls. Gandia wird mich und meine Familie zerstören, wird jedem etwas antun, der mir am Herzen liegt. Das kann ich nicht zulassen und soweit kommt es auch nicht. Ich werde einfach das machen, was ich tun muss und werde damit nur einem schaden, der es auch verdient und das ist der Vater meines Unbekannten. 

Das ich zweimal mit dem Typen schlafe, dessen Kartell für den Tod meiner Mutter verantwortlich ist, kann ich nicht fassen. 

Als ich gestern nach Hause gekommen bin und auf meinem Bett lag, konnte ich nicht anders und habe ihn und seine Familie gegoogelt. Dabei kam raus, dass mein Unbekannter Guzman heißt und der einzige Sohn des Kartellchefs ist. Ich habe Fotos angesehen, die ihn vor ein paar Jahren gezeigt haben. 

Damals hatte er noch fast keine Tattoos, wirkte wie ein trotziger Junge und doch habe ich bereits das gesehen, was mich heute magisch anzieht. Da war dieser Ausdruck in seinen eisblauen Augen, der gequält und voller Schmerz wirkte. 

Es hat etwas in mir berührt, was ich noch immer nicht recht einschätzen kann. Aber es fühlt sich gut an, fast so, als hätten wir beinahe dasselbe Erlebt. Denn in meiner kleinen Recherche habe ich herausgefunden, dass seine Mutter gestorben ist, als er noch klein war. Genau wie meine. So etwas prägt einen, lässt einen nie ganz los. 

Auch heute noch fehlt sie mir jeden Tag. Ich frage mich, wie sie aussehen würde, oder, was sie von meinem bisherigen Leben haltet. Ich vermisse ihre Stimme, früher hörte ich sie noch, doch mit der Zeit verklang sie immer mehr und am Ende blieb eine schale Erinnerung, die ich heute nicht mehr greifen kann. Das Poltern an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken und bringt mich in die Wirklichkeit zurück. 

„Hast du einen Geist gesehen?", begrüßt mich mein Vater lachend. Ich blinzle hektisch, kann seiner Frage nicht folgen. Er legt die Schlüssel in die Schale, die auf der Kommode neben der Tür steht und trägt eine Einkaufstüte Richtung Küche. Ich beobachte ihn, als könnte ich so herausfinden, ob er etwas bemerkt hat. 

„Hast du Hunger?", unterbricht er wieder meine Gedanken. Dieses Mal kann ich mich eher von der Starre lösen, die sich über mich gelegt hat. Ich gehe auf ihn zu und helfe ihm beim Auspacken der Lebensmittel. 

„Erdnussbutter?", frage ich zurück und lache. Denn mein Vater hasst dieses Zeug und mir schmeckt es auch nicht besonders. Aber wie soll er das wissen, wenn ich in den letzten Jahren nie lange genug zuhause gewesen bin?

Gangs of Sinaloa - Killing LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt